Format: Tipps – Frau mit Buch
Tipp

Wie schütze ich mein Kind vor sexueller Gewalt?

Wie kann ich mein Kind vor sexueller Gewalt schützen? Der Gedanke, dass das eigene Kind sexuelle Gewalt erleben könnte, ist wohl der Albtraum aller Eltern. Leider sind solche Vorfälle immer noch viel zu häufig. Oft stellt man sich bedrohliche Fremde vor, die dem Kind auflauern – doch die Realität sieht anders aus: Der Großteil der Übergriffe geschieht durch Menschen, die dem Kind und der Familie bekannt sind. Deshalb ist es wichtig, aufmerksam zu sein und ernst zu nehmen, wenn dein Kind plötzlich nicht mehr bestimmte Personen sehen möchte oder sich nach einem Besuch ungewöhnlich verhält. Im Folgenden findest du konkrete Tipps, wie du dein Kind stärken kannst, um das Risiko eines sexuellen Übergriffs zu reduzieren.

Lesezeit: Etwa 7 Minuten
Kleines Mädchen sitzt mit Teddy-Bären auf einem Steg

Grenzen des Kindes respektieren

Schon im Baby- und Kleinkindalter sollten Eltern die Grenzen des Kindes respektieren. Das bedeutet z.B: Keinen Zwang zum Küsschen für die Tante oder zum Kuscheln mit dem Opa. Man sollte möglichst auch Festhalten beim Zähneputzen o.ä. vermeiden – das ist nicht immer umsetzbar, aber wann immer möglich, sollten Mütter und Väter auf körperlichen Zwang verzichten und versuchen, Situationen spielerisch lösen oder dem Kind noch ein paar Minuten zu geben und es dann noch einmal probieren. Wenn das Kind sich trotzdem weigert und die Eltern sich durchsetzen müssen (z.B. beim Anschnallen im Auto), sollten Eltern dabei ruhig bleiben und dem Kind erklären, dass es gerade nicht anders geht: „Du, ich finde das gerade auch ganz blöd, dich festzuhalten, aber ohne Anschnallen darf man nicht Auto fahren und wir müssen jetzt einfach los!“ Wichtig ist, das notwendige Festhalten in solchen Situationen nicht mit Aggression oder Wut zu verbinden, damit das Kind diese nicht als Gewalt erlebt. Wenn Kinder zuhause Gewalt durch Schläge oder häufiges Anschreien o.ä. erfahren, können sie sich meist schlechter gegen Gewalt von anderen Erwachsenen wehren.

Eltern haben auch Grenzen

Da Kinder vieles am Vorbild ihrer Eltern lernen, sollten diese ebenfalls eigene Grenzen freundlich, aber entschieden kommunizieren. Wenn beispielsweise Kleinkinder der Mutter in der Öffentlichkeit ständig das Oberteil herunterziehen oder, wenn Kinder kratzen oder beißen, dürfen und sollten Eltern mit ruhigen, aber klaren Worten deutlich machen, dass dieses Verhalten nicht in Ordnung ist.

Respekt vor der Privatsphäre des Kindes

Eltern sollten ihren Kindern vermitteln, dass ihr Körper ihnen selbst gehört und sie darüber bestimmen, wer ihn anfasst oder etwas anderes damit macht. Dazu gehört auch Respekt vor der Privatsphäre: Kinder dürfen selbst entscheiden, wann und von wem sie fotografiert werden.

Gefühle des Kindes ernst nehmen

Eltern sollten Kinder darin fördern, ihre eigene Gefühle wahrzunehmen und zum Ausdruck zu bringen, damit sie sich mitteilen können, wenn sie bedrängt werden oder (sexuelle) Gewalt erlebt haben. Dazu können Eltern schon Kleinkindern helfen, ihre Gefühle in Worte zu fassen. Wenn ein Kleinkind schreit, weil es etwas nicht darf, kann man mit mitfühlender Stimme sagen: „Ich sehe, du bist jetzt ziemlich wütend.“ Dabei ist es bedeutsam, die Gefühle der Kinder ernst nehmen, ohne sie zu verharmlosen oder infrage zu stellen. Verzichten sollten Eltern daher unbedingt auf Aussagen wie: „Es gibt überhaupt keinen Grund, jetzt wütend zu werden!" oder „Das ist doch nicht schlimm, da muss man doch nicht weinen!“

Lernen, auf das Bauchgefühl zu hören

Außerdem sollten Eltern ihren Kindern beibringen, dass das eigene „Bauchgefühl“ wichtig ist, z.B.: „Wenn du mit jemand anderem zusammen bist und ein seltsames Gefühl hast, dann nimm' dieses Gefühl ernst. Geh' lieber nach Hause oder sprich' jemanden an, dem du vertraust.“

Selbstbewusstsein des Kindes fördern

Selbstbewusste Kinder können sich besser wehren! Man kann das Selbstbewusstsein von Kindern fördern, indem man ihre Meinung ernst nimmt und sie häufig mitbestimmten lässt. Kinder sollten auch erleben, dass Erwachsene nicht immer Recht haben. Das ermöglicht es ihnen, Erwachsenen, die Grenzen überschreiten, wiedersprechen zu können. Dazu ist es wichtig, dass Eltern mit Kindern bestimmte Entscheidungen verhandeln, diese verständlich erklären und sich auch selbst mal entschuldigen, wenn sie einen Fehler gemacht haben (z.B. Anschreien, Ungeduld, etc.).

Gewalt gegen Kinder ist verboten

Wichtig ist, dass Kinder Aggression nicht als Normalität erleben. Höchstwahrscheinlich wird in jeder Familie mal geschrien und jeder Mensch wird mal wütend. Doch wenn Eltern ihre Kinder regelmäßig anschreien, schüchtern sie diese ein und vermitteln die Botschaft, dass Erwachsene Kinder aggressiv behandeln dürfen. Das macht es Kindern schwer, sich gegen Aggressionen und Grenzüberschreitungen zu wehren. Völlig tabu sollten Schläge oder andere Formen körperlicher Gewalt sein. Kinder entwickeln dadurch Angst vor ihren Eltern und oft gravierende psychische Probleme. Sich selbstbewusst gegen Gewalt anderer Erwachsener zu wehren, fällt diesen Kindern besonders schwer.

Eltern dürfen auch mal von sich erzählen

Probleme und Konflikte sollten in der Familie offen besprochen werden, damit Kinder es wagen, sich ihren Eltern anzuvertrauen. Dazu ist es hilfreich, wenn Mütter und Väter auch mal von sich erzählen – dass sie z.B. gerade Streit mit einem Kollegen hatten oder der Chef*in gemein war oder der Rücken schlimm weh tut, etc. Natürlich sollte man sich dabei kurzfassen und das Kind nicht mit Weinkrämpfen oder ähnlichen Gefühlsausbrüchen überfordern. Aber es hilft, wenn Kinder erleben, dass auch ihre Eltern offen über Belastungen reden. Wenn Kinder von Problemen erzählen, sollten Eltern aufmerksam zuhören und das Kind nicht direkt mit Lösungen überfallen. Sinnvoller ist es, zuerst Anteilnahme auszudrücken und die Gefühle des Kindes in Worte zu fassen. „Da bist du jetzt richtig enttäuscht, was? Das kann ich gut verstehen.“ Etwas später kann man dann versuchen, das Kind bei einer eigenen Lösung zu unterstützen.

Es gibt schlechte Geheimnisse

Eltern sollten Kindern vermitteln: „Wenn jemand dir sagt, dass du etwas nicht weitersagen darfst und es geht dir aber schlecht damit, dann höre nicht auf ihn! Es gibt schlechte Geheimnisse – Geheimnisse, die uns nicht gut tun – und die muss man jemand anderem sagen. Und uns darfst du alles erzählen.“

Ein unverkrampfter Umgang mit Sexualität hilft Kindern

Sexualität sollte in der Familie kein Tabu-Thema sein: Ein unverkrampfter, sachlicher Umgang mit Sexualität hilft Kindern, selbstbewusst mit ihrem Körper umzugehen. Das heißt nicht, dass man ständig darüber sprechen sollte, aber Eltern sollten Kindern ihre Fragen zur Sexualität angemessen beantworten. Also keine "Bienchen und Blümchen"-Geschichten, sondern altersentsprechende und zugleich wahrheitsgemäße Aufklärung.

Niemals mit Fremden mitgehen

Kindern sollten wissen, dass sie nie mit Fremden mitgehen dürfen (auch nicht, wenn diese Bonbons oder etwas anderes Tolles versprechen) und, dass sie keine Fremden in das Haus lassen sollte, wenn die Eltern nicht dabei sind. Fremden sollte man auch nicht einfach sagen, wie man heißt und wo man wohnt.

Was kann ein Kind tun?

Gerade jüngere Kinder sollten möglichst nicht allein gehen, sondern längere Wege mit Schulkameraden oder Freunden gehen (z.B. den Schulweg). Eltern sollten mit ihrem Kind besprechen, was es machen kann, wenn z.B. jemand es festhalten oder anfassen will: Laut um Hilfe rufen ("Hilfe! Feuer! Lassen Sie mich los!"), wegrennen (möglichst zu anderen Menschen, in ein Geschäft o.ä. und diese um Hilfe bitten), Strampeln, Treten oder Kratzen (Notwehr ist immer erlaubt!).

Informationen über das Kind im Internet

Sobald Kinder bzw. Jugendliche im Internet unterwegs sind, sollten die Eltern mit ihnen besprechen, wie man sein Profil sichert, welche Informationen man nicht online stellen sollte (z.B. die Adresse), dass man sich nie allein mit Internetbekanntschaften treffen und vorsichtig mit eigenen Fotos umgehen sollte.

Verhaltensänderungen bei Kindern: Anzeichen für sexuelle Gewalt erkennen

Wenn Kinder sexuelle Gewalt erlebt haben, fällt es ihnen oft schwer, darüber zu sprechen. Erwachsene sollten daher Verhaltensänderungen aufmerksam und sensibel beobachten, da es keine eindeutige Liste von Symptomen gibt. Jedes Kind zeigt Belastungen auf individuelle Weise, doch bestimmte Verhaltensweisen sollten Eltern und Bezugspersonen aufhorchen lassen. Auch wenn die Ursachen vielfältig sein können, sollten Erwachsene Anzeichen ernst nehmen und behutsam das Gespräch mit dem Kind suchen, um zu erfahren, was es belastet.

Bücher zum Thema "Sexuelle Gewalt gegen Kinder"

Gespräche mit Kindern zu einem so schwierigen Thema sind nicht leicht. Kinderbücher können dir dabei helfen, denn für Kinder wird vieles konkreter, wenn sie Bilder dazu sehen oder Geschichten zu dem Thema hören. Auch für Mütter und Väter sind entsprechende Quellen eine Hilfe, um gute Worte für dieses schwierige Thema zu finden. Wir haben einige Bücher für dein Kind, aber auch Bücher für dich zusammengestellt, die wir dir empfehlen können.

 

Kinderbücher

  • Susa Apenrade, „Ich kenn dich nicht, ich geh nicht mit!“ (Arena-Verlag) - ab 3 Jahre
  • Susa Apenrade, „Ich bin stark, ich sag laut Nein!“ (Arena-Verlag) - ab 4 Jahre
  • Dagmar Geisler: „Mein Körper gehört mir!“ (Loewe-Verlag) - ab 5 Jahre
  • Christian Thielmann: „Max geht nicht mit Fremden mit“ (Carlson-Verlag) - ab 5 Jahre
  • Gisela Braun: „Das große und das kleine Nein“ (Verlag an der Ruhr) - ab 5 Jahre

 

Bücher für Eltern und Fachkräfte

  • "Kinder beschützen!" von Carmen Kerger-Ladleif (mebes&noack)
  • "Kindesmissbrauch" von Günther Deegener (Beltz-Verlag)
  • "Verletzte Kinderseele" von Dorothea Weinberg (Umgang mit traumatisierten Kindern; Klett-Cotta)

Sehr gute Materialien wie Broschüren, Comics, Plakate, etc. können außerdem bei www.zartbitter-shop.de erworben werden.

Weitere Hilfe

In unserem Artikel Wenn Alpträume wahr werden: Sexueller Missbrauch von Kindern findest du hilfreiche Tipps, wie du dein Kind unterstützen kannst, falls es bereits betroffen ist. Außerdem bieten wir eine Übersicht über Anlaufstellen, die dir und deinem Kind in dieser schwierigen Situation weiterhelfen können. Denk daran: Du bist nicht allein, und es gibt Unterstützung. Mit deiner Aufmerksamkeit und Fürsorge kannst du deinem Kind helfen, schwierige Erlebnisse zu bewältigen und ihm einen sicheren Rückhalt bieten.