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Leseförderung für Kinder mit Lernschwierigkeiten

Online-Beratung - Natasha Eliason

Leseförderung für Kinder mit Lernschwierigkeiten ist besonders wichtig, wenn das Lesenlernen zur Herausforderung wird. Manche Kinder benötigen mehr Unterstützung – etwa bei einer Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS) oder bei kognitiven Entwicklungsverzögerungen. In diesem Artikel findest du praxisnahe Tipps, wie du dein Kind gezielt beim Lesen begleiten kannst. Ziel ist es, die Lesekompetenz deines Kindes zu stärken und gleichzeitig die Freude am Lesen zu fördern.

Lesezeit: Etwa 8 Minuten
Vater liest mit Sohn ein Buch

Warum Leseförderung bei Kindern mit Lernschwierigkeiten wichtig ist

Lesen ist eine zentrale Kompetenz für schulischen Erfolg und persönliche Entwicklung. Kinder mit Lernschwierigkeiten benötigen oft zusätzliche Unterstützung, um ihre Lesefähigkeiten zu verbessern. Eine gezielte Förderung hilft nicht nur beim Überwinden schulischer Defizite, sondern stärkt auch das Selbstvertrauen des Kindes. Gemeinsames Lesen schafft dabei eine entspannte Atmosphäre, in der sich dein Kind geborgen und unterstützt fühlen kann.

Die Bedeutung der frühzeitigen Erkennung von Lernschwierigkeiten

Eine frühe Erkennung von Lese- und Lernschwierigkeiten ist entscheidend, um gezielte Maßnahmen zu beginnen. Hinweise können sich beispielsweise durch Schwierigkeiten beim Lernen von Buchstaben, langsamem Lesen oder Probleme beim Textverständnis zeigen. In diesem Artikel wirst du verschiedene Strategien zur Leseförderung sowie Anzeichen von Leseschwäche kennenlernen.

Ursachen und Arten von Lernschwierigkeiten

Lernschwierigkeiten können verschiedene Ursachen haben. Häufige Beispiele sind die Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS), bei der Kinder Schwierigkeiten haben, Buchstaben und Laute zu verbinden, oder ADHS, das Kinder oft vor Herausforderungen stellt, sich längere Zeit konzentrieren zu können. Auch kognitive Entwicklungsverzögerungen können eine Rolle spielen, da sie das Verarbeiten komplexer Informationen erschweren. Ein Verständnis der Ursachen hilft dir, gezielt auf die Bedürfnisse deines Kindes einzugehen.

Erste Anzeichen von Leseschwierigkeiten erkennen

Wenn du merkst, dass dein Kind nur langsam liest, Wörter häufig errät oder Buchstaben vertauscht, kann das auf Leseschwierigkeiten hindeuten. Erste Anzeichen zeigen sich oft schon in der 1. oder 2. Klasse – besonders, wenn dein Kind trotz Übung wenig Fortschritte macht. Es ist wichtig, früh hinzuschauen und dein Kind gezielt zu unterstützen. Zwei Dinge sind dabei besonders entscheidend: die passende Lesegeschwindigkeit und die sogenannte phonologische Bewusstheit.

Geeignete Lesegeschwindigkeit bei Kindern

Es ist erstmal hilfreich zu wissen, welche Lesegeschwindigkeit für Kinder in den verschiedenen Klassenstufen als geeignet gilt. So kannst du besser einschätzen, ob dein Kind zusätzlichen Förderbedarf hat. 

Hier eine grobe Übersicht:

  • Mitte der 1. Klasse: ca. 25–40 Wörter pro Minute
  • Mitte der 2. Klasse: ca. 60–85 Wörter pro Minute
  • Mitte der 3. Klasse: ca. 105–120 Wörter pro Minute
  • Mitte der 4. Klasse: ca. 140–150 Wörter pro Minute

Bitte beachte, dass diese Werte Richtwerte sind und von Kind zu Kind stark variieren können. Manche Kinder lesen langsamer, brauchen allerdings nur etwas mehr Zeit zum Üben. Wichtig ist nicht nur die Geschwindigkeit, sondern auch das Verständnis und die Leseflüssigkeit (Betonung, Sinnabschnitte, Pausen etc.).

Warum die phonologische Bewusstheit wichtig beim Lesen und Schreibenlernen ist

Die phonologische Bewusstheit ist die Fähigkeit, sprachliche Einheiten wie Wörter, Silben und Laute (Phoneme) zu erkennen und zu unterscheiden. Schon Vorschulkinder, die in diesem Bereich Schwierigkeiten zeigen, haben später oft Probleme beim Lesen- und Schreibenlernen.

Zum Beispiel: Hörst du den Unterschied zwischen Hund und Mund? Was genau ist ähnlich, und was ist anders? 

Phonologische Bewusstheit spielerisch fördern

Es gibt jedoch viele spielerische Übungen, die sich ganz einfach in den Alltag integrieren lassen, um die phonologische Bewusstheit zu fördern. 

  • Reimspiele zum Beispiel, bei denen ihr passende Wörter zu „Haus“ findet, oder das Klatschen von Silben in Wörtern („Ap-fel“, „Son-ne“), können dabei helfen.
  • Ebenso kann dein Kind Wörter suchen, die mit demselben Anfangsbuchstaben beginnen, oder Laute in Wörtern identifizieren („Was hörst du am Anfang von Ball? – B“). Bücher, die in Reimen geschrieben sind, sind hierfür besonders hilfreich
  • Auch Wimmelbücher eignen sich hervorragend, sie unterstützen spielerisch das Erzählen von Geschichten und das bewusste Wahrnehmen von Wörtern. Viele davon kann man auch in der Bücherei ausleihen.
  • Ein einfaches Spiel könnte zum Beispiel sein: „Kannst du Dinge finden, die mit dem Buchstaben M beginnen?“ Dein Kind sucht dann zum Beispiel eine Melone aus – und vielleicht fällt ihm sogar ein Reimwort dazu ein.
  • Ein anderes beliebtes Spiel ist: „Ich sehe was, was du nicht siehst, und es fängt mit ___ an“ (Buchstaben nennen).

Leseförderung auf Alter und Bedürfnisse deines Kindes abstimmen

Die Leseförderung sollte an das Alter und die Bedürfnisse deines Kindes angepasst werden. Besonders wichtig ist es, die Motivation deines Kindes zu stärken, indem du Bücher auswählst, die seinen Interessen und Fähigkeiten entsprechen. Ein Kind, das Bücher zu seinen Lieblingsthemen liest, wird eher Freude am Lesen entwickeln und länger dabei bleiben. Regelmäßiges gemeinsames Lesen, bei dem du mit deinem Kind laut vorliest oder ihr abwechselnd lest, kann nicht nur die Lesekompetenz verbessern, sondern auch eine positive Verbindung zum Lesen schaffen.

Früh fördern: Lesemotivation im Vorschulalter wecken

Im Vorschulalter kannst du das Interesse deines Kindes beim Lesen durch spielerisches Buchstabenlernen wecken. Das Nachzeichnen von Buchstaben im Sand oder das Basteln von Buchstaben aus Knete sind wunderbare Ansätze. Regelmäßiges Vorlesen und Gespräche über die Geschichten, fördern sowohl die Sprachentwicklung als auch die Leselust. Wie auch oben erwähnt, ist es besonders hilfreich, die phonologische Bewusstheit zu stärken. 

Lesen lernen in der Grundschule: Einfach starten

Im Grundschulalter, besonders in den ersten beiden Schuljahren, sind lautgetreue Texte und einfache Geschichten besonders hilfreich, um das Lesen zu üben. Diese Art von Texten unterstützt dein Kind dabei, die Verbindung zwischen Lauten und Buchstaben zu verstehen, was die Grundlage für flüssiges Lesen bildet. Solche Texte sind nicht nur leicht verständlich, sondern fördern auch das selbstständige Entschlüsseln von Wörtern. 

Möchtest du noch genauer wissen, wie du dein Kind beim Lesenlernen in der Grundschule unterstützen kannst? Dann schau dir auch diese Artikel an:

Häufige Wörter automatisieren: Weniger Hürden beim Lesen

Ein wichtiger Baustein in der Leseförderung ist das gezielte Üben der 100 häufigsten Wörter. Diese Wörter kommen in fast jedem Text vor und machen bis zu 50 Prozent des gesamten Wortschatzes aus. Zu diesen Wörtern gehören oft unregelmäßige Schreibweisen oder Wörter, die sich nicht phonetisch ableiten lassen. Wer diese Wörter sicher und schnell lesen oder schreiben kann, wird beim Lesen und Schreiben enorm entlastet, da diese häufigen Wörter automatisch abgerufen werden können, ohne viel darüber nachdenken zu müssen. Diese Wörter sind leicht online zu finden, und es gibt auch Apps und Übungsbücher, die gezielt auf das Erlernen dieser Wörter ausgerichtet sind.

 

Wenn Kinder dann in die 3. oder 4. Klasse kommen, wird es zunehmend schwieriger, geeignete Bücher zu finden, die noch dem Lesestand der Kinder entsprechen und sie gleichzeitig herausfordern. Oft sind die Texte in den angebotenen Büchern dann komplexer und die Sätze länger, was es für Kinder mit Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten (LRS) herausfordernd macht, mit Freude zu lesen. Hier helfen sogenannte „LRS-freundliche Bücher“.

Was sind LRS-freundliche Bücher?

LRS-freundliche Bücher sind speziell auf Kinder mit Lese- und Rechtschreibschwäche abgestimmt. Sie erleichtern das Lesen durch: 

  1. Einfache, klare Schriftarten: Oft wird eine gut lesbare Schriftart verwendet, die für Kinder mit LRS besonders gut geeignet ist. Diese Schriftarten unterscheiden sich klar in den Buchstabenformen, was das Erkennen der Zeichen erleichtert.
  2. Kurze, einfache Sätze: Die Sätze sind kürzer und weniger komplex. Dadurch können Kinder die Handlung leichter erfassen und sich auf das Lesen konzentrieren, ohne sich durch zu viele Informationen überfordert zu fühlen.
  3. Erklärungen und Bilder: Häufig sind LRS-freundliche Bücher mit Bildern oder Illustrationen versehen, die den Text unterstützen und den Kindern helfen, sich den Inhalt besser vorzustellen. Bilder fördern das Verständnis und die Motivation, weiterzulesen.
  4. Wiederholung von Wörtern: Um die Lesefähigkeit zu steigern, werden häufig gleiche oder ähnliche Wörter im Text wiederholt. Dies hilft den Kindern, sich die Wörter besser einzuprägen und ihre Bedeutung zu verinnerlichen.
  5. Große Abstände zwischen den Zeilen: LRS-freundliche Bücher bieten größere Zeilenabstände und mehr Platz zwischen den Wörtern, um das Ablesen zu erleichtern und die Lesegeschwindigkeit zu fördern.
  6. Anpassungen an individuelle Bedürfnisse: Manche Bücher bieten zusätzlich Hörbücher oder eine interaktive Funktion, die es den Kindern ermöglicht, den Text vorlesen zu lassen. Dies kann das Leseverständnis unterstützen und eine positive Leseerfahrung schaffen.

Leseförderung für Jugendliche mit LRS: Interessen und Technik nutzen

Für Jugendliche ist es wichtig, ihre Interessen zu nutzen. Lass dein Kind Bücher wählen, die es begeistern, egal ob Abenteuerromane oder Sachbücher. Technologische Hilfsmittel wie E-Reader können das Lesen erleichtern. Gemeinsame Diskussionen über die Inhalte helfen, das Textverständnis zu vertiefen.

Lesen lernen mit ADHS

Kinder mit ADHS profitieren besonders von Struktur und klaren Abläufen. Teile Texte in kleine Abschnitte ein und besprecht nach jedem Abschnitt den Inhalt. Führe feste Leseroutinen ein, wie z. B. 20 Minuten Lesen am Nachmittag. Über Fortschritte könnt ihr euch miteinander freuen. Vielleicht habt ihr Spaß daran, das Vorankommen mit einer gemeinsamen Aktivität zu feiern?

Nützliche Hilfsmittel für das Lesenlernen

Hilfsmittel wie ein Lesepfeil können dabei helfen, die Zeile nicht aus den Augen zu verlieren und die Konzentration auf den Text zu verbessern. Eine weitere effektive Methode ist die Verwendung eines gelben Muggelsteins. Der Muggelstein wirkt wie eine Lupe und vergrößert den Text unter der Zeile, wodurch der Kontrast erhöht und das Lesen deutlich erleichtert wird.

Wenn dein Kind trotz Förderung Schwierigkeiten hat

Manchmal reicht die häusliche Unterstützung allein nicht aus – und das ist völlig in Ordnung. Es gibt verschiedene Wege, wie du dein Kind zusätzlich unterstützen kannst.

 

  • Erste Schritte: Lehrkraft und Schule einbeziehen: Sprich zunächst mit der Lehrkraft, um zu klären, ob die Schule vor Ort eine Diagnostik durchführen kann und ob bereits Ideen zur Leseförderung bestehen. Es gibt auch die Möglichkeit, den schulpsychologischen Dienst zu kontaktieren.
  • Diagnostik außerhalb der Schule: Falls die Schule keine oder nur unzureichende Unterstützung anbietet, kann eine Diagnostik bei einem Kinder- und Jugendpsychiater*in sinnvoll sein, um gegebenenfalls eine Lerntherapie zu veranlassen. Eine solche Therapie wird jedoch häufig erst ab der 3. Klasse vom Jugendamt übernommen – und die Regelungen dazu unterscheiden sich je nach Bundesland.
  • Sinnvolle Ergänzung durch Hör- und Sehtests: Zusätzlich wird oft empfohlen, erst einmal das Hör- und Sehvermögen überprüfen zu lassen, falls in diesen Bereichen Auffälligkeiten vermutet werden.
  • Förderangebote der Schule nutzen: Viele Schulen bieten spezielle Fördermaßnahmen an – erkundige dich bei der Lehrkraft deines Kindes.

Fazit

Die Leseförderung bei Kindern mit Lernschwierigkeiten erfordert Geduld, Kreativität und eine individuelle Herangehensweise. Mit den hier vorgestellten Strategien kannst du deinem Kind helfen, nicht nur seine Lesekompetenz zu verbessern, sondern auch Freude am Lesen zu entwickeln.