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Wie oft braucht mein Baby Milch?

Klar ist: Wenn das Baby auf der Welt ist, braucht es Milch aus der Brust oder aus der Flasche. Doch Babys können uns noch nicht mit Worten mitteilen, wann sie hungrig sind. Und nicht alle Babys senden klare Signale – so hört sich das Weinen mancher Babys fast gleich an, ob sie nun Hunger haben oder müde sind. Wie oft sollten also junge Eltern ihrem Säugling Milch anbieten?

Lesezeit: Etwa 8 Minuten
Mutter mit Baby im Arm

Feste Abstände einhalten?

Leider existieren noch immer völlig veraltete Meinungen über den richtigen Fütter-Rhtythmus von Babys. Obwohl Experten längst das Gegenteil gezeigt haben, behaupten noch immer manche Kinderärzte oder Hebammen, man dürfe Babys nur alle vier oder sogar nur alle fünf Stunden stillen. Oder es wird erwartet, dass schon kleine Babys nachts ohne Nahrung durchschlafen. Dazu ein ganz klarer Kommentar: Das ist totaler Unsinn und gefährdet die Entwicklung deines Kindes!

Der Magen eines Säuglings ist nach der Geburt etwa so groß wie eine Murmel und wächst dann langsam. Auch mit ein paar Monaten ist er noch deutlich kleiner als der eines Erwachsenen. Wenn wir also einem Baby nur erlauben, alle vier oder fünf Stunden zu trinken, dann ist das etwa so, als würde man uns nur zwei Mahlzeiten am Tag erlauben – einmal morgens, einmal abends. Mag sein, dass einige Menschen damit auskommen, doch die meisten haben dann spätestens am frühen Nachmittag ein großes Loch im Bauch und fühlen sich ziemlich schlapp und unzufrieden.
Babys müssen bei so großen Abständen sehr große Mengen auf einmal trinken, um noch eine Chance zu haben, satt zu werden – und diese großen Mengen belasten den kleinen Magen sehr. Das führt oft zu Bauchschmerzen und Blähungen.

Füttern in kleineren Abständen, wodurch das Baby mehrere kleine Mengen aufnehmen kann, ist also ein wichtiger Schritt, um die Verdauung  und das Wohlbefinden des Babys zu unterstützen. Früher hieß es, dass ein gewisser Abstand zwischen den Mahlzeiten nötig sei, damit keine unverdaute Milch auf verdaute Milch trifft. Diese Annahme hat sich aber wissenschaftlich nie bestätigen lassen und gilt als veraltet.

Hunger bedeutet Stress

Stell dir mal vor, du bist ein fünfjähriges Kind und merkst auf einmal, dass dein Magen knurrt. Er fühlt sich richtig leer an und tut schon fast weh. Keine Frage: Du hast Hunger. Schnell läufst du in die Küche, wo gerade dein Papa steht. Du zeigst auf die Obstschale, wo eine leckere Banane liegt. Dir läuft schon das Wasser im Munde zusammen und du fragst: „Papa, ich habe Hunger! Darf ich eine Banane essen?“ Dein Papa schaut auf die Uhr – und schüttelt den Kopf: „Nein, tut mir leid. Du hast erst vor vier Stunden etwas gegessen. Du musst noch eine Stunde warten.“
Was würde das mit deinem Vertrauen in deinen Vater machen? Wie gesagt, der Magen von Babys ist noch sehr klein, sodass vier Stunden ohne Essen für sie deutlich „länger“ sind als für ältere Kinder und Erwachsene.

Wenn wir einem Baby, das Hunger hat, Nahrung verweigern, weil wir uns an irgendeinen Fütterplan halten, dann setzen wir unser Baby großem Stress aus. Auch wenn wir es nur gut meinen, schaden wir unserem Kind und dessen Vertrauen in uns. Wenn ein Baby weint und Hunger hat und immer wieder erfährt, dass sein Hunger nicht gestillt wird – dann lernt es: „Diese Welt ist kein sicherer Ort. Ich kann mich auf die Menschen um mich herum nicht verlassen. Denn sie erfüllen meine Bedürfnisse nicht.“

Nach Bedarf füttern

Inzwischen sind sich alle kompetenten Fachleute einig darüber, dass Muttermilch und Premilch nach Bedarf des Babys gefüttert werden sollten. Auf 1er-Milch und andere Folgemilch sollten Eltern möglichst verzichten – zumindest im ersten halben Jahr. Die meisten Babys kommen nach dem ersten halben Jahr besser mit Folgemilch zurecht. Diese enthält Zuckerarten, die schwerer zu verdauen sind. Wegen diesem zusätzlichen Zucker ist es mit Folgemilch tatsächlich möglich, ein Baby zu „überfüttern“.

Deshalb unser Tipp: Stillen oder Premilch geben und sich ganz nach dem Bedarf des Babys richten. Das bedeutet bei einigen Babys, dass sie etwa alle zwei Stunden trinken, anfangs sogar manchmal noch öfter. Und anderen, meist älteren Babys, reicht es, alle drei bis vier Stunden zu trinken. Und nicht selten wechseln die Abstände auch immer mal wieder.

Babys haben Wachstumsschübe, in denen sie mehr Hunger haben als sonst. Oder sie sind gerade sehr aktiv, weil sie etwas Neues lernen und sind deshalb hungriger. Oder sie sind krank oder es ist heiß ... es gibt viele Gründe, weshalb der Milch-Bedarf von Babys schwankt. Auch deshalb sind feste Abstände unsinnig. Wir kennen es ja auch, dass wir an einigen Tagen mehr, an anderen weniger Hunger haben.

Welche Menge ist passend?

Auch da sind Babys unterschiedlich. Beim Stillen ist das Wiegen des Babys vor und nach den Mahlzeiten in der Regel unnötig. Wenn man aber abpumpt oder die Flasche gibt, spielen Mengen eine gewisse Rolle. Die erfahrene Kinderkrankenschwester Lucia Cremer gibt folgende Empfehlungen:  Am ersten Lebenstag füttert man nur bis zu etwa  30 ml pro Mahlzeit, am 2. Tag bis zu 40 ml, am 3. Tag bis zu 50 ml und steigert diese Menge bis zu etwa 80 ml am sechsten Tag und etwa 100 ml in der zweiten bis achten Lebenswoche. Im dritten Lebensmonat eignen sich etwa bis zu 130 ml pro Mahlzeit, im vierten bis zu 170 ml und ab dem fünften Monat bis zu 200 ml. Dabei handelt es sich um ungefähre Richtwerte.

Zur Fütter-Häufigkeit erklärt Frau Cremer ebenfalls, dass diese zwischen ca. 5 und 12 Mahlzeiten in 24 Stunden variieren können, dass aber häufige, kleinere Mahlzeiten besser verträglich sind. Die Gesamtmenge in 24 Stunden sollte ungefähr 1/6 des Gewichst des Babys entsprechen – das sind bei normalgewichtigen Neugeborenen meist ca 500-670 ml, bei einem Gewicht von 5000 Gramm ca. 833 ml und bei einem Gewicht von 6000 Gramm ca. 1000 ml als ungefähre Höchstgrenze. Doch wie gesagt, in Wachstumsschüben, bei Infekten oder anderen Besonderheiten kann der Bedarf durchaus mal steigen.

Wie erkenne ich Hunger?

Nicht immer ist klar zu erkennen, ob ein Baby Hunger hat. Wenn es Kopf und Mund bewegt, als würde es „suchen“ oder an seiner Hand saugt, ist das ein Anzeichen. Manche fangen aber auch nur an zu weinen oder zu quengeln. Und manchen Neugeborenen muss man Milch öfter mal anbieten, weil sie ihren Hunger noch „verschlafen“.
Wenn dein Baby keine klaren Signale sendet, kannst du ausprobieren, was es bei Unruhe braucht. Wenn dein Baby jünger als vier Monate ist und unruhig wird, quengelt oder weint und die letzte Mahlzeit etwa zwei Stunden oder länger her ist, biete ihm Milch an. Wenn es erst vor einer Stunde getrunken hat, kannst du auch erst einmal überlegen, ob es evtl. müde ist, einen wunden Po hat o.ä. Wenn es sich von selbst nur selten meldet, sind Abstände von zwei bis drei Stunden oft am besten. Wenn es Bauchschmerzen oder Blähungen hat, dann kannst du versuchen, ihm lieber alle zwei Stunden etwas anzubieten. Wenn es natürlich gerade schläft, musst du es nicht wecken, nur, weil zwei Stunden vorbei sind.

Wenn dein Baby älter als vier Monate ist und sonst längere Essensabstände hat, kannst du bei Quengeln und Weinen auch erst einmal schauen, ob es ein Nickerchen braucht oder sich langweilt oder es andere Gründe geben kann. Doch manche Babys haben auch in diesem Alter noch oft zwei Stunden nach der letzten Milch-Mahlzeit wieder Hunger.

Bei gestillten Babys ist es in den ersten Lebenswochen nicht ungewöhnlich, dass sie an einigen Tagen stündlich trinken oder für einige Stunden gar nicht mehr von der Brust wegwollen. Das nennt man „Cluster-Feeding“ und hilft, die Milchproduktion an den Bedarf des Babys anzupassen. Mach‘ es dir dann, wenn möglich, einfach mit deinem Baby bequem, lass' es trinken und genieße die Zeit mit Schlummern, Lesen oder einem Hörbuch.

Wenn dein Baby aber ab dem Alter von ca. 10 Wochen immer noch sehr häufig öfter als alle zwei Stunden trinken will und gesund entwickelt ist, solltest du einmal genauer hinsehen: Nutzt es das Trinken evtl. als Beruhigungshilfe? In den Abendstunden trinken Babys manchmal sehr lange und oft, um sich auf eine längere Essenspause vorzubereiten, was ja in Ordnung ist. Wenn dein Kind aber den Tag über auch extrem häufig an die Brust will, könnte es auch sein, dass es das Stillen als ständige Beruhigungsstrategie nutzt und auch du dir angewöhnt hast, auf Weinen sehr schnell mit Stillen zu reagieren. Babys tut es aber in der Regel gut, auch mal im Arm der Eltern weinen zu dürfen. So können sie Stress und Anspannung verarbeiten – sie können ja nicht, wie wir, über ihre Erlebnisse reden. Wenn dein Baby also auch in diesem Alter tagsüber noch ständig an die Brust will, versuche mal, ihm stattdessen das Weinen in deinem Arm zu erlauben und es einfach liebevoll zu begleiten. Oft ist das für Babys eine große Erleichterung und fördert auch den Schlaf.

Manchmal sind Babys auch müde und beruhigen sich dann mit Stillen, statt zu schlafen. Achte darauf, deinem Baby in den ersten Lebensmonaten nach ca. 1-1,5 Stunden Wachzeit ein Schläfchen zu ermöglichen.

Und nachts?

In den ersten zwei bis drei Lebensmonaten trinken viele Babys nachts etwa im gleichen Rhythmus wie tagsüber – manchmal trinken sie nachts sogar öfter, wenn der Tag beispielsweise hektisch war. Auch nachts solltest du dich anfangs ganz nach den Bedürfnissen des Babys richten. Deshalb ist es praktisch, das Baby in einem Beistellbett neben dir zu haben, sodass du nicht jedes Mal aufstehen musst. Wenn das Baby etwa drei Monate alt und gesund ist, kannst du immer mal wieder versuchen, die Fütterabstände nachts auf alle drei bis vier Stunden auszudehnen. Es kann sein, dass dein Baby dann tagsüber etwas öfter Hunger hat.

Noch immer wird behauptet, dass Baby ab einem Alter von sechs Monaten nachts keine Nahrung mehr brauchen. Es mag stimmen, dass ein gesundes Baby nicht verhungern wird, wenn es nachts keine Milch bekommt. Das bedeutet aber nicht, dass es keinen Hunger verspürt. Deshalb solltest du von deinem Baby in diesem Alter nicht verlangen, 12 Stunden ohne Milch auszukommen. Du kannst aber versuchen, die Abstände im Alter von sechs Monaten auf fünf Stunden zu erhöhen und, wenn es acht bis neun Monate ist, auf sechs Stunden und ein paar Monate später auf acht Stunden ... all das sind natürlich nur grobe Richtwerte zur Orientierung. Hier gilt es, ein wenig auszuprobieren, aber auch auf die individuellen Bedürfnisse des Babys zu hören. So kann es wieder mehr Hunger haben, wenn es zahnt, krank ist oder andere Veränderungen erlebt.

Mit 11-12 Monaten schaffen es manche Babys schon ohne nächtliche Milch, manche brauchen aber noch einmal pro Nacht eine Milchmahlzeit. Auch das ist ganz individuell.

Lieber zu früh als zu spät

Als Faustregel empfehlen wir, lieber einmal zu früh als zu spät Milch anzubieten. Wenn das Baby doch keinen Hunger hat, trinkt es eben nicht oder nur wenig  - es hat schließlich ein Sättigungsgefühl, das viel zuverlässiger ist als eine Uhr.  Wenn es hingegen hungrig ist und du die Mahlzeit unnötig hinauszögerst, bedeutet das – wie schon erklärt – viel Stress für das Baby.

Wenn du unsicher bist und Fragen hast, wende dich gern an unsere >>Onlineberatung. Und wenn du erschöpft bist und dir Entlastung fehlt, um mal Kraft zu tanken, dann informiere dich doch mal über >>wellcome. Geschulte Ehrenamtliche engagieren sich hier und unterstützen junge Eltern im Baby-Alltag, indem sie mit dem Baby spielen, spazieren gehen oder auf andere Weise Hilfe leisten.