Es ist eine der schrecklichsten Vorstellungen, die Eltern sich machen können: Sexuelle Übergriffe auf das eigene Kind. Wie können Eltern reagieren, wenn sie vermuten, dass genau diese Horrorvorstellung Realität geworden ist?
Zunächst einmal ist es wichtig, das Kind zu schützen, sodass akute Gefahren abgewendet werden. Dazu gehört meist, dass man sich an die Polizei wendet. Außerdem raten wir allen Eltern, sich Unterstützung bei einer Beratungsstelle, z.B. dem Kinderschutzbund, zu holen, um Begleitung und Orientierung für die wichtigsten Schritte zu erhalten. Das ist wichtig, um ganz praktisch zu erfahren, was zu tun ist – und auch, um professionelle Ansprechpartner für den eigenen Umgang mit dem Schrecken zu haben. Denn um das Kind auffangen zu können, müssen Eltern Wege haben, um sich selbst zu beruhigen und zu stabilisieren. Eltern, die selber völlig aufgewühlt und hilflos sind, können dem Kind keine Sicherheit vermitteln.
Vielen Kindern und Jugendlichen fällt es unheimlich schwer, das Erlebte in Worte zu fassen. Dann ist es hilfreich, wenn die Erwachsenen ihnen Brücken bauen und sich erst einmal indirekter ausdrücken, z.B.: „Manchmal erleben Kindern schlimme Dinge. Es gibt Menschen, die Kinder anfassen oder sie zu Sachen zwingen, obwohl die Kinder das eigentlich nicht wollen. Manchmal passiert es, dass Leute Kinder dazu bringen, sie zum Beispiel am Penis anzufassen oder, dass die Menschen das Kind anfassen und ihm weh tun. Das ist ganz schlimm und niemals erlaubt – auch dann nicht, wenn das Kind sich nicht wehrt. Es ist sehr wichtig, dass Kinder an so etwas niemals schuld sind. Manchmal sagen die Leute, die so etwas machen, dass das Kind mit niemandem darüber reden darf. Sie drohen dann oft, dass sonst etwas ganz Schlimmes passiert. Aber in Wahrheit müssen Kinder darüber reden! Sie müssen mit einem netten Erwachsenen sprechen und der kann ihnen dann helfen und dafür sorgen, dass die Kinder geschützt sind. Ich habe das Gefühl, dir geht es in letzter Zeit nicht gut und mache mir Sorgen, ob dir so etwas auch passiert sein könnte?“ Wenn das Kind nicht reden mag, kann man ihm auch anbieten: „Wenn du so etwas oder Ähnliches erlebt hast, dann male doch einfach einen Kreis auf. Und wenn nicht, dann male ein Kreuz.“
Wenn bereits klar ist, dass ein Missbrauch stattgefunden hat, ist es ebenfalls oft hilfreich, das wie oben zunächst indirekter zu sprechen, z.B.: „Ich weiß, dass es dir nicht gut geht. Wenn Kinder von jemandem angefasst werden und zu schlimmen Dingen gezwungen werden, ist das unheimlich schlimm. Die Kinder fühlen sich manchmal auch schuldig. Dann ist es ganz wichtig, zu sagen, dass Kinder an so etwas niemals schuld sind. Schuld sind immer die Täter.“
Auf ähnliche Weise kann man erklären, warum Hilfen wichtig sind: „Wenn man so etwas Schlimmes erlebt, ist das wie eine Wunde bei einer starken Verletzung. Am Anfang ist alles ganz schlimm und tut schrecklich weh. Deshalb fühlt man sich ganz schlecht, hat Angst und ist traurig, nachdem man so etwas Furchtbares erlebt hat. Mit der Zeit kann die Wunde wieder heilen – dazu ist es aber wichtig, dass man sie gut versorgt. Weißt du, was man macht, wenn man sich doll verletzt, um die Wunde zu versorgen? Man säubert die Wunde und man benutzt z.B. eine Creme, ein Pflaster oder einen Verband … man hilft also der Wunde, zu heilen. So ist das auch bei Wunden im Gehirn, wenn man etwas Schlimmes erlebt hat. Es gibt nette Menschen – Berater und Therapeuten, die dich gut damit auskennen, wie solche Wunden heilen können. Sie können den Kindern dann Tipps geben, damit es ihnen bald wieder besser geht. Und auch die Eltern sind ja erschrocken und bekommen dann Hilfe, wie sie gut damit umgehen können. Deshalb würde ich gern mit dir zusammen Frau XY kennen lernen. Ich habe schon mit ihr telefoniert und sie ist wirklich nett. Wir können sie einfach mal kennen lernen und schauen, ob wir uns mit ihr verstehen.“
Für die meisten Kinder und Jugendlichen ist eine therapeutische Unterstützung sinnvoll, um den Übergriff gut verarbeiten zu können. Adressen bekommen Eltern entweder beim Kinderarzt oder auch bei Beratungsstellen, z.B. dem Kinderschutzbund oder Erziehungsberatungsstellen. Manchmal bieten diese Beratungsstellen auch selbst Therapien an oder können zumindest die Wartezeit bis zum Beginn einer Therapie durch einige Gespräche mit Kind und/oder Eltern überbrücken.
Manchmal haben Kinder auch den Drang, immer wieder über das Erlebte zu sprechen. Das ist für die Eltern schwer auszuhalten, aber wenn möglich, sollte man dieses Bedürfnis zulassen. Vielen Kindern hilft das ständige Wiederholen, das Trauma zu verarbeiten. Wichtig ist, dass die Eltern keine Ungeduld signalisieren, sondern weiter aufmerksam und geduldig zuhören. Dabei sollten sie mitfühlend sein, aber möglichst nicht extrem reagieren, z.B. mit starkem Weinen. Wenn das Kind aber weint, kann es durchaus gut sein, selbst mitzuweinen.
Oft verarbeiten Kinder das traumatische Ereignis auch im Spiel. Das sollten Eltern, solange dadurch keine anderen Kinder gefährdet werden, ebenfalls zulassen. Wenn das Spiel extrem gewalttätig oder obszön ist und häufiger vorkommt, sollten sie aber mit BeraterInnen oder TherapeutInnen darüber sprechen, weil es dann auch ein Zeichen sein kann, dass das Kind bei der Verarbeitung mehr Hilfe braucht.
Oft verarbeiten Kinder das traumatische Ereignis auch im Spiel. Das sollten Eltern, solange dadurch keine anderen Kinder gefährdet werden, ebenfalls zulassen. Wenn das Spiel extrem gewalttätig oder obszön ist und häufiger vorkommt, sollten sie aber mit BeraterInnen oder TherapeutInnen darüber sprechen, weil es dann auch ein Zeichen sein kann, dass das Kind bei der Verarbeitung mehr Hilfe braucht.
Eltern können Kindern außerdem helfen, indem sie ihnen besonders viel Zuwendung und Wärme vermitteln. Das bedeutet: Viel Körperkontakt und Kuscheln, vielleicht auch Massagen (all das natürlich nur, wenn das Kind das möchte), schöne gemeinsame Unternehmungen wie Ausflüge, Spiele, etc. Vielen Kindern fällt zeitweise das Schlafen schwerer. Eltern sollten hier Verständnis zeigen, auch, wenn die Kinder z.B. einnässen oder einkoten. Man kann dem Kind gelassen erklären, dass es passieren kann, dass man nachts ins Bett macht, wenn es einem gerade nicht so gut geht und, dass das nicht schlimm ist. Manchmal wollen Kinder auch wieder bei den Eltern schlafen, weil sie allein im Bett von den belastenden Erinnerungen eingeholt werden. Das sollten Eltern, wenn möglich, erlauben, oder sich alternativ mit einer Matratze neben das Kinderbett legen.
Oft haben Kinder nach Übergriffen Alpträumen. Diese sollte man ernst nehmen und das Kind liebevoll trösten. Es kann helfen, die Träume am nächsten Tag mit dem Kind aufzumalen oder aufzuschreiben und dann so zu verändern, dass sie weniger erschreckend sind. Dazu überlegt man mit dem Kind, was ihm im Traum helfen könnte (z.B. eine Helferfigur wie ein Held oder ein Fabelwesen, Superkräfte, ein Schutzanzug, etc.).
Wenn Eltern weitere Fragen zu Schutz vor sexuellem Missbrauch haben oder entsprechende Vorfälle vermuten oder sogar darüber wissen, ist es wichtig, dass sie kompetente Ansprechpartner haben. Auch Fachkräfte brauchen Anlaufstellen, an die sie sich bei Verdacht auf sexuellen Missbrauch oder weiteren Unsicherheiten wenden können. Daher stellen wir hier wichtige Ansprechpartner vor: