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Besser Einschlafen mit Körpertherapie

Gastautorin - Britt Bürgel

Unruhige oder schreiende Babys lassen Eltern meist selbst sofort angespannt und unruhig werden. Dies passiert ganz automatisch. Als Einschlaf- und Beruhigungshilfe können körpertherapeutische Methoden Babys und Eltern die ersehnte Entspannung bringen.

Lesezeit: Etwa 7 Minuten
Vater trägt schlafenden Säugling auf dem Arm. Liegt auf der Schulter

Am Anfang ist der Körper

Bestimmt kennst du das auch: Dein Baby schreit – und du selbst gerätst in Unruhe, weil du sein Schreien als unangenehm empfindest. Diese Unruhe setzt dich in Bewegung, du unternimmst alles Mögliche, um dein Kleines zu trösten. Vielleicht hast du auch die Beobachtung gemacht, dass dein Baby auf die Gefühle anderer Menschen reagiert: dass es zurücklächelt, wenn du es anlachst, oder dass es zu weinen beginnt, wenn jemand in seiner Nähe weint.  Diese Fähigkeit, Gefühle bei Anderen wahrzunehmen, ist von Geburt an vorhanden und wird durch sogenannte Spiegelneurone möglich. Spiegelneurone sind spezielle Nervenzellen, die uns in die Lage versetzen, Emotionen zu erkennen und empathisch mit Anderen mitzufühlen.

Mit dem Baby auch ohne Worte sprechen

Lange bevor das Baby sein erstes Wort sprechen kann, ist es in der Lage, die „Sprache des Körpers“ zu verstehen. Auf dieser Tatsache basieren die körperpsychotherapeutischen Methoden, die bei unruhigen Babys, in Schreibabyambulanzen und in der Eltern-Baby-Therapie eingesetzt werden. Auch wenn die biologischen Grundlagen dafür erst allmählich zum Gegenstand wissenschaftlicher Forschung werden, gibt es doch viele sehr eindrückliche Beispiele des Alltags, die zeigen, wie eng das Baby mit den Gefühlen seiner Eltern verknüpft ist. Diese enge Verbundenheit besteht auch in der umgekehrten Richtung: Wenn du selbst entspannt bist, dich wohl und sicher fühlst im Umgang mit deinem Baby, wirst du dich intuitiv richtig verhalten. Das ist es, was wir umgangssprachlich auch mit „Bauchgefühl“ meinen. Doch was passiert, wenn du durch die unruhigen Nächte selbst sehr gestresst bist? Wenn dich das ständige Weinen und Schreien deines Babys so sehr anstrengt, dass du gar nicht mehr weißt, was du eigentlich tun kannst, um ihm zu helfen?

Der Atem macht den Unterschied

Die Grundidee körperpsychotherapeutischer Methoden bei Babys, die viel schreien oder schlecht in den Schlaf finden, nutzt die Bedeutung des Atems der Eltern. Wenn du dich als Mutter oder Vater bewusst auf deinen eigenen Atem konzentrierst, kann das in einer akuten Schreiphase deines Babys dazu führen, dass du selbst nicht so sehr in Unruhe gerätst. Dieser Effekt ist damit erklärbar, dass ein tieferes bewusstes Einatmen den Teil des Nervensystems aktiviert, der für die Entspannungsreaktionen im Körper zuständig ist. Es wird als parasympathisches Nervensystem, kurz auch Parasympathikus, bezeichnet. Durch eine Zunahme deiner eigenen Entspannung verstärkst du deine Fähigkeit, einfühlsam auf dein Kind einzugehen und eine Bindung zu ihm herzustellen. Gleichzeitig nimmt auch dein Baby diese Veränderung bei dir wahr.

So wirst du über deinen Atem zu einer „Sicherheitsstation“ für dein Kind; du hilfst ihm damit, sich geborgen zu fühlen. Diese Vorgehensweise wird in der sogenannten „Emotionellen Ersten Hilfe“ (nach Thomas Harms) und in vielen Schreibabyambulanzen (nach Paula Diederichs) vermittelt.

Und das soll funktionieren?

Vielleicht geht es dir auch so: Du kannst kaum glauben, dass es mit ein bisschen Atmen getan sein soll? So viele unruhige Nächte liegen schon hinter dir, so viele verzweifelte Versuche, dein Kind beim Schlafen zu unterstützen? Auf den Körper und seine Fähigkeiten zu vertrauen, ist für viele Menschen ungewohnt. Doch gerade für Eltern lohnt es sich, diesen neuen Weg zu erkunden. Der große Vorteil: Dich auf deinen Atem zu besinnen ist eine Möglichkeit, die dir in jeder Situation zur Verfügung steht, ohne Risiken und Nebenwirkungen. Kostenlos, ohne die Anschaffung eines Hilfsmittels oder einer weiteren App auf deinem Handy, kannst du nur mit deiner Aufmerksamkeit auf deinen Atem etwas für dich und für dein Kind tun.

Gute Bedingungen für ruhige Nächte schaffen

Vermutlich wirst du anfangs leichter mit dem bewussten Atem experimentieren können, wenn ihr in eurer gewohnten Umgebung seid, dein Baby und du. Vielleicht hilft es dir auch, wenn du äußere Störquellen – Telefon, TV, Türklingel – abschalten kannst. Mach es dir bequem und erlaube dir, es seltsam oder komisch zu finden, einfach nur auf deinen Atem zu achten, während du dein weinendes Baby im Arm hältst. Bleibe dabei offen für das, was passiert, ohne dich auf ein bestimmtes Ergebnis zu versteifen. Wenn du mit deiner Aufmerksamkeit zwischendrin abschweifst, so ist das überhaupt nicht dramatisch. Kehre dann einfach wieder zu deinem bewussten Atem zurück. Im Laufe der Zeit wirst du spüren, dass sich durch die bewusste Atmung etwas in deinem inneren Erleben verändert. Es kann sein, dass du weniger von deiner Umgebung mitbekommst, dass du deine eigene Müdigkeit spürst oder wahrnimmst, wie sich die Anspannung in den Muskeln deines Rückens oder deines Nackens bemerkbar macht. Manchmal beginnen auch Tränen zu fließen – lass es einfach passieren. Und bleibe weiterhin mit deiner bewussten Aufmerksamkeit bei dir selbst.

Deinen Körper unterstützen

So wie dein Kind dich braucht, um sich wohl und geborgen zu fühlen, so ist es auch für dich wichtig, wenn du dir von einem nahestehenden Menschen Unterstützung holen kannst. Eine liebevolle Berührung oder eine Umarmung lindern Anspannung und Stress. Damit die wohltuende Wirkung der Berührung auch einsetzen kann, ist es hilfreich, wenn du dem Anderen sagst, was sich für dich besonders angenehm anfühlt. Brauchst du eine eher feste Umarmung, Bauch an Bauch? Oder tut es dir gut, wenn du dich mit deinem Rücken an den Bauch deines Partners anlehnen kannst? Probiert miteinander aus, welche Berührungen besonders wohltuend und im wahrsten Sinne des Wortes „rückenstärkend“ für euch sind. Gerade in besonders anstrengenden Momenten mit eurem Kind könnt ihr euch auf diese Weise gegenseitig Halt vermitteln. Manche Eltern haben gute Erfahrungen damit gemacht, dass einer von beiden das Baby hält, während er vom anderen Elternteil in einer wohlwollenden Umarmung gehalten wird. In der Fachsprache der Körperpsychotherapie würde man sagen: Durch die Berührungen schaffen die Eltern ein haltgebendes System, das es auch dem Kind erleichtert, sich zu entspannen. Eltern, die selbst Halt erleben, können auch die Gefühle ihres Babys besser „halten“.

Visualisierungen nutzen

Neben dem unmittelbaren körperlichen Zugang zur Entspannung kannst du auch deine Vorstellungskraft nutzen, um dich wohler zu fühlen. Das ist besonders dann hilfreich, wenn die Schlafschwierigkeiten dazu geführt haben, dass du mittlerweile nur noch Ablehnung und Verärgerung für dein Kind empfindest. In diesem Zustand ist es schwer, liebevoll und feinfühlig auf das Baby einzugehen und ihm die nötige Ruhe und Sicherheit zu vermitteln, die es zum Einschlafen braucht. Kennst du das auch? Dann ist es eine wertvolle Hilfe, wenn du dich an einen schönen Moment zurückerinnerst, den du mit deinem Baby erlebt hast. (Manchmal kann es helfen, ein Foto von deinem Baby zu betrachten, das du besonders gern magst.) Erinnere dich an die Situation und nimm alle Details vor deinem inneren Auge wahr, die auftauchen. Vielleicht gibt es in deiner Erinnerung ja auch etwas zu hören oder zu riechen? Koste die inneren Bilder aus und erfreue dich an dem angenehmen Gefühl, das davon begleitet wird. Wo in deinem Körper kannst du wahrnehmen, dass es eine schöne Erinnerung für dich ist? Spüre dem nach und erlaube dir, ganz in diese positiven Empfindungen einzutauchen.

Die Idee hinter dieser Übung: Dein Körper macht keinen Unterschied, ob eine Situation gerade in Wirklichkeit passiert oder sich nur in deiner Vorstellung abspielt. Durch die angenehmen Gefühle, die durch deine inneren Bilder ausgelöst werden, kann sich deine innere Anspannung reduzieren. Damit wird auch deine positive Verbindung zu deinem Baby unterstützt.
 

Berührungen verbinden

Auf die Ärztin und Körperpsychotherapeutin Eva Reich geht eine Massageform zurück, die auch als Schmetterlingsmassage bezeichnet wird. Dabei wird das Baby mit schmetterlingsleichten Berührungen von Kopf bis Fuß massiert. Die Idee hinter dieser Massageform ist, den Stress zu lindern, den das Baby eventuell in der Zeit vor oder während der Geburt erlebt hat. Damit soll die Bindung zwischen Eltern und Baby unterstützt werden. Du kannst die Schmetterlingsmassage in einem Kurs unter Anleitung leicht erlernen. Wenn du diese Massage regelmäßig bei deinem Baby durchführst, wirst du immer besser herausfinden, an welcher Körperpartie es die Berührungen besonders angenehm findet.  In einer Situation der Anspannung und Unruhe reicht es dann schon aus, diese Körperpartie deines Babys zu halten – zum Beispiel abends vor dem Zubettgehen oder beim nächtlichen Aufwachen.

Ruhe durch Erdung

Wenn du dein schreiendes Baby im Arm hast, passiert es schnell, dass seine Anspannung auf dich übergeht. Um diesen Effekt abzuschwächen, nutzt Körperpsychotherapeutin Paula Diederichs in ihren Schreibabyambulanzen das sogenannte „erdende Gehen“. Damit ist ein bewusstes Auftreten mit leicht gebeugten Knien gemeint, verbunden mit einer vertieften Atmung, die du in der Vorstellung bis in deine Füße hineinfließen lässt. Das soll festen Stand und ein Gefühl der Erdung vermitteln, welches Ruhe und Gelassenheit schenkt.
Du kannst dieses Gefühl noch dadurch verstärken, indem du beim Ausatmen tiefe Töne machst, zum Beispiel „Aaaa“ oder „Mmm“. Auch dein Baby kann auf dieses Tönen positiv reagieren. Es ist also einen Versuch wert, wenn es mit dem Einschlafen nicht so gut klappt, weil dein Baby unruhig ist oder viel weint.

Quellen / Zum Weiterlesen:

  • Paula Diederichs, Vera Olbricht: „Unser Baby schreit so viel!“, Kösel Verlag, München, 2002
  • Thomas Harms: „Emotionelle Erste Hilfe“, Ulrich Leutner Verlag, Berlin, 2008
  • Mechthild Deyringer: „Bindung durch Berührung: Schmetterlingsmassage für Eltern und Babys“, Psychosozial-Verlag 2016
  • Margarita Klein: „Schmetterling und Katzenpfoten. Sanfte Massagen für Babys und Kinder.“, Ökotopia Verlag, Aachen 2014