Format: Artikel – Schreibfeder auf dem Tisch
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Loben ist gut - Ermutigung besser!

Autorin - Melanie Schüer

Vielleicht fragst du dich, was am Loben so schlecht sein könnte. Schließlich ist Lob doch wichtig, um das Selbstbewusstsein von Kindern zu stärken, oder? Das stimmt – ein gut gemeintes, persönliches Lob kann ermutigen und unterstützen. Wenn Lob jedoch oberflächlich und leistungsgesteuert ist, kann es dem Kind eher schaden. Kinder besitzen oft die Gabe, stolz auf sich selbst zu sein, und das ist wertvoll. Viele Eltern hingegen haben den Satz „Eigenlob stinkt“ verinnerlicht. Doch sollten wir dieses Denken an unsere Kinder weitergeben? Wir meinen: Nein, denn auch Eigenlob ist wichtig – für Eltern und Kinder gleichermaßen.

Lesezeit: Etwa 6 Minuten
Kind bekommt Taschengeld in Sparschwein

Was ist der Unterschied zwischen einem Lob und einer Ermutigung?

Der Begriff „Loben“ meint hier Sätze wie "Das machst du aber toll!" oder "Das ist aber ein schönes Bild!“ Solche Aussagen sind nett gemeint – und können doch mehr schaden als nützen. Denn wenn Eltern ihr Kind auf diese Weile sehr viel loben, wecken sie in ihrem Kind den Wunsch nach noch mehr Lob  - und das schadet auf Dauer eher dem Selbstbewusstein:
So fand Mary Budd Rove von der Universität Florida heraus, dass Schüler, die sehr oft leistungsbezogen gelobt wurden, Antworten zunehmend in einem unsicheren, fragenden Tonfall formulieren (z.B.: „Ähm, vielleicht Fünfzehn?“). Sie neigten dazu, eigene Vorschläge schneller aufzugeben, wenn ein Erwachsener diese nicht bestätigte. Außerdem verfügten sie über weniger Ausdauer im Umgang mit schwierigen Aufgaben und teilten ihre Ideen seltener ihren MitschülerInnen mit.1 

Leistungsbezogenes Loben kann mehr schaden als nützen

Häufiges Loben kann zudem dazu führen, dass Kinder Tätigkeiten nur noch mit dem Ziel, gelobt zu werden, tun - nicht mehr, weil sie die Handlung selbst als gut und wichtig ansehen:
"In einer beunruhigenden Studie, durchgeführt von Joan Grusec an der Universität von Toronto, hatten Kinder, die häufig dafür gelobt wurden, großzügig zu sein, die Tendenz, im täglichen Leben weniger großzügig zu sein als andere Kinder. Jedes Mal, wenn sie ein „Gut geteilt!“ oder ein „Ich bin so stolz auf dich, dass du hilfst!“ hörten, wurden sie weniger daran interessiert, zu teilen oder zu helfen. Diese Tätigkeiten wurden nicht mehr in sich selbst als etwas Wertvolles angesehen, sondern als etwas, das wieder gemacht werden musste, um diese Reaktion von Erwachsenen zu erhalten. Großzügigkeit wurde Mittel zum Zweck".2 Forscher bemerkten auch Hinweise darauf, dass Kinder in Aufgaben, für die sie gelobt wurden, mit der Zeit weniger erfolgreich waren – schuld daran ist vermutlich der Druck, weiter gute Leistungen zu erbringen, um wieder gelobt zu werden.3

Interesse und Aufmerksamkeit statt Bewertung sind der Schlüssel

Lob für Leistung scheint also nicht der richtige Weg zu sein, das Selbstwertgefühl eines Kindes zu unterstützen. Das bedeutet aber nicht, dass wir auf Anerkennung verzichten sollten. Stattdessen solltest du Anerkennung und Wertschätzung anders ausdrücken, nämlich eher in Form einer Ermutigung. Um zu verstehen, was eine Ermutigung von einem Lob unterscheidet, ist es hilfreich, zu überlegen, was Kinder sich wünschen, wenn sie uns ein selbst gemaltes Bild oder einen gerade gebauten Turm zeigen.

Im Grunde das gleiche, was wir uns wünschen, wenn wir uns Mühe gegeben haben und einem Mitmenschen stolz unser Werk präsentieren: Aufmerksamkeit, Interesse, Anteilnahme. Ein Satz wie  "Oh, du hast ja einen Turm gebaut, zeig mal. Der hat aber viele Farben!" ist viel konkreter als „Toll gemacht!“. Oder: "Du hast gemalt. Das möchte ich gern mal sehen. Wie hast du denn diese Form hinbekommen?" Auf diese Weise drücken wir echtes Interesse aus, statt die Leistung zu bewerten.

Neben dem Interesse daran, wie das Kind etwas gemacht hat, kann man auch auf das positive Ergebnis hinweisen, z.B.: "Sieh mal, wie dein kleiner Bruder lächelt. Er freut sich, dass du ihm geholfen hat." Ermutigen kann man also beispielsweise, indem man Interesse zeigt, wirklich hinsieht, Fragen stellt oder einfach beschreibt, was man sieht.

Schenke deinem Kind die volle Aufmerksamkeit

Ein tolles Buch zum Thema "Lob und Strafe" ist "Liebe und Eigenständigkeit" von Alfie Kohn.
Sicher gelingt es uns im stressigen Alltag nicht immer, zu ermutigen. Wenn gerade mal wieder alles auf einmal passieren muss, reicht die Aufmerksamkeit manchmal nur für ein „Oh, toll!“ Und das ist nicht schlimm, denn entscheidend sind nicht einzelne Momente. Wichtig ist, dass dein Kind regelmäßig für gewisse Zeiten deine volle Aufmerksamkeit genießt. Und dass du das, was dein Kind schafft, anerkennst – und zwar weniger im Sinne einer Bewertung sondern eher, indem du dich mit deinem Kind freust, Anteil nimmst und stärker die Bemühung als die Leistung selbst in den Vordergrund stellt.

Das stärkt dein Kind auch im Umgang mit Misserfolgen, weil es sich dann mit deiner Hilfe bewusst machen kann: „Ich bin wertvoll, unabhängig von meinen Leistungen.“ oder „Ich habe viel geübt und trotzdem hat es diesmal nicht geklappt. Aber immerhin weiß ich, dass ich mein Bestes gegeben habe und dass es nicht an mir lag!“

In welchen Situation sprichst du ein schnelles Lob aus?

Versuche herauszufinden, in welchen Situation du ein schnelles Lob aussprichst: lobst du, weil du deine Ruhe haben willst? Weil du gerade mit deinem Smartphone beschäftigt bist? Versuche dein Kind bewußt wahrzunehmen und finde heraus, wie es ihm geht. Wenn du dich an diese Grundregel hältst, wird dies deinen Erziehungsalltag ganz wesentlich erleichtern, auch wenn es anfangs vielleicht etwas Zeit braucht. Aber diese Investition lohnt sich!

Eigenlob für Eltern: Warum es wichtig ist, dir mal selbst auf die Schulter zu klopfen

Unser innerer Kritiker ist leider reichlich streng. Und tatsächlich eine ziemlich laute Stimme. Wenn du beispielsweise als Mutter selbst vor dich hin schimpfst: „Ach, das Essen ist gar nicht wirklich lecker, ich kann einfach nicht kochen und mache mal wieder alles falsch“ dann machst du nicht nur deine eigene Leistung schlecht. Du zeigst auch deinem Kind, wie wenig freundlich du dich selbst siehst. Vielleicht wird auch dein Kind dann nicht sehen, dass du den ganzen Tag mit ihm gespielt hast, tolle Legoburgen bauen kannst und die beste Geschichtenvorleserin der Welt bist. Es wird das Essen tatsächlich nicht lecker finden und sieht auch, dass du anscheinend ganz viel falsch machst. Deine eigene negative Sicht auf dich selbst überträgt sich auf dein Kind. Aber noch mehr. Denn wenn du extrem streng mit dir bist und dich nicht lobst – wie soll dein Kind denn lernen, dass Selbstlob durchaus positiv ist.

Klar, ständiges Loben wäre nervig. Weder solltest du dein Kind penetrant für alles und jedes loben. Noch dich selbst. Aber auf gute Leistungen darfst und sollst du stolz sein.

Lob dich selbst: Was du als Mama oder Papa täglich leistest

Übernimm doch einfach einmal unsere Sicht auf dich als Mutter oder Vater und lass dich loben – besonders, wenn vielleicht gerade heute wieder so ein Tag war. So ein grauer Regentag, an dem du das Gefühl hattest, dass nichts wirklich gut lief und du eigentlich nichts geschafft hast. Doch. Du als Mutter oder als Vater stehst immer am Morgen auf. Auch wenn die Nacht wieder zum Tag wurde und du wegen des weinenden Kindes viel zu wenig geschlafen hast. Du machst das Frühstück, du tröstest, kuschelst, streichelst, wickelst, kochst. Du liest vor und erklärst Dinge, nicht nur einmal, immer wieder. Du sitzt im Kinderzimmer und spielst mit. Du lachst, auch wenn du Sorgen hast. Du wärmst kleine kalte Füße und suchst Handschuhe, damit Händchen warm werden.

Du bleibst geduldig an der Baustelle stehen und hörst zum gefühlt 1001 mal die Conny-CD. Du schleppst Einkäufe ins Haus und denkst an den richtigen Joghurt, an den ohne Stückchen. Du weißt, dass der liebste Kuschelhund Joschi heißt und der beste Freund eine Brille trägt. Du gehst arbeiten, auch wenn es im Bett so warm und gemütlich ist. Na klar machst du Fehler. Aber du hörst auf dein Bauchgefühl. Du hältst dich wacker im Kampf gegen fiese Viren und Trotzanfälle. Du machst nicht alles perfekt, du vergisst vielleicht den Schinken zu kaufen, der eigentlich das Rezept ergänzt und denkst nicht an den Zahnarzttermin. Aber du machst das als Mama oder Papa für dein Kind richtig. Du kannst Rat annehmen und suchst dir Unterstützung, wenn du sie brauchst. Das ist prima.

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