Format: Artikel – Schreibfeder auf dem Tisch
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Bedürfnisorientiertes Sauberwerden statt Töpfchen-Training

Autorin - Sandra Lößl

Das ‚Sauberwerden‘ oder aufs Töpfchen gehen zu wollen, ist ein weiterer, großer Entwicklungsschritt deines Kindes. Die Neugier und deutliche Signale zeigen Kinder meist zwischen dem 18. und 36. Lebensmonat. Einige interessieren sich auch schon kurz nach dem ersten Geburtstag für das Töpfchen oder auch für die Toilette. Der Weg zum Sauberwerden ist dann manchmal nicht mehr weit.

Lesezeit: Etwa 5 Minuten
Teddybär mit Stethoskop und Verband

Warum Sauberwerden trainiert wurde – ein Blick zurück

Auf die Plätze – fertig – los! Alle aufs Töpfchen - Und dann…?

Aus den 50er und 60er Jahren kennen wir Bilder von Kindern in Kinderkrippen, die, kaum dass sie sitzen konnten in Reih und Glied auf dem Töpfchen hockten. Da war schon ein ordentlicher Drill dahinter. Das Sauberwerden wurde „trainiert“. Weil man dachte, Kinder brauchen hier eine deutliche Linie, aber auch damit das Personal in den Einrichtungen und auch die Eltern zu Hause weniger Wäsche hatten. Verständlich, wurde doch mit Stoffwindeln gewickelt – und diese mussten oftmals mühsam ohne Maschine gewaschen werden.

Ob das „Training“ etwas gebracht hat? – Manche Mütter berichten aus diesen Zeiten, dass ihr Kind mit 18 Monaten sauber war… Fragt man genau nach, wurde das Kind in so kurzen Abständen aufs Töpfchen gesetzt, und so lange sitzen gelassen, dass es kaum eine Möglichkeit hatte sein „Geschäft“ an einem anderen Ort zu verrichten als auf dem Töpfchen. Das Kind wurde also wirklich daraufhin „trainiert“ Urin oder Stuhlgang auf dem Topf auszuscheiden. Die Bedürfnisse des Kindes waren damals eher zweitrangig.

Wenn auch wenig nachhaltig, so hat uns die Wegwerfwindel  hier - pädagogisch gesehen – einen wohlwollenderen Blick auf unsere Kinder und den Umgang mit ihren Ausscheidungen ermöglicht. Die Tatsache, dass mit der Wäsche der Windeln viel Arbeit wegfällt war zunächst eine Sache, die Eltern erstmal ganz praktisch aufatmen ließ und ihnen einen großen Druck von ihren Schultern nahm. So konnte man sich viel mehr dem Kind und seinem Bedürfnis nach selbstbestimmten Sauberwerden zuwenden. Das Windel-Sortiment ist heute weitreichend und inzwischen ja auch durch hervorragende Stoffwindelsysteme ergänzt worden.

Muss ich mit meinem Kind das Sauberwerden trainieren?

Nein – bitte nicht. Wenn das Kind sauber wird, heißt das, dass es Kontrolle über seinen Darm und später auch über seine Blase bekommt. Diese Kontrolle kannst du deinem Kind nicht antrainieren. Sie ist ein Entwicklungs- und Reifungsprozess. Mit einem Training erreichst Du höchstens, dass das Kind lernt so lange zu sitzen, bis etwas kommt.

Hilfreicher ist es dein Kind liebevoll auf dem Weg zum Sauberwerden zu begleiten und seine Bestrebungen dahingehend wahrzunehmen und zu unterstützen.

Gemeinsam zur Toilette gehen - dein Kind lernt von dir

Unsere Kinder sind sehr lernfähig. Viele Dinge lernt dein Kind durch Nachahmung. Es beobachtet dich bei verschiedenen Tätigkeiten und versucht es genauso wie du zu machen.
Anfangs kennt dein Kind keinen anderen Weg sich in die Windel zu entleeren. Irgendwann kommt es auf die Idee, dass das auch anders geht - es beobachtet dich. Es interessiert sich für die Zeit, die du hinter der verschlossenen Toilettentüre verbringst und möchte wissen, was da vor sich geht.

Auch wenn es vielleicht einen Sprung über deinen Schatten braucht - für dein Kind ist es ein unglaublicher Anreiz selbst auf die Toilette zu gehen, wenn es dich regelmäßig bei deinem Gang zum „Stillen Örtchen“ begleiten darf. Einfacher geht es – wenn vorhanden - bei größeren Geschwistern.  Diese lassen sich meist bereitwilliger bei dieser doch recht intimen Sache beobachten.

Dein Kind sendet dir Signale

Bereits ein Neugeborenes gibt einen Laut von sich, kurz bevor Stuhlgang kommt oder es Urin ausscheidet. Dieser Ton hatte ursprünglich den Sinn, dass wir unsere Kinder von uns weghalten, damit wir nicht schmutzig werden. (Das kommt aus Zeiten weit vor der Erfindung der Windel). Wenn du dein Baby nackig beobachtest, siehst und/ oder hörst du, was passiert, wenn es sich erleichtert.

Auch später, kurz bevor das Kleinkind bereit ist sich seiner Windel zu entledigen, gibt es Signale von sich. Wahrscheinlich kennst du diese ganz gut. Manche Kinder verstecken sich hinter dem Sofa, hinter Vorhängen oder gehen in ein anderes Zimmer. Die meisten halten im Spiel inne und bekommen einen konzentrierten Gesichtsausdruck. Du kennst dein Kind gut. Wenn du es aufmerksam beobachtest, wirst du bald wissen, welches Signal es zeigt, wenn was in die Windel geht.

Sprachliche Begleitung hilft Deinem Kind

Je jünger unsere Kinder sind, umso weniger können Sie Gefühle oder Geschehnisse in Gedanken oder Worte fassen. Diese fehlenden Worte gibst du deinem Kind und begleitest sein Erleben und seine Gefühlswelt. Du sagst ihm z.B. „Das hat weh getan“, wenn es weint, weil es aufs Knie gefallen ist. Genauso kannst du deinem Kind erklären, was gerade in seiner Windel passiert. „Pipi“, „Kacka“, „Pupu“…Hier kannst du gerne kreativ sein, vermeide aber lieber negative Bezeichnungen.

Je älter dein Kind wird, umso mehr kannst du ihm die tatsächlichen Worte für seine Ausscheidungen mitteilen. Hier gibt es übrigens wunderbare Bilderbücher, die sowohl die Dinge beim Namen nennen und sich gleichzeitig mit Aussehen und Beschaffenheit der Ausscheidungen beschäftigen – höchstinteressant für Zweijährige!

Accessoires unterstützen spielerisch

Probiere aus, welches Accessoire deinem Kind gefällt. Du kannst ein Töpfchen kaufen und es deinem Kind zum Spielen geben. Hier können Bärchen, Teddy und Püppchen regelmäßig „ihre Notdurft verrichten“. Wenn dein Kind an diesem Spiel Gefallen findet, ist es meist auch ein Zeichen dafür, dass das Sauberwerden in greifbare Nähe gerückt ist. Lass dein Kind das Töpfchen ausprobieren und akzeptiere es auch, wenn es das nicht möchte. Manche Kinder finden die Erwachsenentoilette interessanter. Hier gibt es Hocker und Aufsätze, die deinem Kind das sitzen erleichtern.

Wenn dein Kind kein Interesse zeigt?

Das erste Interesse am Sauberwerden zeigen Kinder in der Regel zwischen dem 18. und 36. Lebensmonat. Manche interessieren sich auch schon kurz nach dem ersten Geburtstag für Töpfchen, Toilette oder beobachten ihre Ausscheidungen aufmerksamer. Der Weg zum Sauberwerden ist dann manchmal nicht mehr weit. Es kann aber unter Umständen (oft dann, wenn die Kinder sehr jung anfangen sich für das Sauberwerden zu interessieren) auch noch einige Monate dauern, bis dein Kind zuverlässig sauber ist.

Wenn der dritte Geburtstag vorbei ist und dein Kind noch gar keine Anstalten macht sich mit seinen Ausscheidungen oder den nötigen Accessoires zu beschäftigen, kannst du einen Kinderarzt um Rat fragen oder dich an eine Beratungsstelle für Eltern mit Kleinkindern wenden.  Es kann sein, dass körperlich oder entwicklungspsychologisch eine Verzögerung vorliegt. Wahrscheinlich ist aber alles ganz normal und dein Kind gehört zu den wenigen, die erst im Laufe des vierten Lebensjahres sauber werden.

Unser Tipp zum Schluss: Macht euch keinen Druck!

Es tut allen Beteiligten gut, wenn ihr die Sache mit dem „Sauberwerden“ entspannt angeht. Mach dir keinen Druck. Wenn der Zeitpunkt noch nicht gekommen ist und dein Kind scheinbar kein Interesse zeigt, warte ein paar Wochen ab – meist kommt das Interesse an Töpfchen &  Co ganz von alleine.

Hier gilt: „Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht!“. Das heißt, auch wenn du versuchst dein Kind zu fördern und zu unterstützen – es wird erst beginnen Interesse zu zeigen, wenn es soweit ist.