Format: Artikel – Schreibfeder auf dem Tisch
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Eltern werden - Paar bleiben

Gastautorin - Antje Randow-Ruddies

Wenn aus Paaren Eltern werden steht auch die Partnerschaft vor ganz neuen Herausforderungen. Hier findet ihr Tipps, wo die Stolpersteine und Überraschungen liegen und wie diese gemeinsam gut zu bewältigen sind.

Lesezeit: Etwa 5 Minuten
Frau und Mann am Meer

Zur Liebesbeziehung kommt beim ersten Kind eine Person hinzu – 2+1?

Zur Paarebene kommt auch die Elternebene hinzu. 2+1 stimmt nicht, weil sich 1+1 auch verändern. Das gesamte System verändert sich. Es ist ähnlich wie bei einem Mobile: Bewegt man eine Figur, so müssen sich alle anderen auch bewegen, ob sie wollen oder nicht. Das erste Kind verändert eigentlich alles und das nicht erst mit der Geburt, sondern auch schon während der Schwangerschaft.

Was Paare dazugewinnen – worin besteht das Neue?

Die Partner*in lernen andere Seiten aneinander kennen. Das „Väterliche“ und das „Mütterliche“ halten Einzug in die Beziehung. Diese Seiten kommen in der Regel in einer Paarbeziehung vorher nicht wirklich zum Tragen. Auf einmal erleben die Paare auch ihre fürsorglichen Seiten. Außerdem müssen und dürfen sie jetzt die Verantwortung für etwas Gemeinsames übernehmen. Mit der Schwangerschaft können sich Paare nicht mehr nur aufeinander beziehen. Sie müssen sich für eine dritte Person öffnen. Das bedeutet auch, sich gemeinsam über das Kind zu freuen, sich zu sorgen und gemeinsame Lösungen zu finden. Und im günstigsten Fall kommt auch eine neue Dimension von gegenseitiger Wertschätzung hinzu. Man schätzt einander Wert für das Vater- oder Muttersein. Ein Kind bedeutet auch einen Zugewinn an Zugehörigkeit und Zusammengehörigkeit. Das ist etwas anderes als sich nur dem Partner*in verbunden und zugehörig zu fühlen.

Es ist auch ein Abschied, wenn Paare Eltern werden

Ein Abschied von der Zweisamkeit und für eine gewisse Zeit meist auch ein Abschied von der Sexualität. Zumindest von der Sexualität, wie sie vor der Schwangerschaft und vor der Geburt gelebt wurde.  Es ist ein Abschied von durchgeschlafenen Nächten und anderen Bedürfnissen und Freiräumen, die vorher selbstverständlich waren. Und für den Partner*in, der/die nach der Geburt erst einmal zuhause bleibt – meist die Frau – ist es häufig auch ein temporärer Abschied von Anerkennung und Wertschätzung im Außen. Aber ... „Jedem Anfang wohnt ein neuer Zauber inne“ Klar, man muss sich verabschieden, aber es gibt eben trotzdem diesen wunderbaren neuen Zauber.

Mit welchen Überraschungen/Stolpersteinen müssen Paare rechnen?

Die Stolpersteine liegen häufig in den kleinen „Alltagstücken“. Wenn Paare bei all der Freude über die Schwangerschaft und das Kind einfach denken: „Ach das kriegen wir schon hin“. Aber wie reagiert der Mann auf seine Partnerin, wenn sie alle zwei Stunden in der Nacht aufstehen muss? Dann wird sie nicht mehr unbedingt gut gelaunt sein, vielleicht auch nicht mehr so hübsch aussehen und nicht mehr jeden Morgen sagen: „Liebling, ich hab dir den Frühstückstisch gedeckt und Kerzen angezündet.“

Oder wie reagiert die Frau, wenn der Partner länger arbeitet und zuhause nicht verfügbar ist? Das ist ja häufig eine ganz neue Situation. Sie wünscht sich, dass er möglichst früh nach Hause kommt. Doch wenn das aus irgendwelchen Gründen nicht klappt, dann folgen nicht selten Enttäuschung und Frustration auf beiden Seiten. Niemand wird als Eltern geboren, sondern das ist ein Lernprozess. Die Rollen und die Verantwortlichkeiten müssen neu verteilt werden. Hinzu kommt, dass es leicht passieren kann, dass die Wertschätzung auf der Strecke bleibt, wenn beide Partner gestresst und am Limit sind. 

Wichtig ist, sich in die Lebenswelt des anderen hineinzuversetzen und sich dabei nicht zu vergleichen. Fragen wie: „Übernimmt der andere genauso viele Aufgaben wie ich?“ sind nicht hilfreich. Beide sollten anerkennen, dass der andere seinen eigenen Teil zum Gelingen des Ganzen beiträgt. Hier sehe ich die größte Gefahr, sich verletzt, gekränkt oder nicht gesehen zu fühlen. Besonders in dieser komplett neuen Lebenssituation müssen sich die Partner*in gegenseitige Wertschätzung geben für das, was sie tun.

Was bleibt von der Liebesbeziehung – wird nun alles anders?

Vieles wird anders und beide Partner*in sind gefordert nicht nur auf der Elternebene für ein harmonisches und konstruktives Miteinander zu sorgen, sondern auch auf der Paarebene. Eine Beziehung zu leben bedeutet Arbeit – immer wieder. Es reicht nicht, dass man einmal gesagt hat „Ich liebe dich“ und dann erwartet, dass alles gut ist und bleibt. Eltern müssen Rituale leben und Vereinbarungen treffen, um die Partnerschaft lebendig zu halten. Mit dem Elternwerden verlassen Mann und Frau zunächst einmal das altbekannte Ufer. In den ersten Wochen und Monaten durchschwimmen sie einen unbekannten Fluss. Das andere Ufer wird irgendwann erkennbar, doch zuvor gibt es Untiefen, steinige Stellen, Sprudel, Sandbänke, aber auch seichtes, warmes Wasser. Wenn das neue Ufer betreten wird, weiß die Familie, wo es langgeht. Das altbekannte und  vertraute Ufer wird schon mit der Schwangerschaft verlassen und gegen Ende des ersten Lebensjahres des Kindes betritt das Paar meist das neue Ufer. Wenn das geschehen ist, ist die größte Herausforderung gemeistert worden.

Die richtige Dosierung – wieviel Eltern, wieviel Paar?

Es sollte immer Zeit zu zweit geben. Wie oft und wie intensiv, das hängt von der Basis und Stabilität der Partnerschaft ab. Es gibt schließlich auch Paare, die kennen sich drei Monate und dann wird die Frau schwanger. Diese Paare haben es mit Sicherheit schwerer als Paare, die schon fünf Jahre Zeit hatten sich eine gemeinsame Basis zu bauen und sich etwas zu schaffen, worauf sie in schwierigen Zeiten zurückgreifen können. Aber ganz unabhängig von der Dauer der Beziehungen ist Zweisamkeit immer wichtig. Auch, wenn es am Anfang schwierig ist und vielleicht nur die eine Stunde am Sonntag vor dem Tatort bleibt. Sich zu erhalten, was man aneinander liebt und was einen verbindet ist eine große Herausforderung. Sich auf der Paar- und Elternebene nicht zu verlieren und möglichst zu wissen wie es dem anderen geht, was er vermisst und was er sich wünscht ist sowohl auf der Eltern- als auch auf der Paarebene wichtig. Und dafür bedarf es Zeit – ohne Kind.

Wie können sich Paare gegenseitig unterstützen?

Nach der Geburt ist es vor allem wichtig im Gespräch zu bleiben. Paare sollten nicht alles den Bedürfnissen des Kindes unterordnen. Ansonsten starren beide Augenpaare auf das Kind, doch schauen sich nicht mehr gegenseitig an. Den anderen im Blick zu behalten ist aber unabdingbar. Zwischen den Bedürfnissen der Eltern und des Kindes muss es eine gute Balance geben. Manchmal bedarf es dazu sogar einer inneren Erlaubnis, denn in unserer heutigen Gesellschaft wird sehr stark auf das Kind geguckt und Mütter und Väter entwickeln schnell Schuldgefühle, wenn sie beispielsweise berufstätig sind.

Paare können sich auch gegenseitig unterstützen indem sie ihren HUMOR behalten.

Ein konkreter Tipp zum Schluss

Werdende Eltern sollten drei bis fünf Sitzungen bei einer Paarberatung – schon in der Schwangerschaft – besuchen, um möglichen Krisen vorzubeugen. Denn die meisten Krisen können vermieden werden, wenn sich Paare nicht einfach in die neue Situation hineinfallen lassen.