Format: Tipps – Frau mit Buch
Tipp

Langeweile bei Kindern - warum sie so wichtig ist

Ferien. Meine großen Kinder sind auf Ferienfahrt, mein Mann muss arbeiten. Und ich? Ich habe endlich mal Zeit, so richtig schön Zeit, mit meiner achtjährigen Tochter Rosa zu verbringen. Und dann bekomme ich eine Sommergrippe. Zwischendurch gähnende Langeweile ...

Lesezeit: Etwa 5 Minuten
Mädchen sitzt am Fluss und genießt die Natur

Und zwischendurch – gähnende Langeweile

Ferien. Meine großen Kinder sind auf Ferienfahrt, mein Mann muss arbeiten. Und ich? Ich habe endlich mal Zeit, so richtig schön Zeit, mit meiner achtjährigen Tochter Rosa zu verbringen. Als Kleinste von drei Kindern muss sie oft zurückstecken und den Freizeitprogrammen ihrer Geschwister hinterher. Nun soll sie mal ein paar Tage das „Einzelkind-Feeling“ genießen, dachte ich mir. Mal nur mit Mama sein. Tagelang vorher schlagen unsere Ideen Purzelbäume. Wir könnten in den Märchenwald fahren, das hatten wir doch schon lange vor. Oder ins Erlebnisbad – das wünscht sie sich soo sehr. Ich möchte auf Ihre Ideen eingehen und meine eigene von einer zweitägigen Mutter-Tochter-Bergtour ebenfalls umsetzen. Wir haben eine Woche Zeit. Genug um alle Vorhaben in die Tat umzusetzen. Ich bin voller Vorfreude. Wir planen und tüfteln.

Und dann – erster Ferientag – endlich! Aber was ist das? Meine Nase läuft, der Hals kratzt, ich huste und merke schon, dass ich auch fiebrig bin. „Sie haben eine Sommergrippe“ sagt meine Hausärztin. „Mindestens eine Woche sollten Sie das Bett hüten“. Na toll, denke ich mir. Ich fühle mich schlecht, habe ein schlechtes Gewissen Rosa gegenüber und zugegebenermaßen auch ein wenig Selbstmitleid.

Auch Rosa ist etwas traurig, aber weniger als ich erwartet hatte. Vor allem jammert sie, dass ihr langweilig ist. Ich kann ihr da leider nicht weiterhelfen. Selbst an einfachen Gesellschaftsspielen scheitere ich. Während ich mich schlecht fühle, kann ich etwas Wunderbares beobachten. Rosa schleicht durch das Haus. Geht hierhin und dorthin. Schnuppert ein wenig in die Zimmer ihrer Geschwister, kramt im Keller nach alten, längst vergessenen Spielsachen. Sie räumt ihr Playmobilschiff komplett aus und richtet es neu ein …

Und zwischendurch – gähnende Langeweile. Ich sehe Rosa auf dem Sofa die Beine in die Luft strecken, hingebungsvoll krault sie unserer Katze das Bäuchlein. Immer wieder treffe ich auf sie. Sie macht so einen zufriedenen Eindruck. Ich bin erstaunt. Am Ende des ersten Tages darf ich zahlreiche Bilder bewundern, ein perfekt eingerichtetes Spielschiff und zwei neue Armbänder aus Wolle. Sie war den ganzen Tag alleine und macht trotzdem einen richtig zufriedenen Eindruck. Als ich sie frage, wie ihr Tag war strahlt sie mich an: „Schön!“ sagt sie, „Ich habe so viel gespielt“. Ich bin zugegebenermaßen etwas erstaunt, freue mich aber sehr für meine Tochter. Und auch für mich, denn mein schlechtes Gewissen ist schon ein wenig geschrumpft. Ich sollte die Langeweile meiner Kinder öfter mal aushalten, denke ich mir. Vielleicht sollte sie sogar provoziert werden. Herrlich, was da alles entstehen kann.

WAS LANGEWEILE UNSEREN KINDERN BRINGEN KANN:

Kreativität

Langeweile macht kreativ. Wenn kein Alltag nach Plan ansteht hat dein Kind die Möglichkeit sich neue Spielideen auszudenken. Oftmals kommen längst vergessene Spielsachen wieder zum Vorschein, mit denen ganz neue Ideen entstehen können. Auch das zeitlich nicht eingeschränkte Spiel kann ganz neue Impulse setzen und Ideen, die Zeit brauchen, können umgesetzt werden.

Ruhe und Entspannung

Der Alltag unserer Kinder bietet manchmal viel zu wenig Möglichkeiten zur Entspannung. Schule, Hort, Hobbies – die Tage der Kinder sind sehr voll mit Terminen und Pflichtveranstaltungen. Kinder brauchen aber auch Zeit in der sich Gelerntes setzen kann, das Hirn vom anstrengenden Lernen regeneriert und die Seele sich von aufregenden Erlebnissen erholen kann. 

Sich selbst strukturieren

Kindern wird ständig von Erwachsenen Struktur vorgegeben. Aufstehen, Frühstücken, zur Schule gehen, Mittagessen um 13, Hausaufgaben, Hobbies, Abendessen um 18 Uhr, Zähneputzen, Schlafengehen… In der Schule gibt sogar ein enger 45 Minuten Rhythmus den Takt vor. Wenig Zeit sich selbst zu strukturieren. Gibt es keinen zeitlichen Zwang von außen, kann ein Kind nach Herzenslust so lange an einer Sache bleiben, wie es möchte. Endlich mal ein Spiel zu Ende spielen, ohne dass jemand nach dem nächsten Termin ruft. Das tut gut.

Neues ausprobieren

Hat dein Kind auch mal Zeit, seine Gedanken schleifen zu lassen, kommt es oft auf eine neue Idee. Während die neuen Rollschuhe im Alltag vielleicht nicht in den Blick geraten, so können sie ein gelangweiltes Kind motivieren, mal was Neues auszuprobieren. Ein wichtiger Schritt, der Kinder in ihrer Entwicklung weiterbringt und ihr Selbstbewusstsein stärkt.

TIPPS IM UMGANG MIT LANGEWEILE:

Lass dein Kind eigene Ideen finden

Das Gefühl der Langeweile kann durchaus ernst genommen werden. Aber es ist nicht deine Aufgabe diese „leere“ Zeit deines Kindes zu füllen. Lass es selbst überlegen und auf Ideen kommen. Natürlich kannst du Ideen anstoßen. Hilfreicher ist es aber, wenn du das mit einer Frage machst „Auf was hättest du denn jetzt Lust?“ oder „Was wolltest du denn schon lange mal machen?“

Biete deinem Kind unstrukturierte Zeiten

Versuche deinem Kind regelmäßig Zeiten anzubieten, in denen es nicht „verplant“ ist. Ein oder zwei Nachmittage die Woche ohne Hobbies oder Verabredungen. Lass dein Kind diese Nachmittage selbst gestalten. Du wirst sehen, auch für dich kann diese Zeit bereichernd sein. 

Über Bord werfen von Terminen

Schau dir den Familien-Terminplan mal ganz genau an. Was ist wirklich wichtig? Gibt es auch Termine, die man über Bord werfen kann? Oftmals türmen sich die Termine richtiggehend auf. Natürlich ist es schön und wichtig, dass Kinder Sport machen oder ein Instrument lernen. Doch wieviel braucht es wirklich und wo fängt das Zuviel für die Kinderseele an? Weniger ist oft mehr!

Langeweile nicht mit Medien überbrücken

Allzu gerne überbrücken Kinder (Erwachsene oft noch viel mehr) Langeweile mit Smartphone, Tablet und Co. Versuche hier auch medienfreie Zeit einzuplanen. Diese hindern die Kinder an der Entwicklung von Ideen und tragen auch nicht zur Entspannung bei.

Versuch selbst Langeweile auszuhalten

„Und dann braucht man ja auch noch Zeit einfach nur da zu sitzen und vor sich hin zu schauen“ hat Astrid Lindgren einst gesagt. Was für ein wichtiger Spruch. Probiere doch selbst einmal aus, wie es ist einfach nur zu sitzen und zu schauen. Wenn wir unsere Langeweile selber aushalten machen wir selbst positive, entspannende Erfahrungen und sind unseren Kindern ein gutes Vorbild.