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Zu hoher Technikkonsum: Wie digitaler Stress Kinder belastet

Autorin - Svenja Gleffe

Ein Alltag ohne Technologie ist heute kaum vorstellbar – doch für Kinder kann ein übermäßiger Technikkonsum zur echten Belastung werden. Zu hoher Medienkonsum erhöht nicht nur das Stresslevel deines Kindes, sondern kann auch langfristige Auswirkungen auf seine Gesundheit und Entwicklung haben. Erfahre hier, wie digitaler Stress Kinder belastet und welche Warnsignale du als Elternteil erkennen solltest, um dein Kind zu schützen.

Lesezeit: Etwa 7 Minuten
Schulkind Mädchen sitzt am Tisch und legt frustriert ihren Kopf auf den Arm.

"Ach bitte... Nur noch ein bisschen": Kinder und digitale Medien

Kennst du diesen Satz auch, wenn du dein Kind darum bittest, das Handy oder Tablet beiseitezulegen, die Spielekonsole oder den Fernseher auszuschalten? Die digitale Welt ist schon faszinierend. Wir selbst und unsere Kinder tauchen in sie ein und nehmen oft nicht wahr, was sich unmittelbar um uns herum abspielt. Du hast sicher auch öfter schon bemerkt, dass du z. B. deinem Smartphone viel mehr Aufmerksamkeit schenkst, als du eigentlich möchtest? Dann lies gern diesen Artikel, er ist sicher hilfreich für dich.

Medienausstattung in Familien: Ein rasanter Anstieg

Die Medienausstattung in Familien ist in den letzten Jahren stark angestiegen:

  • 90 % der Haushalte verfügen über einen PC oder Laptop
  • 76 % besitzen ein Tablet
  • 73 % streamen regelmäßig Serien und Filme
  • 66 % haben mindestens eine Spielekonsole

Kinder kommen in immer jüngeren Jahren mit Medien in Kontakt. Sie wachsen mit ihnen auf, beobachten Ältere beim Medienkonsum und probieren sie selbst aus.

Einfache Bedienung, große Verführbarkeit

Die Bedienung der Medien wird immer einfacher und „kindgerechter“. Es muss nur gewischt, geklickt und gezoomt werden. Auf Handtaschen-Format genormte Geräte und unbegrenztes WLAN machen Technologiekonsum zu jeder Zeit und an jedem Ort möglich. Das Internet eröffnet deinem Kind „unbegrenzte Lebensräume“ mit unendlichen Möglichkeiten. Doch diese „Unbegrenztheit“ birgt auch Gefahren. Um dein Kind zu schützen, ist es wichtig, sich mit diesen Gefahren auseinanderzusetzen. 

Weitere wichtige Informationen findest du in unserem Ratgeber zum Thema Medienkonsum bei Kindern, der dir hilft, den Umgang deines Kindes mit digitalen Inhalten sicher und verantwortungsbewusst zu gestalten."

Digitale Medien in Kitas und Schulen

Auch in Kitas und Schulen werden immer mehr digitale Medien genutzt. Laut der KIM-Studie 2022 liegt der Anteil der Kinder in Deutschland, die täglich oder fast jeden Tag das Internet nutzen, bei 33 %.

Die durchschnittliche, tägliche Internetnutzungsdauer liegt je nach Altersgruppe bei 17 bis 74 Minuten. In dieser Zeit werden WhatsApp-Nachrichten versendet, Suchmaschinen genutzt oder Filme und Videos angeschaut. Besonders beliebt bei Mädchen im Alter von 10 bis 13 Jahren sind Social-Media-Plattformen wie TikTok, Instagram und Snapchat.

Neben ihrer Freizeit verbringen Teenager zunehmend auch den Schulunterricht digital. Immer häufiger verabschieden Schulen Stift und Block und führen Tablets sowie Laptops in die Klassenzimmer ein.

Negative Auswirkungen von digitalem Stress

Zwar bieten das Internet und Social Media viele Informationen und interessante Inhalte, doch der starke Konsum hat auch negative Auswirkungen auf das Stresslevel deines Kindes.

Digitaler Stress kann zu folgenden Symptomen führen:

  • Geringe Aufmerksamkeitsspanne
  • Erhöhtes Depressionsrisiko
  • Übergewicht aufgrund verringerter oder ausbleibender körperlicher Aktivität
  • Sinkende Noten
  • Schwierigkeiten im sozialen Miteinander aufgrund von extremer Bildschirmzeit und der damit einhergehenden Isolation
  • Cyber-Mobbing
  • Suchtverhalten
  • Verzerrung der Wahrnehmung
  • Übersteigerter Vergleich mit anderen
  • Minderung des Selbstwertgefühls
  • Essstörung durch unrealistische Körperdarstellungen
  • Schlafstörungen
  • Beeinträchtigung aller Entwicklungsbereiche, insbesondere in der frühkindlichen Entwicklung (sprachlich, motorisch, kognitiv, emotional-sozial)

Wie beeinflusst Technologiekonsum den Stress bei Kindern?

Die Bildschirmnutzung hat einen erheblichen Einfluss auf die Gehirnentwicklung von Kindern. Zu viel davon kann die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit verringern und die Struktur sowie Funktion des Gehirns negativ beeinflussen. Eine MRT-Studie mit 30.000 Kindern zeigt Veränderungen im Gehirn, besonders im „präfrontalen Kortex“, der für die Regulierung von Emotionen und impulsivem Verhalten zuständig ist.

Auswirkungen auf die Planungsfähigkeit und Reaktionsvermögen

Zu starker digitaler Medienkonsum kann die Planungsfähigkeit beeinträchtigen und das flexible Reagieren auf bestimmte Situationen verlangsamen. Der „Arbeitsspeicher“ unseres Gehirns kann durch ständige Reizüberflutung in Mitleidenschaft gezogen werden. Häufig wurden Veränderungen in Gehirnregionen festgestellt, die mit dem Gedächtnis, dem Hören, der Sprache und dem Interpretieren visueller und physischer Reize wie Schmerz und Temperaturempfindungen zu tun haben.

Verbindungen im Gehirn: Ein gestörter Austausch

Ein Beispiel: Die Bereiche für Sprache und die Regulation von Gedanken und Handlungen müssen miteinander verbunden werden, um die Entscheidungsfindung und Problemlösungsfähigkeiten zu entwickeln. Wenn diese Verbindungen gestört sind, fehlen wichtige Grundlagen für das Erlernen von Fähigkeiten. Besonders in den ersten Lebensjahren entwickelt sich das Gehirn stark, was durch sensorische Erfahrungen gefördert wird. Diese fehlen jedoch während der Bildschirmzeit, wodurch das Sinnessystem nicht vollständig angeregt wird.

Überreizung des Belohnungssystems durch Bildschirmzeit

Das Belohnungssystem im Gehirn ist ein Netzwerk aus verschiedenen Hirnstrukturen und biochemischen Prozessen, das Motivation und Lust steuert. Während der Bildschirmnutzung werden oft die „Belohnungszentren“ des Gehirns aktiviert, was eine schnelle, aber trügerische Belohnung erzeugt. Dies kann zu einer falschen Verknüpfung führen, bei der das Kind positive Gefühle erfährt, obwohl es sich langfristig nachteilig auf seine Entwicklung auswirkt.

Hier ein Beispiel: Stell dir vor, du hast gemeinsam mit deinem Kind eine To Do Liste erstellt, die ihr nun erledigen möchtet. Damit das gut funktioniert braucht ihr beide: MOTIVATION! Ein Punkt auf der To Do Liste ist z. B. das Aufräumen und Aussortieren von Kleidung und Spielzeug. Hierfür könnt ihr euch schöne Musik anmachen. Außerdem hilft es, die To Do Liste in kleine Schritte zu unterteilen. Z. B. heute wird Kleidung aussortiert und morgen kommt das Spielzeug dran. Somit ist die Motivation größer und die Lust wird gesteigert. Doch das Beste kommt zum Schluss und wird zu Beginn abgesprochen. Ein Ziel, auf das ihr hinarbeitet, könnte zum Beispiel sein: „Wenn wir die To Do Liste erledigt haben, gehen wir zusammen ins Kino“ oder ähnliches.

Frühzeitiger Medienkonsum und langfristige Folgen

Wird ein Kind von Anfang an starkem Medienkonsum ausgesetzt, kann dies langfristig zu Entwicklungsverzögerungen und einem gestörten Zusammenspiel von Denken und Handeln führen. Dies kann sich später in einem Suchtverhalten äußern, das die Fähigkeit zur Selbstregulation beeinträchtigt. Ähnlich wie bei Suchtmitteln wird im Gehirn der Botenstoff Dopamin ausgeschüttet, der für Wohlbefinden und emotionale Reaktionen zuständig ist. Diese Dopaminausschüttung vermittelt ein falsches Gefühl von Belohnung, das das Verlangen nach mehr verstärken kann. Doch langfristig schadet dieser Prozess sowohl der körperlichen als auch der psychischen Gesundheit.

Auswirkungen auf das Spiel- und Bindungsverhalten

Medienkonsum kann auch das Spiel- und Bindungsverhalten von Kindern negativ beeinflussen. Das Spielen mit den Eltern gibt den Kindern Sicherheit, doch wenn diese Interaktionen zu selten sind, kann das Sicherheitsgefühl des Kindes beeinträchtigt werden. Besonders bei Kindern unter 3 Jahren ist es eine Überforderung, den grellen Farben, Geräuschen und schnellen Bildabfolgen zu folgen, was zu Reizüberflutung und Hyperaktivität führen kann.

Störungen des Schlafverhaltens durch Bildschirmzeit

Der übermäßige Konsum von digitalen Medien kann ebenfalls das Schlafverhalten von Kindern beeinträchtigen. Kinder, die viel Bildschirmzeit haben, kämpfen oft mit Einschlafschwierigkeiten und einem gestörten Schlafrhythmus, was zu weiterem emotionalen Stress führt.

Anzeichen für erhöhten Stress bei Kleinkindern

Bei Kleinkindern gibt es spezifische Anzeichen für erhöhten Stress, die durch zu viel Bildschirmzeit ausgelöst werden können. Dazu gehören Suchtverhalten (z. B. Gereiztheit, wenn das Kind kein Fernsehen schauen darf), Entwicklungsverzögerungen, gestörtes Spiel- und Bindungsverhalten, fehlendes Sicherheitsgefühl, Hyperaktivität und Einschlafschwierigkeiten. Auch emotionaler Stress kann zu Symptomen wie Schreien, Aggressivität und Verdauungsproblemen führen. Inhalte können bei einem Kleinkind Angst auslösen, da es noch nicht die Fähigkeit erlernt hat, zwischen erfundener Handlung und Realität unterscheiden zu können.

Stresssymptome bei Schulkindern

Bei Schulkindern äußert sich digitaler Stress durch Schlafprobleme, Konzentrations- und Ausdauerschwierigkeiten, Hyperaktivität sowie Schwierigkeiten im sozialen Miteinander. Weitere Symptome sind ein verzerrtes Selbstwertgefühl, Augenbeschwerden, Kopfschmerzen, eine Hemmung der Kreativität und sogar Adipositas, Aufmerksamkeitsstörungen und ein Leistungsabfall. Auch emotionaler Stress spielt hier eine große Rolle.

Stress bei Jugendlichen durch übermäßigen Technikkonsum

In der Jugend führt ein hoher Technikkonsum oft zu Fehlzeiten in der Schule, einem rapiden Leistungsabfall und aggressivem Verhalten. Es kann zu einer Beeinflussung von Identifikations- und Handlungsmustern sowie zu einem gestörten Essverhalten kommen. Auch hier zeigt sich emotionaler Stress, der sich in innerer Unruhe und physischen Beschwerden wie Nacken-, Schulter- und Rückenschmerzen äußern kann.

So kannst du dein Kind unterstützen, digitalen Stress zu reduzieren

Um deinem Kind zu helfen, den digitalen Stress zu verringern, ist es wichtig, klare Bildschirmzeiten festzulegen und regelmäßige Pausen einzubauen. Fördere alternative Aktivitäten wie Bewegung, kreative Hobbys oder gemeinsame Familienzeit ohne digitale Geräte. Achte darauf, dass dein Kind vor dem Schlafengehen keine Bildschirme nutzt, da dies den Schlafrhythmus stören kann. Zudem kannst du ihm helfen, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Online- und Offline-Aktivitäten zu finden. Wenn du mehr darüber erfahren möchtest, wie du gezielt digitale Auszeiten für dein Kind einführen kannst, schau dir unseren weiterführenden Artikel zum Thema Digital Detox für Kinder an.