Format: Artikel – Schreibfeder auf dem Tisch
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Erfahrungsbericht: Papa allein zu Haus!

Lebe lieber unperfekt! Lassen sie sich mit der nötigen Gelassenheit auf den Spagat zwischen Berufstätigkeit und Elternsein ein. Mit einem Augenzwinkern versuchen wir dich dahin zu begleiten. Ohne abzustreiten, dass Planung vieles erleichtert – aber manchmal auch behindert.
Michael Gensheimer, Vater von zwei Kindern, berichtet für ElternLeben von seinen Erfahrungen in der Elternzeit.

Lesezeit: Etwa 4 Minuten
Mutter mit Baby im Arm und Smartphone in der Hand

Ich bereitete mich gut vor

Ich hatte mich schon akribisch auf meine Elternzeit vorbereitet. Dabei fiel mir auf, dass meine Frau jede noch so kleine Minute nutzte, um irgendwas nebenbei zu erledigen. Und dass dies ja bestimmt auch stressfreier möglich sein müsste. Der Countdown für meinen ersten Tag lief. Sicherheitshalber hatte ich am Tag vor Katrins erstem Arbeitstag noch mal genau nachgefragt, wer wann was in welchen Mengen bei welcher Temperatur bekommt und wie es um die genaue Anordnung auf dem Teller bestellt ist. Unsicher war ich nicht, aber ich ahnte, dass eine spannende Zeit auf mich zukommen würde.

Ein voller Vormittag

Als Katrin am Morgen das Haus verlassen hatte, hatte ich bereits das Frühstück gemeistert. Auch die erste Runde der Windelwechselei lag bereits hinter mir. Da saß bereits jeder Handgriff, weil ich das schon oft mitgemacht hatte. Und genau aus diesem Grund war ich nach wie vor der Meinung, dass unbedingt jemand die elternfreundliche Gasmaske fürs Wickeln erfinden muss. 

Trotz meines gefühlten guten Timings stellte ich fest, dass es langsam knapp wurde für den Kindergarten, und ich musste schon erstaunlichen Aufwand betreiben, den Älteren zum Anziehen zu bewegen („Mach schon… Du willst doch Deine Freunde sehen…“). Beim Abgeben habe ich nicht lange gefackelt und Joshua hat auch nicht geknatscht.

Danach nutzte ich die Zeit für einen Spaziergang, damit der Kleine im Kinderwagen an die frische Luft kam. Zurück zu Hause wollte ich auch beweisen, dass ich in der Lage bin, alles zu meistern: also aufräumen, Wäsche waschen, Noah ein bisschen bespaßen, und… irgendwas war da noch. Oh je, es war kurz vor zwölf. Ich rannte so schnell ich konnte zum Kindergarten. Das könnte wohl meine neue Laufstrecke werden. Verschwitzt, mit Seitenstechen aber auf die Minute kam ich an und war sogar in der Lage der Kindergärtnerin ein Lächeln entgegenzuwerfen. Alles ok bei mir und hier so?

Mittagessens-Stress

Erstaunlicherweise wartete mein Sohn nicht voller Verzweiflung an den eisernen Gitterstäben des Außengeländes, sondern spielte vergnügt und war unter keinen Umständen bereit mitzukommen. Es dauerte eine halbe Ewigkeit, bevor sich Monsieur bequemte, und dies auch nur, weil zufällig seine beste Freundin Lotti abgeholt wurde.

Ich nutzte die Möglichkeit zum Erfahrungsaustausch mit Lottis Mutter. Eine Premiere, und ich muss gestehen, dass bestimmte Praxistipps mir plötzlich viel bedeutsamer vorkamen. Die Kinder hatten keine Eile und als wir schließlich zu Hause ankamen und der Große auf einmal nach Essen rief und bitterlich vor Hunger weinte, brach bei mir der Schweiß aus. Deswegen bereitete also Katrin das Essen gleich nach dem Frühstück in den verbleibenden Minuten vor und schaltete es vor dem Abholen an, egal ob es weich kochte oder nicht… So gestresst wie in diesem Moment habe ich mich in 15 Jahren harter Arbeit nicht gefühlt. So lernt Mann halt. Aber nur ein bisschen.

Zwischen Hausarbeit und Spielplatz

Nach erstaunlich viel Hausarbeit wollte ich Katrin eine Freude machen und ging mit den Kindern auf den Spielplatz. Ich wollte ihr an ihrem ersten Tag im Job eine ruhige Rückkehr schenken. Wir hatten einen Mordsspaß, bis die Kids sich vor Müdigkeit die Knie angeschlagen hatten, Hunger bekamen (SCHWEIßAUSBRUCH) und nicht nach Hause wollten.

Als wir es tatsächlich nach Hause geschafft hatten, folgte die Erkenntnis des Tages: Du kannst den ganzen Tag schuften, dich abhetzen, dich verbiegen und Clown spielen, sobald die Lichtgestalt M-A-M-A über die heimische Schwelle tritt, bist Du die lustige Nummer 2.

Ach ja, und wenn man dazu noch die Wickeltasche vergisst, zahlt sich das doppelt heim: weinendes Kind, wunder Po und immer noch keine Gasmaske am Wickeltisch.

Übung macht den Meister

Nach einigen Tagen hatte ich die meisten Lektionen gelernt und einen strukturierten Ablauf. Ich lernte die Kindergruppen zu genießen. Immerhin wurde meine Meinung von den vielen Frauen zumindest zur Kenntnis genommen. Ich hatte jede Menge nie enden wollende Arbeit und fiel abends todmüde ins Bett. Allerdings mit viel mehr Wertschätzung für die Hausarbeit – Hut ab vor meiner Frau –, der Erkenntnis viel wertvolle Zeit mit den Kids verbringen zu können und somit eine Lebenserfahrung gemacht zu haben, die sich hoffentlich irgendwie wiederholt.

Autor: Michael Gensheimer