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3 Jahre alt und noch Windeln? Sauberwerden für „Spätzünder“

Autorin - Sandra Lößl

Die Frage, wann ein Kind sauber sein soll beschäftigt viele Eltern – vor allem dann, wenn das Sauberwerden länger dauert als gedacht. Natürlich reicht es uns irgendwann die 1000ste Windel zu wechseln, immer wieder Popos zu putzen und viel Geduld aufbringen zu müssen. Auch der Kostenfaktor ist nicht von der Hand zu weisen. Aber manchmal nagt auch das Gefühl des Versagens an Eltern, wenn Kinder länger brauchen, um sauber zu werden. Als wäre es ein Makel, der sich mit der richtigen Erziehung beheben lassen könnte.

Lesezeit: Etwa 5 Minuten
Kind sitzt auf Toilette. Windel liegt auf dem Fußboden. Sichtbar nur Windel, Füße, etwas Toilette

Jedes Kind hat sein eigenes Tempo

Natürlich ist es kein Makel. Trotzdem setzt es Eltern mitunter ganz schön unter Druck, wenn Kinder länger brauchen, bis sie ihre Windeln ablegen.

Viele Kinder werden irgendwann im Laufe des dritten Lebensjahres sauber und trocken. In den meisten Fällen erlangen sie zuerst die Kontrolle über das große, etwas später über das kleine Geschäft. Der Kinderarzt Remo Largo sagt, dass ca. 50 % aller Kinder bis zum dritten Geburtstag sauber und trocken sind. Bis zum vierten Geburtstag sind es fast 90%. Manche Kinder brauchen aber auch bis ins fünfte Lebensjahr hinein.

5 Gründe, warum es mit dem Sauberwerden manchmal länger dauert

  • Wie lange hat es bei dir oder deinem Partner gedauert?

    Sauberwerden ist ein Reifungsprozess, der viel mit der Familiengeschichte zu tun hat. Hat es bei dir und/ oder deinem Partner auch länger gedauert, bis ihr auf Windeln verzichten konntet, wird dein Kind wahrscheinlich kein Frühstarter sein. Fragt doch mal Eltern und Schwiegereltern. Vielleicht stolpert ihr über die eine oder andere Geschichte, die euch bekannt vorkommt.
  • Steht ein anderer, wichtiger Entwicklungsschritt an?

    Manche Kinder können verschiedene Entwicklungsschritte parallel machen. Sie fangen gleichzeitig das Sprechen und das Laufen an. Die allermeisten Kinder konzentrieren sich aber voll und ganz auf eine Sache, wenn ein neuer Entwicklungsschritt ansteht. Steht bei deinem Kind gerade etwas anderes auf dem Plan, kann es sein, dass die Blasen- und Darmkontrolle nochmal hinten anstehen muss.
  • Volle Konzentration auf das Spielen?

    Es gibt Kinder, die so sehr in ihr Spiel vertieft sind, dass sie nicht daran denken auf die Toilette oder auf das Töpfchen zu gehen. Bei diesen Kindern ist die Blasen- und Darmkontrolle oft schon eingetreten, kann aber nicht umgesetzt werden. Eigentlich schön, wenn man so versunken spielen kann. Hauptbedürfnis ist dann dieses eine Spiel zu Ende zu bringen. Jedes andere Bedürfnis wird hier ignoriert und hintenangestellt. Hier kannst du entspannt bleiben. Auch intensive Spieler bekommen es über kurz oder lang unter einen Hut und können trotz Spielens auf die Toilette gehen.
  • Müssen wichtige Veränderungen bewältigt werden?

    Wenn es in eurer Familie größere Veränderungen gab, muss sich dein Kind damit auseinandersetzen. Z.B. kann die Geburt eines Geschwisterchens die Priorität des Sauberwerdens erst mal verdrängen. Auch andere Veränderungen, wie ein Umzug oder die Eingewöhnung in einer Betreuungseinrichtung können dazu führen, dass in Sachen Sauberwerden erstmal eine Entwicklungspause eingelegt wird. Einschneidende Erlebnisse, wie z.B. die Trennung der Eltern, gehören auch zu diesen Veränderungen. Das Kind muss erst wieder Sicherheit herstellen und sich sicher sein, dass die neue Familiensituation seine Bedürfnisse erfüllt. Dann kann sich der kleine Mensch wieder auf seine Ausscheidungen konzentrieren. Lass deinem Kind hier genug Zeit, sich mit neuen Situationen auseinanderzusetzen.
  • Gibt es genug Vorbilder?

    Wie so vieles lernt dein Kind das Sauberwerden von dir. Hier ist es wichtig, dass du ihm die Möglichkeit bietest, dich bei deinen größeren und kleineren Geschäften zu beobachten. Wenn dir das zu intim ist, spreche dich mit deinem Partner ab oder schau, ob dein Kind bei einem größeren Geschwisterkind zusehen darf. Das wirkt oft Wunder.

5 Tipps, wie du dich verhalten kannst, wenn dein Kind noch nicht sauber ist

  • Vergiss nicht - Dein Kind ist nicht das einzige

    Laut Kinderarzt Remo Largo (Babyjahre) sind lediglich knapp über die Hälfte der Kinder bis zum dritten Geburtstag soweit, dass sie Kontrolle über Darm und Blase erlangt haben. Ist dein Kind älter, ist es also kein Ausnahmefall, sondern gehört zu einem Großteil der Kinder. Mache dir das bewusst. Vielleicht hilft es dir über das Gefühl hinweg, dass dein Kind besonders lange braucht.
  • Vorsicht mit Lob und Tadel

    Dein Kind zu schimpfen oder zu bestrafen bringt auf dem Weg zum windelfreien Popo gar nichts. Das ist inzwischen schon bekannt. Was viele aber nicht wissen ist, dass das Loben eines Kindes ebenso wenig hilfreich ist. Ein Gummibärchen für jedes Mal auf´s Töpfchen gehen? – bringt nicht den gewünschten Effekt. Dein Kind soll ja nicht sauber werden, um dir zu gefallen oder seinen Hunger nach Süßigkeiten zu stillen. Die Kontrolle über Blase und Darm ist eine Errungenschaft, die jedes Kind früher oder später anstrebt. Versuche dich mit deinem Kind zu freuen, wenn es geklappt hat. Bewerte sein Verhalten aber nicht.
  • Fragen von außen? – Locker bleiben!

    Junge Eltern werden immer wieder damit konfrontiert, dass sich Menschen in Dinge einmischen, die sie eigentlich nichts angehen. Auch in solch eine intime Sache wie die Vorgänge in der Windel deines Kindes. Mach dir hier keinen Druck. Du musst nicht erklären, warum dein Kind noch Windeln trägt. Du fragst schließlich auch niemanden, ob er/ sie Einlagen gegen Blasenschwäche trägt und wann das angefangen hat…
  • Wichtig zu wissen – Vermeide Machtkämpfe

    Manchmal kann das „Zwei-Schritte-vor-einen-Schritt-zurück“ ganz schön anstrengend sein. Da kann schon mal das Gefühl aufkommen, dass das Kind dich mit deinem Verhalten provozieren möchte. Ich möchte dich beruhigen. Das ist fast nie der Fall. Wichtig ist, dass du dich hier nicht auf Machtkämpfe einlässt. Versuchst du dein Kind mit Druck zum Sauberwerden zu bringen, kann es sein, dass es bemerkt, dass es mit dem Thema auch Macht über dich ausüben kann. Manche Kinder verweigern sich dann erst recht, um sich dem Druck entgegenzustellen.
  • Keine Windel aus Bequemlichkeit

    Manchmal ist die Windel auch ganz bequem für Eltern. Bei Ausflügen, im Winter oder wenn gerade keine Toilette in der Nähe ist. Es ist aber wichtig, dass du die Signale deines Kindes ernst nimmst und den Wunsch ohne Windel zu sein auch umsetzt. Das ist mitunter anstrengend, weil gerade in der ersten Zeit immer mal wieder etwas daneben gehen kann. Sorge einfach vor und packe dir stets genug Wechselwäsche ein.

Wann sollte ich handeln?

In den allermeisten Fällen kannst du warten, bis dein Kind vier Jahre ist.

Zum Arzt solltest du gehen, wenn:

  • du dir nicht sicher bist, ob die Entwicklung deines Kindes in Ordnung ist.
  • dein Kind unter der Situation leidet.
  • du dir nicht sicher bist, ob organische Ursachen vorliegen, die das Kind am Sauberwerden hindern. (Durchfall, Verstopfung, Blasenentzündung)

Eine Erziehungsberatungsstelle kannst du aufsuchen, wenn:

  • du das Gefühl hast, dass sich ein Machtkampf zwischen dir und deinem Kind entwickelt.
  • dein Kind Angst hat, seine Windel herzugeben, auf die Toilette zu gehen oder sich in ein Töpfchen zu entleeren.
  • dich die Situation zunehmend nervt und die Beziehung zwischen dir und deinem Kind leiden könnte.