Format: Artikel – Schreibfeder auf dem Tisch
Artikel

Der Countdown läuft

Gastautor - Michael Gensheimer

Alles ist vorbereitet! Du kannst die letzten Tage und Wochen im Mutterschutz als Paar genießen oder dich noch einmal viel Zeit nehmen für die älteren Geschwister. Jetzt bietet sich die Gelegenheit mit dem Partner noch einmal in Ruhe über Aufgabenverteilung und Strategien in den neuen Rollen als Mutter und Vater zu sprechen.

Inhalt
Lesezeit: Etwa 3 Minuten
Frau mit Babybauch beim Ultraschall

Im Kreißsaal

Obwohl es  einen Tag vor Termin war, kam der Anruf überraschend. Katrin meinte halb lachend und halb weinend irgend so was wie: „Ich glaub es geht los, Blasensprung mitten im Cafe.“ Ihre Freundin war bei ihr und fuhr sie direkt zum Krankenhaus . Dies war der Beginn des Koordinierens und Planens, denn natürlich war das seit Tagen gepackte Köfferchen noch zu Hause. Ich versuchte kurz, so zu schnaufen wie Katrin es in den Vorbereitungskursen unter fachlicher Anleitung geübt hatte, packte mein Zeug und verabschiedete mich recht ruhig bei meinen Kollegen mit einem klassischen „Ich bin dann mal weg“ in den 3 - 4-wöchigen Urlaub. Als ich im Krankenhaus eintraf, war alles aus dem Vorbereitungskurs wie weggeblasen. Ich erwartete meine heftig schnaufende, auf dem Bett liegende Frau zu treffen, aber stattdessen fand ich sie per Kabel mit einem Monitor verbunden, der die Wehenhäufigkeit anzeigte, die Muttermundgeometrie prüfte und vieles mehr, an das ich mich nur nebulös erinnere. Die Skala dieses Gerätes ließ erahnen, wie heftig Wehen noch werden konnten. Daher war ich recht erstaunt, dass man uns danach noch spazieren schickte. Als es ihr irgendwie komisch wurde, entschieden wir uns, ganz schnell zurück zu gehen. Wir wurden nach weiteren Untersuchungen wegen Überfüllung in ein „Stand-by“-Zimmer versetzt, und nach einiger Zeit verstärkten sich die Wehen, Katrin versetzte sich in eine Art Trance, und schnaufte konzentriert die Schmerzen weg. Ich konnte ihr mehr oder weniger hilflos gut zureden, Händchen halten und so etwas brummeln wie: „Katrin, schnauf, Atmung: chh-chh-pfff-pfff“ (die engagierten Hebammen der Vorbereitungskurse mögen es mir verzeihen). Nach einer Weile schaute eine Krankenschwester herein und meinte, das würde sich nach Presswehen anhören, und plötzlich waren wir im Kreißsaal. Die Hebamme war klasse, die hatte wohl schon mehrere planlose Männer vor sich. Sie dirigierte mich hin und her, während sie sich bemühte, Katrin das Schnaufen und die Wehen einfacher zu machen. Irgendwann musste ich mal kurz ums Eck, da pfiff sie mich an: „Nix da, gleich geht‘s richtig los.“ (Tipp: Rechtzeitig pinkeln gehen!). Und es ging los. Katrin hat mir, während sie unter größter Anstrengung unseren Sohn zur Welt brachte, schier die Hand zerquetscht, während ich sie dabei angefeuert habe. So richtig real wurde es für mich, als ich das kleine Köpfchen sehen konnte. Das war sehr aufregend. Dann kam der kleine Kerl recht schnell heraus. Auf Nabelschnur durchtrennen und sonstige Rituale konnte ich getrost verzichten. Das kleine Wunder wurde auf Katrin gelegt und das war ein überwältigendes Gefühl, eine tiefe Verbundenheit zwischen uns beiden. Katrin war sehr erschöpft. Während der Arzt sich um Katrin kümmerte, war es das Größte für mich, dabei sein zu können, wie mein Sohn die erste Untersuchung (U1) bekam und ich mit ihm die erste Zeit verbringen konnte. Es ist schwer, die Gefühle in Worte zu fassen. Noch heute schaue ich gerne das erste Bild von Katrin und Joshua aus der Nacht an. Da sprühen Katrins Augen nur so über vor Freude und Glück und genauso haben wir uns in diesem Moment auch beide gefühlt.

Autor: Michael Gensheimer