Wenn du vermutest oder weißt, dass dein Kind hochbegabt ist, gibt es viele Möglichkeiten, es zu fördern – doch dabei ist es entscheidend, das Kind als Kind zu sehen und nicht nur seine Begabung in den Vordergrund zu stellen. Unterstütze es liebevoll, aber achte auch auf deine eigenen Grenzen und Bedürfnisse. Hochbegabung bleibt ein langfristiges Thema, deshalb ist Geduld und Gelassenheit wichtig, um eine Balance im Familienalltag zu finden. Besonders, wenn noch Geschwister Aufmerksamkeit brauchen, ist es hilfreich, die Förderung nicht zu übertreiben, sondern darauf zu achten, dass alle Familienmitglieder sich wohlfühlen. In diesem Artikel findest du praktische Tipps, wie du dein hochbegabtes Kind optimal unterstützen kannst, ohne dabei deine eigenen Bedürfnisse und die der gesamten Familie aus den Augen zu verlieren.
Lernen ist gut, Lernen macht Spaß! Hochbegabte Kinder sind neugierig, haben einen großen Wissenshunger und suchen überall Anregungen. Wie andere Kinder auch sollten Hochbegabte fragen dürfen und Antworten bekommen. Wenn das Kind sich für Buchstaben und Zahlen interessiert, dann mache sie ihm zugänglich. Das können Holz- oder Magnetbuchstaben sein (z.B. dein Kind legt, du liest das Wort) oder Bilder und Poster. Und wenn du etwas nicht weißt, so kannst du das auch ruhig sagen. Zusätzlich gibt es überall Museen, Ausstellungen, Tage der offenen Tür.
Wenn dein Kind etwas fragt, kannst du oft fragen „Was denkst du denn?“ So lernt es, dass es ernstgenommen wird und übt seine Gedanken auszudrücken. Auch bei der Suche nach Wissen lohnt es sich, Büchereien zu besuchen und selbst aussuchen zu lassen. So lernt dein Kind, wie man sich Wissen beschafft.
Und wenn das Buch oder das Spiel dann doch nur für ältere geeignet ist: kein Problem, einfach ungelesen oder nur angespielt zurückgeben.
Die Erfahrung, dass man für etwas doch zu klein oder zu jung ist, hilft beim Finden der eigenen Grenzen.
Bei aller Neugierde gibt es Themen, zu denen es wenig kindgerechte Wissensquellen gibt, z.B. Krieg, Gewalt oder Unfälle. Die normalen Nachrichten, Zeitungen und Internetseiten sind nicht kindgerecht und schrecken Kinder eher ab. Suche dir z.B. Kinder-Nachrichten und passende Internetseiten. Nutze dazu unsere Hinweise.
Wenn dein Kind sich für ein Thema interessiert, zu dem es Dokumentationen oder Kinderfilme gibt, so schau dir diese vorher an. Und bei allem Interesse für den Bildschirm: Weniger ist mehr. Besuche und eigenes Erleben sollten Vorrang vor Büchern oder Bildschirmen haben.
Viele Angebote sind erst für Schulkinder ausgeschrieben. Ob das bei der Musikschule oder beim Sport ist: Frage nach, warum das Kind sechs Jahre alt sein muss. Die Anbieter haben oft Vorgaben (z.B. eine Versicherung) – das solltest du respektieren. Wenn es aber die Lese- oder Schreibfähigkeit ist und dein Kind kann das, dann darf es vielleicht einmal probieren und die Leitung sieht selbst, dass es geht. Sprich dabei nicht über „Hochbegabung“ sondern die hier wichtigen Fähigkeiten und Interessen.
Ähnliches gilt für Spielzeug. Wenn dein Kind schon schwerere Puzzle, Lego für Ältere o.ä. haben möchte, so kann es das probieren. Wenn es dann doch zu schwer ist, so wandert es eben erst einmal wieder in den Schrank. Auch hier ist es gut, Dinge erst einmal zu leihen.
Es ist wichtig, dass dein Kind sich als „normal“ erlebt. Deshalb soll es (auch) Kontakt zu anderen hochbegabten Kindern in seinem Alter haben. In einer Außenseiterposition lässt sich Sozialverhalten schlecht erlernen, deshalb sollte es eine Gruppe sein, in der dein Kind sich wirklich wohlfühlt.
Das kann bei Kursen oder Treffen von entsprechenden Elterngruppen sein oder auch bei deren Familienfreizeiten. Das Spielen mit anderen – ob auf dem Klettergerüst oder bei Gesellschaftsspielen – stärkt das Sozialverhalten und erweitert die Erfahrungen.
Das Gleiche gilt übrigens auch für dich! Suche Kontakt zu anderen Eltern hochbegabter Kinder, um offen über das Thema und dein Gedanken dazu sprechen zu können und von deren Erfahrungen zu profitieren.
Hochbegabung ist kein Grund für weniger Erziehung. Du bist bei einem Kind, das alle Regeln hinterfragt und alles diskutieren möchte, besonders gefordert. Neben dem Schaffen von Freiräumen geht es auch um das Setzen von Grenzen. So gibt es auch Dinge, die nicht diskutiert werden: Wir gehen nicht bei Rot über die Ampel, abends putzen wir die Zähne und Nein heißt Nein. Stehe zu deinen Regeln und Zusagen, sei ein verlässlicher Erziehungspartner.
Gerade, wenn es auch Geschwisterkinder gibt, so haben die genauso ihre Bedürfnisse. Hochbegabung macht ein Kind nicht „besser“ oder „wichtiger“.
Da Hochbegabung zum Teil erblich ist, fragst du dich sicher irgendwann: „Bin ich selbst hochbegabt? Welche Erfahrungen bringe ich zu dem Thema mit?“ Vielleicht gab es in deiner (Ursprungs-)Familie jemand Hochbegabtes und der oder die ist dir in guter oder schlechter Erinnerung. Ein Cousin, der am Spezialinternat unglücklich war? Ein Bruder, der alles besser konnte als du? Nimm diese Geschichten und Erlebnisse als das, was sie sind: andere Menschen und Umwelten – Erfahrungen, aus denen man lernen kann, die sich aber nicht wiederholen.
Vielleicht bist du auch selbst getestet worden und weißt, dass du hochbegabt bist. Auch hier: Du hast deine Erfahrungen und deinen Weg in einer anderen Umwelt gemacht. Für dein Kind bist du trotzdem Vorbild. Wie gehst du mit deinen Begabungen um? (Wie) konntest du sie nutzen? Dein Kind wird seinen eigenen Weg gehen.
Wenn du das Thema Hochbegabung mit deinem Kind auch nicht ansprichst, so merkt es oft selbst, dass es anders ist. „Anders“ ist in unserer Gesellschaft aber oft „nicht ok“. Deshalb versuchen viele hochbegabte Kinder, ihre Begabungen zu verstecken, um Teil der Gruppe zu sein. Oder sie ziehen sich zurück, weil die anderen „so dumm“ sind. Das macht es der Umwelt aber noch schwerer, richtig mit deinem Kind umzugehen.
Es hat Vor- und Nachteile, hochbegabt zu sein. Mit anschaulichen Beispielen aus der Lebenswelt deines Kindes kannst du das Thema mit ihm besprechen. So ist es z.B. bei der Größe, also sehr großen oder sehr kleinen Kindern. Ein Kind ist nicht „besser“, weil es schon groß ist, aber es kann manchmal kleineren helfen (und es braucht einen größeren Stuhl!).
Dabei erfährst du auch, wie dein Kind zurechtkommt oder wo der Schuh drückt.
Denke auch an deine Grenzen: du hast nur begrenzt Zeit, Geld und Kraft. Manchmal ist sinnvoll, Regeln für Museumsbesuche oder eine feste Mittagspause und einen „Feierabend“ für dich einzuführen.
Rituale verringern den Diskussionsbedarf: Du musst nicht jedes Mal diskutieren sondern nur in größeren Zeitabständen Regeln anpassen. Auch freut sich dein Kind, wenn du z.B. jeden Abend eine feste Zeit nur für ihn oder sie da bist.
Wenn du Kontakt zu anderen Eltern hochbegabter Kinder hast, triffst du zum einen Menschen die dich verstehen und bestimmt auch solche, die schon Lösungen für Probleme gefunden haben, die du gerade hast. Auch macht es mehr Spaß, gemeinsam mit anderen Familien in Museen oder Ausstellungen zu gehen.
Zum Thema „Hochbegabung“ gibt es viele Vorurteile. Das liegt auch an den vielen Medienberichten, wo von „kleinen Einsteins“ oder „Problemkindern“ berichtet wird. Deshalb solltest du dir gut überlegen, ob du es benutzt. Eigentlich geht es doch um die individuellen Bedürfnisse deines Kindes und nicht um ein Etikett.
Manchmal lässt es sich umschreiben, z.B. „er ist schon sehr weit für sein Alter“ oder „sie lernt sehr schnell“. Wenn es sogar noch konkreter ist „das Puzzle kannte sie schon von Zuhause“, dann ergeben sich evtl. in der Kita Gespräche über Beobachtungen.
In anderen Fällen ist es unwichtig: Wenn dein Kind z.B. bald Geburtstag hat, kannst du in der Familie sagen, was dein Kind sich wünscht, woran es Interesse hat. Je konkreter es ist, desto weniger Missverständnisse gibt es.
Der Austausch mit anderen Eltern hochbegabter Kinder kann sehr hilfreich sein, um Unsicherheiten abzubauen und Erfahrungen zu teilen. In Elterngruppen, die sich mit dem Thema Hochbegabung befassen, findest du Tipps zu geeigneten Büchern und Webseiten und erfährst, wie andere Familien den Begriff „Hochbegabung“ handhaben.
Eine Hochbegabung betrifft das ganze Kind. Eigentlich gehört die Förderung auch zum Schulauftrag, aber bei der Umsetzung fragen sich manche Mütter und Väter: Ist es nicht besser, wenn ich mein Kind selbst fördere? Wir haben euch die Argumente für beide Positionen zusammengetragen, um es euch leichter zu machen, euren eigenen Weg zu finden.
Rolf und Birgit sind selbstständig und haben zwei Töchter, Janine 14 Jahre und Ella 6 Jahre alt. Beide Mädchen sind hochbegabt und werden von ihren Eltern außerhalb der Schule gefördert.
Als Janine sieben Jahre alt war, wurde uns klar, dass sie hochbegabt ist und ein außergewöhnliches musisches Talent hat. Sie lernte Klavier und spielt inzwischen auch noch Klarinette, beides mittlerweile auch in Bundeswettbewerben. Wir haben nie erwartet, dass die Schule dies musische Talent irgendwie fördert. Mit der Grundschullehrerin haben wir uns nur ausgetauscht, wenn sie schulfrei brauchte, z.B. für Wettbewerbe in der Schulzeit.
Nach dem Wechsel auf die weiterführende Schule haben wir darüber auch kurz mit dem neuen Klassenlehrer gesprochen. Wir möchten nur, dass uns die Schule bei der Förderung keine Steine in den Weg legt. Janine möchte ihre Begabungen in der Schule gar nicht thematisieren. Dort gilt sie als „normale“ Schülerin mit durchwachsenen Noten und nur ihre besten Freundinnen wissen von ihren musikalischen Erfolgen. Sie nutzt ihre Begabung, indem sie sich für die Schule kaum anstrengt. Sie plant, später auf ein Musikgymnasium oder ins Ausland zu gehen.
Ella ist auch hochbegabt, aber eher in den Naturwissenschaften. Auch dazu sehen wir in der Grundschule keinen Ansatzpunkt für Förderung, denn sie ist fachlich schon weiter, als der Sachkundeunterricht der Schule geht. Seit sie lesen kann besucht sie wöchentlich Kinderkurse für „Jungforscher“.
Das macht ihr viel Spaß und sie hat dort schon viele Freundschaften geschlossen. Ihr Grundschullehrer hat uns schon darauf angesprochen, nachdem sie im Unterricht beim Thema Haushalt von „sauren und basischen“ Reinigern gesprochen hat. Er merkte an, dass er kaum passendes Material für sie habe. Ich glaube, er war ganz erleichtert, als wir ihm sagten, dass er sich darum nicht kümmern müsste, weil wir sie außerhalb der Schule fördern. Wir werden jetzt beobachten, ob Ella diese Trennung von Zuhause und Schule auch so konsequent durchzieht wie ihre große Schwester.
Maria ist alleinerziehend und arbeitet in einer Gärtnerei. Ihr Sohn Thilo ist 11 Jahre alt. "Hochbegabung betrifft nicht nur die sofort sichtbaren Talente, sondern das ganze Kind. Ich könnte ihm so vielfältige Angebote gar nicht bieten."
Thilo ist hochbegabt, vor allem im sprachlichen Bereich. Das zeigte sich schon in der Kita und er wurde auch eher eingeschult. Er brauchte den Umgang mit den älteren Kindern und nahm die Förderangebote der Grundschule gerne an. Er konnte nicht nur sein besonderes sprachliches Talent, sondern viele Facetten seiner Hochbegabung auch in anderen Fächern gut einbringen und entwickeln.
Wir hatten seinerzeit extra nach einer Schule mit solchen Angeboten gesucht, denn ich selbst wusste nicht, wie ich ihn in seinen Talenten fördern sollte. Außerdem zeigte sich seine Sprachbegabung in fast jeder Unterrichtsstunde. In seiner Grundschule gab es Veranstaltungen mit der Kinderbibliothek und auch Förderaufgaben in Englisch und Mathe. Er hat in seiner und auch in den anderen Klassen dadurch viele Kontakte geknüpft.
Mit einigen seiner Freunde ist er an eine weiterführende Schule gewechselt, an der auch viel auf die Begabungen der Kinder geachtet wird. Alle Kinder lernen, ihre jeweiligen Stärken einzubringen und trotzdem auch an Schwächen zu arbeiten, z.B. bei der Ordnung. Er findet im normalen Unterricht immer etwas Passendes, freut sich aber schon darauf, bald in die „Forschergruppe“ zu gehen oder bei den Schüler-Streitschlichtern mitzumachen. Mit seiner Klassenlehrerin tausche ich mich regelmäßig aus.
Ich finde es wichtig, dass es in der Schule nicht nur um das Fächerlernen geht, sondern um die ganze Persönlichkeit. Thilo soll mit seinen Begabungen nicht hinter den Berg halten sondern sich als ganzer Mensch einbringen können. Ich finde das wichtig und die Schule kann das sehr gut praktisch umsetzen.