Format: Interview – Mikrofon auf dem Tisch
Interview

Bindung - Das Fundament fürs Seelenglück

Was bedeutet Bindung, wie wichtig ist sie und vor allem: wie erreiche ich eine enge Bindung zu meinem Baby? Diese Fragen stellen sich viele Mütter und Väter vor und nach der Geburt ihres Kindes. Die Diplom-Pädagogin, Margarita Klein, gibt im Interview mit ElternLeben.de Auskunft und beantwortet diese Fragen.

Lesezeit: Etwa 4 Minuten
Baby berührt das Gesicht des Vaters

Was bedeutet Bindung?

Es gibt drei unterschiedliche Bedeutungen:

  • Umgangssprachlich beschreibt der Begriff eine stabile, vertraute, warme Beziehung zu einem anderen Menschen im Sinne einer tiefen Verbindung. Die Fähigkeit dazu entwickelt ein Kind im vertrauten Umfeld, mit Mutter, Vater und weiteren nahen Personen. Diese Bindungsfähigkeit ist Basis für seelische Gesundheit und Lebensglück.
     
  • Zweitens beschreibt die „Bindungstheorie“ mit dem Begriff die Situation, dass sich die Bindungsperson gegenüber dem Kind verlässlich, vertraut und verfügbar verhält. Das Kind erlebt diese Person als wohlwollend und größer, stärker sowie weiser. Während eine große Schwester für ein kleines Kind vertraut ist, sich aber nur begrenzt verlässlich verhält und verfügbar für die Bedürfnisse des Kleinen ist. Dagegen werden die Großmutter oder die Erzieherin und später die Lehrerin im günstigen Fall neben den Eltern zu Bindungspersonen. Mit diesen kann das Kind die Erfahrung machen, Hilfe zu bekommen, wenn es in Not oder verunsichert ist.
     
  • Drittens ist mit Bindung die bevorzugte „Strategie“ gemeint, mit der ein Mensch reagiert, wenn er Angst, Stress oder Schmerz erlebt. Zeigt er seine Not und bittet um Hilfe oder lässt er sich nichts anmerken und setzt auf Lösungen aus eigener Kraft? Kann er Hilfe dankbar annehmen oder reagiert er ambivalent, also fordernd und abweisend zugleich? Das gilt für kleine Kinder ebenso wie für Erwachsene.

Wofür ist Bindung wichtig?

Das kleine Kind lernt/spürt:

  • Ich kann mich auf nahe Menschen verlassen! --> Verbundenheit, Urvertrauen
  • Wenn ich Hilfe brauche, weiß ich, wie ich mein Bedürfnis zeige. --> Kommunikative Fähigkeiten
  • Ich bin es wert, dass sich jemand meiner annimmt! --> Selbstwertgefühl

Was braucht es für die Entwicklung einer sicheren Bindung?

Bindungsperson und Kind müssen zueinander passende Bewältigungsstrategien entwickeln. Jedes Kind ist individuell empfindsam oder robust. Auch jede Mutter und jeder Vater ist anders. Wichtig ist, dass die Bindungsperson für dieses Kind ausreichend oft und ausreichend passend reagiert. Die Wahrscheinlichkeit dafür steigt:

  • wenn Mütter und Väter in der Lage sind, die Signale des Kindes aufmerksam wahrzunehmen. Und nicht allzu sehr abgelenkt sind durch eigene Sorgen und Nöte, durch die kommunikativen Anforderungen anderer Erwachsener, durch Handy und Internet.
     
  • wenn Mütter und Väter die Signale ihres Kindes verstehen. Dass z.B. das Reiben des Ohres Müdigkeit bedeutet und ein Schluckauf beginnendes Ruhe- und Wärmebedürfnis anzeigen kann.
     
  • wenn Mütter und Väter die emotionale und körperliche Kraft haben, die Signale ihres Kindes liebevoll zu beantworten.
     
  • wenn Mütter und Väter sich von Erziehungsideologien wie z.B. „Verwöhn dein Kind bloß nicht!“ lösen und besser ihrer Intuition folgen.
     
  • wenn Mütter und Väter wissen, dass der Körper ihres Kindes liebevolle Berührung und ein achtsames Handling braucht – und ihm diese geben können.

Wie können Mütter und Väter gute Bindungspersonen für ihr Kind sein?

Auf jeden Fall Zeit und Ruhe, um die Signale des Kindes kennenzulernen, verschiedene Reaktionen darauf zu erproben und um herauszufinden, was gut funktioniert. Außerdem:

  • Ausreichend eigenes seelisches und körperliches Wohlbefinden, also essen, trinken, schlafen, freundliche Kontakte.
     
  • Innere und äußere Sicherheit sowie Zuversicht: ‚Wir schaffen das schon. Und wenn ich nicht mehr weiter weiß, kann ich um Hilfe bitten.‘
     
  • Informationen, um die Signale des Kindes verstehen zu können, falls das intuitive Wissen zu unsicher erscheint.
     
  • Eltern-Kind Kurse, die die gemeinsame Entwicklung über mehrere Monate begleiten, können bindungsfördernd wirken. Dort gibt es Tipps zu Handling, Massage, Spielen und Beobachtung des Kindes. Eltern werden unterstützt bei den vielen kleinen alltäglichen Unsicherheiten und stärken sich gegenseitig durch Erfahrungsaustausch.

Und wenn es schwierig ist?

Starke Belastungen können das Potential von Müttern und Vätern einschränken: Wirtschaftliche Sorgen, schwierige Wohnsituation, Beziehungskrisen, Krankheit oder Todesfall in der Familie, ein belastendes Geburtserlebnis und/oder eigene belastete Bindungserfahrungen. All diese Faktoren können – nicht müssen! – die intuitiven Fähigkeiten reduzieren und die Möglichkeit, passend zu reagieren.

Um es Müttern und Vätern zu erleichtern, eine ihrem Potential gemäße Bindungsperson zu werden, ist der Rat einer Hebamme, einer Kinderärztin oder der Leiterin einer Eltern-Kind Gruppe oft hilfreich. Den Alltag entlasten können Großeltern, Freund*innen, Nachbar*innen oder wellcome. Sinnvoll ist oft auch eine individuelle Beratung, die Eltern und Kind dabei hilft, einander besser zu verstehen.