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Lesen in der Familie - Wie du das Interesse weckst

Autorin - Elisabeth Krista

Lesen eröffnet neue Welten – und das gilt besonders für Familien. Vielleicht ist es für euch ein gemütliches Ritual am Abend, bei dem du deinem Kind eine spannende Geschichte vorliest. Für andere kann Lesen auch eine Pflicht in der Schule sein. Doch egal, wie Lesen in deinem Alltag aussieht, es hat einen großen Einfluss auf die Entwicklung deines Kindes. In diesem Artikel erfährst du, warum Lesen mit Kindern so wichtig ist, wie du die Lesefreude in deiner Familie fördern kannst und welchen positiven Einfluss das gemeinsame Lesen auf eure Beziehungen haben kann. Tauche ein in die Welt der Bücher und entdecke, wie du das Interesse deines Kindes wecken kannst.

Lesezeit: Etwa 8 Minuten
Vater und Tochter schauen sich ein Buch an.

Lesen mit Babys und Kleinkindern: Frühförderung durch Sprache und Rituale

Das Lesen in der Familie beginnt bereits vor der Geburt. Familienmitglieder können dem Kind im Mutterbauch schon vorlesen. Besonders ältere Geschwister nehmen diese Möglichkeit gerne wahr, denn sie können so ihren Teil beitragen und ihre neue Rolle in der neuen Familienkonstellation finden.

Der Säugling beginnt beim Betrachten von Bilderbüchern oder beim Hören von Geschichten, einzelne Bestandteile der Sprache heraus zu filtern. Besonders, wenn immer dieselbe Geschichte auf dieselbe Weise vorgetragen wird, wirkt das beruhigend auf Babys. Sie kennen dann schon den Ablauf und beginnen später, Laute mitzusprechen. Das ist der Beginn des aktiven Sprechenlernens!

Du kannst deinem Säugling auch Wortbilder zeigen. In Druckbuchstaben geschriebene Worte speichert das Kleinkind ab 18 Monaten mit dem photomotorischen Gedächtnis. Diese Art der Verarbeitung verlieren Menschen mit etwa 3 Jahren. Es beginnt, Zeichen als Worte zu erkennen. Das ist frühe Leseförderung. Das Beschriften von Dingen ist für Kleinkinder hoch interessant – du kannst kleine Schilder basteln und in klarer Druckschrift Alltagsgegenstände beschriften. Kinder lieben die Entschlüsselung dieser Zeichen und lernen nebenbei Lesen.

Vorlesen für Kinder in diesem Alter ist sehr interaktiv. Kleinkinder sprechen beim Vorlesen gerne mit. Mache ausreichend Pausen und stelle viele Fragen. Du kannst z. B. sagen: Wo ist der Vogel auf dem Bild? Was macht das Schweinchen da? Und was passiert als nächstes? Und so weiter. Kinder werden so zum Sprechen angeregt, hören auch die korrekte Grammatik in deinen Fragen und lernen so, einer Geschichte aufmerksam zu folgen. Die körperliche Nähe, das Zusammenkuscheln und die eins-zu-eins-Zeit, sind eine wunderbare Erfahrung und fördern eure Bindung. Das macht das Lesen in der Familie zu etwas ganz Besonderem. Kinder verbinden diese Erfahrungen mit dem Lesen und sind später motivierter, selbst zu Büchern zu greifen.

Fangt früh an mit FamilienritualenEine Geschichte vor dem Einschlafen, Bücher, die im Buggy immer dabei sind oder Besuche in der Bücherei sind schöne Anlässe zum gemeinsamen Schmökern, Kuscheln und Lesen. Leseförderung für Kinder geschieht nebenbei im Alltag und in gemeinsamen Ritualen.

Gereimte, rhythmische Sprache ist magisch für Kinder (auch für Erwachsene!). Gedichte und Prosa können schon früh eingeführt werden. Kinder beginnen bald, eigene Sprachspiele zu entwickeln, sie reimen Laute und wiederholen ähnliche Worte immer wieder. Auf diese Weise entwickeln Kinder einen Sprachrhythmus, das Anlauten und außerdem Lautstärke, Tempo und Sprechmelodie (Prosodie) einer Sprache. Gedichte und Fingerspiele können wunderbar motorisch untermalt werden indem dein Kind z. B. auf deinem Schoß sitzt und du im Rhythmus hoppelst. Dein Kind lernt so Sprachrhythmus und Melodie ganzheitlich kennen. Ein Gedicht sieht auch auf dem Papier anders aus als Fließtext. Das ist interessant und anregend.

Wie fördere ich das Lesen mit meinem Kindergartenkind?

Im Alter von 4 – 6 Jahren können Kinder bereits längeren Geschichten und Textpassagen folgen. Sie sind in der Lage, Erfahrungen in einen zeitlichen Zusammenhang zu bringen und in einer Reihenfolge zu erzählen. Sogar Bücher, die über mehrere Abende gelesen werden, können sie schon verfolgen und verstehen.

In der Bücherei können sich Kitakinder schon selber ihre Lektüre auswählen. Kinder sollten immer lesen dürfen, was sie interessiert. Was interessant ist, wird gern gelesen. Aus der Leseforschung wissen wir, dass viele Aspekte beim Lesen mitspielen. Die Motivation kommt also vom Interesse am Inhalt und auch von der sozialen Situation, die das Lesen begleitet. Daher ist für alle Leseanlässe in der Familie zu sagen: So lange alle Spaß haben und sich wohlfühlen, läuft es richtig!

Der pflegliche Umgang mit Büchern ist ein wichtiger Aspekt des Lesens. Wie blättere ich um, ohne die Seiten zu reißen? Wie repariere ich ein Buch, wenn etwas passiert ist? Welchen Ort haben Bücher zuhause, damit sie nicht kaputt gehen?

Lesen bezieht sich nicht nur auf Bücher. Finde andere Medien wie Comics, Bastelanleitungen, Kochrezepte oder Briefe, die du vorlesen kannst oder die das Kind bereits selber lesen will. Kinder beginnen nicht erst in der Schule mit dem Lesen – wenn man sie lässt, fangen sie bereits mit zarten 18 Monaten an, die Wortbilder zuzuordnen. Das erleichtert ihnen später das Lesenlernen. Aber bitte: keine strikten Trainingsprogramme und Übungen! Lesen soll Spaß machen und Lust auf mehr wecken.

Wie unterstütze ich mein Schulkind beim Lesen und halte das Interesse wach?

In diesem Alter haben viele Kinder eine kleine Bibliothek zuhause. Sie haben spezifische Interessen, denen sie auch mit Hilfe von Büchern nachgehen. Wenn du beobachtest, was dein Kind gerade interessiert, kannst du die entsprechende Literatur nachliefern.

Es ist immer gut, im Gespräch zu bleiben: Was liest dein Kind gerade? Welche Autorinnen und Autoren findet es interessant? Beschäftige dich auch mit den Stoffen und achte darauf, wie das Kind damit umgeht. Sind manche Geschichten zu unheimlich? Zu gruselig? Kann dein Kind einordnen was es liest?

Vielleicht sorgst du dich, dass dein Kind das Interesse am Lesen verliert und sich nur noch mit dem Handy beschäftigen möchte. Das ist eine berechtigte Sorge, denn Handyspiele und Social Media haben eine Suchtwirkung, mit der kein Buch mithalten kann. Also ist es wichtig, schon früh mit dem Lesen in der Familie anzufangen. Die positiven Erfahrungen, die Kinder damit verknüpfen, kann kein Handy überbieten. Klare Absprachen für Bildschirmzeiten sind sehr wichtig. Alternative Beschäftigungen sollten mindestens doppelt so viel Zeit wie Bildschirmzeit in Anspruch nehmen.

Es bringt wenig, das Lesen vorzuschreiben. Sei ein gutes Rollenmodell für dein Kind. Wenn du abends lieber zum Roman greifst als den Fernseher einschaltest, wird dein Kind sich das abschauen. Gemeinsames Lesen, Vorlesen oder Hörbuch hören muss keineswegs aufhören, nur weil das Kind inzwischen selber lesen gelernt hat.

Gemeinsam lesen mit dem Kind – das Gehirn profitiert vom Kuscheln

Die angenehme Atmosphäre zwischen dir und deinem Kind, wenn ihr gemeinsam ein Buch betrachtet oder du etwas vorliest – das stärkt eure Bindung. Die entspannte Situation hilft dem Kind, Reize zu verarbeiten und entsprechende Verbindungen im Gehirn anzulegen. Das Gehirn ist sozusagen „offen für neues“, weil dein Kind entspannt ist und aufmerksam mitmachen kann. Dein Kind verbindet diese angenehmen Gefühle mit dem Lesen und wird sich später daran erinnern können. Bewusst oder unbewusst – lesen wird zu einer entspannenden, liebgewonnenen Tätigkeit.

Lesen mit Kindern im Alltag – praktische Tipps

Die wunderbare Nähe, die beim Kuscheln, Lesen oder Hören entsteht, ist für alle in der Familie etwas Bereicherndes. Vielleicht führt ihr ein Leseritual ein? Einen Bücher-Abend? Keinen Fernseher – nur Geschichten? Kinder sind sehr motiviert zu lesen, also lesen zu üben, so lange es keine Übung ist. Wenn sie zum Beispiel anderen vorlesen dürfen. Oder das Rezept fürs gemeinsame Kochen entschlüsseln müssen. Oder die Einkaufsliste aufschreiben sollen.

  1. Einen Buchclub in der Familie gründen: Wird in der Familie über Lesestoff gesprochen, lernt ihr viel über einander. Über Interessen, Sorgen und aktuelle Themen. Ihr kommt euch dabei näher. Diese Themen verbinden und stärken eure Beziehungen. Ihr könntet, z. B. wie eine Art Buchclub, gemeinsam dasselbe Buch lesen, das jeweils ein Familienmitglied auswählen darf. So bekommst du Einblick in die Interessen und Themen deines Kindes und hast viele Möglichkeiten, dir aus seinem Leben erzählen zu lassen. Kinder entwickeln beim Lesen auch Empathie – nicht nur weil sie mit den Figuren in der Geschichte mit leben, sondern weil sie über Figuren lesen, die mit anderen empathisch umgehen. Und das stärkt wiederum die Resilienz.
  2. Mit Kindern über die Figuren in Büchern sprechen: Hilf deinem Kind, Geschichten und Figuren zu verstehen. Meist identifiziert es sich stark mit den Figuren – das hast du vielleicht schon beobachtet, wenn du mit einem sehr jungen Kind Bilderbücher angeschaut hast. Es braucht die Verarbeitung des Stoffs durch Reden und Reflektieren und manchmal auch die Einordnung mit der Hilfe Erwachsener. Das wiederum stärkt die Medienkompetenz deines Kindes. Es lernt, Geschichten einzuordnen und sich damit zu identifizieren oder sich davon zu distanzieren. Du kannst deinem Kind auch vorschlagen, ein Bild zu einer Geschichte zu malen. Beeindruckende Bücher finden sich auch im Rollenspiel wieder. Du kannst beobachten, wie dein Kind Stoffe aus Bilderbüchern nachspielt. Das kannst du wunderbar unterstützen, indem du manchmal mitspielst oder Material dafür zur Verfügung stellst.
  3. Bücher selbst basteln: Kinder in der Grundschule oder in den letzten Kitajahren lieben es, selber Bücher zu gestalten. Sie malen die Bilder und schreiben erst einzelne Wörter und später ganze Texte.
  4. Tagebücher und Brieffreunde: Ein Tagebuch ist ein wunderbares Geschenk für Grundschulkinder, denn es ist ein schöner Anreiz, selbst mit dem Schreiben zu beginnen. Vielleicht gibt es die Möglichkeit, eine Brieffreundschaft zu beginnen? Hochwertige Kindermagazine bieten qualitativen Lesestoff zu vielen Themen an.
  5. Veranstaltungen rund um Bücher: Gibt es Leseveranstaltungen, die ihr besuchen könnt? Eine Autor*innenlesung in einem Bücherladen? Eine Buchmesse? Eine Schnitzeljagd (sehr aufregend: die Clues müssen selber entziffert werden!)? Auf der Seite der Stiftung Lesen findest du eine Auswahl an Veranstaltungen rund ums Vorlesen wie etwa Leseclubs, Online-Lesungen und Aktionstage. Dort findest du auch gute Buchempfehlungen. In der Familie könnt ihr auch zusammen eine Fortsetzungsgeschichte schreiben. Das macht sehr viel Spaß und motiviert zum Vorlesen. Ihr könnt einen Turnus vereinbaren, wie lange jeweils zwischen den Folgen liegen soll. Die Ergebnisse werden dann beim Krimiabend oder beim Familienrat vorgelesen.
  6. Lesen in verschiedenen Sprachen: Egal, welche Sprache eure Familiensprachen sind, lies am besten in deiner Herkunftssprache vor. Dein Kind lernt beim Vorlesen nicht nur Grammatik und Schriftbild kennen, sondern auch den Klang und die Aussprache von Schriftsprache. Deinem Kind verschiedene Schriften anzubieten – arabisch, japanisch, chinesisch, griechisch und so weiter, trägt dazu bei, ein möglichst breit gefächertes Wissen über Schriftsprache zu erwerben. Diese Sprachen sollten immer mit der Lebenswelt deines Kindes zu tun haben und nicht als Übungen aufgezwungen werden. Das Institut für Situationsansatz (ISTA) bietet eine Bibliothek mit ausgewählten vorurteilsbewussten Büchern in vielen Sprachen.

Fazit

Lesen in der Familie macht Spaß! Lesen eröffnet Welten! Lesekultur beginnt in der Familie. Wie so oft beginnt der Umgang mit Büchern beim Modell der Eltern. Wie wichtig das Lesen ist, haben inzwischen viele Studien belegt. Fernsehen und Handy können nicht abdecken, was beim Lesen an Gehirnentwicklung geleistet wird. Das gemeinsame Lesen ist eine soziale Situation, die ganz besonders ist. Jede Person ist in ihrem eigenen Kopf, in der eigenen Phantasie und doch gemeinsam mit anderen an derselben Geschichte beteiligt. Ihr lernt voneinander und stärkt eure Beziehungen, wenn ihr über Geschichten, Heldinnen und Helden, Phantasien und Erlebnisse sprecht.