Format: Artikel – Schreibfeder auf dem Tisch
Artikel

Die anderen Mütter - neue Freundinnen oder Feindinnen?

Gastautorin - Silke Plagge

Spätestens wenn das Kind in die Kita kommt, treffen Frauen andere Mütter, die scheinbar aus einer anderen Welt stammen. Chance oder Fluch? "Uff – die Tür ist zu und die kleine Pia ist schon fröhlich auf dem Weg zum Stuhlkreis. Johanna seufzt tief und will schnell zum Auto. „Oh, wie schön, dass ich dich noch treffe!“ ruft da eine etwas laute Stimme von hinten. Mist. Ausgerechnet die Mutter von Ole steht vor Johanna.

Lesezeit: Etwa 4 Minuten
Lebensmittelallergie: Weizen

Chance oder Flucht?

Ole-Mama ist die nervigste Mutter der ganzen Kita, jedenfalls für Johanna: Sie spricht von sich in der dritten Person, selbst vor Erwachsenen. „Da muss die Mama eben noch mal schnell los ...“ und ihr eigentlich einziges Gesprächsthema ist Ole. Was der alles schon kann. Und wie toll er in der musikalischen Früherziehung schon alles nachsingt, und und und...

Ole-Mama steht da und lächelt. „Ich bin Anja, und ich wollte mich gerne mit dir unterhalten. Ich habe gehört, dass du als freiberufliche Grafikerin arbeitest. Hättest du mal Zeit auf einen Kaffee?“ Johanna muss ein wenig schlucken. „Unsere Kinder wollen sich doch so lange schon verabreden, dann könnten wir uns doch zusammensetzen.“ Das mit dem Verabreden stimmt. Johanna überlegt kurz. Und verabredet sich schließlich für den gleichen Tag. Ob der gemeinsame Nachmittag wirklich so schlimm wird, wie befürchtet? Aber da das Wetter mies ist, hat sie auch keine Lust zu Hause allein mit einer gelangweilten Pia zu sein.

Die Glucke erinnert an den nervigen Kollegen

Stunden später sitzt Johanna auf dem Sofa mit ihrem Mann. „Wie war dein Tag?“ fragt er. Johanna lächelt. Und erzählt von Anja, auch bekannt als Ole-Mama, einem riesigen Haus mit merkwürdiger Einrichtung und einem selbstgebackenen Kuchen. „Die hat so übertrieben. Aber die Kinder haben toll gespielt.“ „Ist das nicht die, über die immer so gelästert wird?“ fragt Johannes. Seine Frau nickt. „Eigentlich auch doof – aber sie ist eben so anders. Sie ist gern Hausfrau und übertreibt ihre Mutterrolle so, echt eine Glucke.“  „Also genau die weibliche Ausgabe von Karsten!“ Beide müssen lachen. Karsten, das ist der übereifrige Kollege, der ihren Mann seit Jahren nervt.  „Ich glaube, ich sollte die Mitmütter einfach als meine Kolleginnen sehen, da hast du recht.“ Eine kluge Einstellung. Denn genau wie Kollegen kann man sich die Eltern der anderen Kinder nicht aussuchen. Und genau wie bei den anderen Menschen am Arbeitsplatz gibt es ziemlich verschiedene Typen, die den Spielplatz bevölkern. Die eifrige Übermutter, die Ökomutter, die ihr Kind betont nicht-erzieht und wenig Grenzen setzt, die ständig jammernde Mama, der scheinbar alles Leid der Welt widerfährt, die witzige Coole, die wunderbar Gelassene und die total durchorganisierte, die scheinbar alles ganz leicht schafft. Doch anders als im Arbeitsleben sehen sich die unterschiedlichen Mutter-Typen nicht als ein Team, das sich wunderbar ergänzen könnte. Viel zu oft werden auf Elternabenden oder am Sandkistenrand stattdessen Grabenkriege geführt.

Lieber Miteinander als Gegeneinander

Die Gräben sind scheinbar tief – es fängt oft schon bei der Diskussion über das Impfen an und endet später bei Erziehungsstilen. Die Hausfrau regt sich über die Karrieremutti auf, die Mutter, die klare enge Grenzen zieht, schüttelt den Kopf über die Mutter, die alles mit ihrem Kind auf Augenhöhe diskutiert. Schnuller vs. Daumen, Tragemütter gegen Kinderwagenschieber. Ist das wirklich nötig? Wieso legen sich Frauen so oft durch Zickenkriege lahm? Während Babymütter nervigen anderen Frauen noch ausweichen können, wird das mit zunehmenden Alter der Kinder schwieriger.

Spätestens in der Kita und in der Schule treffen verschiedene Fraktionen aufeinander. Doch anders als im Berufsleben gibt es keinen Chef, der eine klare Arbeitsaufteilung vorgibt. Es ist nicht wirklich nötig, sich zu arrangieren. Oder doch? Wer nicht lästert, sondern die Stärken der Anderen sieht, kann von ihnen viel lernen. Und sich mit ihnen arrangieren. Genau wie im Job müssen die „Kolleginnen“ ja keine besten Freundinnen werden. Auch im Team wird es immer Mitarbeiter geben, die man privat nicht so sehr schätzt. Aber mit denen man durchaus die Mittagspause verbringt oder in Projekten gut zusammenarbeitet.

Und so ähnlich könnte es auch im Miteinander der Mütter laufen. Jede kann von jeder noch etwas lernen. Wie viel Zeit man miteinander verbringt – nun, das steht auf einem anderen Blatt. Es dauert gar nicht so lange, dann verabreden sich die Kinder auch ohne Eltern. Und Mütter müssen sich dann meist wieder mehr mit ihren Arbeitskollegen arrangieren. Väter übrigens auch – aber vom Hahnenkampf der Papas untereinander verraten die nicht viel.