Das Baby ist da. Das Abenteuer beginnt. Die Leiterin des Münchner Instituts für frühkindliche Entwicklung, Fabienne Becker-Stoll, gibt Auskunft darüber, wie der Alltag in der allerersten Zeit mit Baby gut gelingen kann.
In den ersten sechs Wochen lernt die Mutter ihr Neugeborenes richtig kennen. Sie lernt die Bedürfnisse ihres Babys zu deuten. Dieses erste Kennenlernen erfordert viel Zeit und Aufmerksamkeit. Anschließend wird sie sehr viel sicherer im Umgang mit ihrem Baby sein. Damit diese erste Zeit gut gelingen kann, ist es besonders wichtig, dass sich die Mutter voll und ganz auf ihr Baby einlassen kann und sie keine anderen Sorgen ablenken.
Dies funktioniert nur, wenn sie von ihrem Umfeld unterstützt wird. Dem Baby kann es schließlich nur so gut gehen wie der Person, die für es verantwortlich ist. Wenn es der Mutter schlecht geht, sie Angst hat oder sich allein gelassen fühlt, kann sie die ihr fehlende Geborgenheit auch nicht dem Baby geben. Dieses Phänomen kennen wir alle vom ‚verliebt sein’. Wir lassen alles stehen und liegen und wenden unsere ganze Kraft und Zeit für diese eine Person auf. Doch wir können uns nur dann verlieben, wenn es uns selbst gut geht und nicht, wenn wir depressiv oder krank sind. Das Hauptproblem in unserer heutigen Gesellschaft dabei ist die fehlende Selbstverständlichkeit, dass die Frau in den ersten Wochen mit dem Baby nicht alleingelassen wird. Genau die dadurch fehlende Unterstützung überfordert die frische Mutter häufig.
Die Mutter benötigt Unterstützung für die rein physische, materielle Versorgung – alles, was sie für das körperliche Wohl benötigt. Auf der anderen Seite ist auch psychische, emotionale Unterstützung gefragt, denn eine Frau ist in ihrem Leben wahrscheinlich nie so verletzbar wie mit einem Neugeborenen. Sie benötigt viel emotionale Geborgenheit, Entlastung und Wärme, um ihre Liebe an das Baby weitergeben zu können. Dazu bedarf es vieler Nesthelfer, denn das Baby sollte für die Mutter im Mittelpunkt stehen und die Unterstützung kann ihr helfen, dabei ein Kraftreservepolster aufzubauen.
Dann kann sie die positiven Gefühle für ihr Baby spüren und nicht nur den Stress. Aus dieser Kraft und Ruhe kann die Mutter die nötige Feinfühligkeit für ihr Baby entwickeln. Wichtig ist auch, dass es keine Vorwürfe des Umfeldes an die Mutter gibt, wenn das eine oder andere noch nicht richtig funktioniert, wie z.B. das Stillen. Zuspruch und Bestätigung helfen, damit die Mutter sich entspannen kann.
Die Eltern sollten sich schon vor der Geburt nach Unterstützung umsehen. In erster Linie ist es natürlich wichtig, wenn der Vater in der ersten Zeit zuhause bei der Partnerin und dem Baby sein kann. In vielen Fällen gibt es auch Verwandte, Nachbarn oder Freunde, die gerne helfen. Verfügen die Eltern jedoch nicht über ein Netzwerk oder kann beispielsweise der Partner nicht ausreichend unterstützen, sollte professionelle Hilfe in Anspruch genommen werden. Eine Haushaltshilfe vielleicht oder auch wellcome. Häufig ist es jedoch nicht so sehr das Problem, Unterstützung zu finden, sondern eher, dass die jungen Eltern sich nicht trauen, um Hilfe zu bitten. Aber Eltern mit einem Neugebornen sollten jede Form von Hilfe in Anspruch nehmen. Auch dann, wenn es vielleicht noch ‚irgendwie geht’ und man meint, Unterstützung nicht unbedingt zu benötigen. Es ist in jedem Fall schön, wenn man das Gefühl hat, nicht allein zu sein. Jede Hilfe zählt – auch, wenn sie nur fürs Gemüt ist.
In den ersten Wochen sollte der Vater ausschließlich für seine Partnerin da sein und sie komplett verwöhnen. Er kann sich bei der Babybetreuung aber natürlich gerne einbringen und sich beispielsweise, während die Partnerin schläft oder duscht, um das Baby kümmern. Doch seine liebevolle Zuwendung sollte primär nicht dem Neugeborenen, sondern der Mutter gelten. Geht es der Mutter schlecht und fühlt sie sich emotional allein gelassen, dann sackt sie psychisch ganz schnell zusammen. Der Partner kann helfen, das zu verhindern. Er sollte sie beispielsweise für den Umgang mit dem Baby loben: „Das machst du toll“ oder nachfragen, wie er ihr helfen kann und ihr mit kleinen Gesten Wertschätzung entgegenbringen. Mindestens in den ersten sechs Wochen sollte er seiner Partnerin sozusagen jeden Wunsch von den Augen ablesen.
Die eigentliche ‚Stunde der Väter’ mit dem Baby kommt später – etwa nach dem ersten halben Jahr. Denn erst dann ist das Kind offen für eine zweite enge Bindung. Das Kind entwickelt zunächst zu einer Person eine Hauptbindung. Der Papa ist in der Phase zwar als Spielpartner für das Kind interessant, doch wenn es schreit, lässt es sich meist nur von der Mutter trösten. Ist der Vater viel in diesem ersten halben Jahr präsent, wird das Baby dem Vater aktiv zeigen, wenn es bereit für eine zweite enge Bindung ist und sich auch von ihm trösten lassen. Die primäre Bezugsperson muss nicht zwangsläufig immer die Mutter sein. Es hängt davon ab, wer zu Beginn mehr Zeit mit dem Baby verbringt. Eine primäre Bezugsperson können damit auch der Vater, die Großmutter oder die Tagesmutter sein. Denn Väter können das Neugeborene genauso gut versorgen und eine genauso enge Bindung zu dem Baby aufbauen. In den meisten Fällen ist es heute dennoch die Mutter.
Gut auf sich zu schauen und für Unterstützung zu sorgen, denn das schafft auch eine entspannte Atmosphäre mit dem Neugeborenen. So sollten sich die Nesthelfer darum kümmern, der Mutter eine schöne, angenehme Umgebung zu bereiten: beispielsweise das Bett frisch beziehen oder die Wäsche waschen, damit sich die Mutter mit dem Baby wohlfühlt. So ergibt sich dann eine ganz eigene, versorgende, Caring Community, die von Anfang an besteht und die auf Feiern und Festen, immer wieder zusammenkommt.