Format: Artikel – Schreibfeder auf dem Tisch
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Stottern bei Kindern

Autorin - Melanie Schüer

„Ich-ich-wollte-aber-aber...“ kennst du solche oder ähnliche Sätze von deinem Kind und fragst dich vielleicht, ob es sich dabei schon um Stottern handelt? Zunächst einmal eine beruhigende Info: Bei vielen Kindern gibt es zwischen zwei und fünf Jahren eine Phase, in der die Wörter nicht ganz flüssig aus dem Mund kommen wollen und in der sie eine Neigung zum Stottern zeigen. Das bedeutet aber nicht gleich, dass es sich um eine behandlungsbedürftige Sprechstörung handelt.

Lesezeit: Etwa 6 Minuten
Junge, Kitakind, mit Hut sieht in die Kamera. Portrait.

Was ist Stottern und wie oft kommt es vor?

Wenn das fließende Sprechen durch Wiederholungen, Dehnungen und Blockierungen unterbrochen wird, spricht man von Stottern. Diese Sprechstörung zeigen in Deutschland ungefähr 5 Prozent aller Kinder bis zu ihrem 9. Lebensjahr – sie kann aber auch nach einer bestimmten Zeit von allein wieder verschwinden. Aber auch Jugendliche und Erwachsene stottern.

Woran erkenne ich das Stottern und was sind normale Unflüssigkeiten?

Zur groben Orientierung können dir folgende Anhaltspunkte helfen:

  • Normale Unflüssigkeiten (kein Stottern): Meist nur einmalige Wiederholung ganzer Wörter oder Satzteile, z.B. „Weil, weil wir doch backen wollen!“ oder „Ich will, ich will da aber hin!“. Pausen mitten im Satz, z.B. durch Sprechpausen oder „äh“, „mhm“ Einschübe: „Ich habe – ach, das wusstest du doch schon – ich habe aufgeräumt.“

  • Stottern: Wiederholung einzelner Laute: „Der Be-be-besen ist da hinten!“. Häufigere Wiederholung einsilbiger Wörter: „Sie-sie-sie-sie will aber nicht!“
    Dehnungen: „Nnnnnnase“
    Sprechblockaden (kurzzeitig wird gar kein Laut produziert)
    Oft wird das Stottern von auffälligem Sprechtempo (sehr langsam/schnell) oder Flüstern begleitet. Manchmal vermeiden die Kinder das Sprechen aufgrund der Verunsicherung auch immer mehr – spätestens dann sollte dringend gehandelt werden!

Was löst Stottern bei Kindern aus?

Die Ursachen für das Stottern sind nicht eindeutig. Das Atmen, der Stimmgebrauch und die Artikulation sind automatische Funktionen, deren Zusammenspiel beim Stottern gestört ist. Zudem spielen die genetische Veranlagung, Stress und Belastung eine Rolle. Bekommt das Stottern beispielsweise zu viel Aufmerksamkeit oder wird die stotternde Person gehänselt, kann dies die Symptome noch verstärken.

Vermutlich kennst auch du ein Kind, einen Jugendlichen oder einen Erwachsenen, für den das Sprechen nicht ganz so einfach und flüssig verläuft. Die Mutter des kleinen Felix war unsicher, wie sie darauf reagieren soll: Sollte man das Stottern ignorieren? Oder wäre es besser, das Stottern zu thematisieren und Felix darauf hinzuweisen, langsamer zu sprechen? Im Umgang mit dem Stottern war sie ratlos und wusste nicht, wie sie Felix helfen konnte. Was also tun, wenn ein Kind stottert?

Stottern kann man behandeln

Man sollte also nicht in Panik verfallen, wenn das Kind ein paar Wochen lang stockend spricht oder Wörter wiederholt. Wenn das Problem aber nach einer Weile nicht verschwindet, sollte man es durchaus ernst nehmen. Denn Stottern kann ein Kind sehr verunsichern und in seiner Entwicklung beeinträchtigen.

Das liegt daran, dass es vermutlich früher oder später negative Reaktionen erleben wird und an Selbstbewusstsein verliert, weil es Angst hat, sich durch die Sprechstörung zu blamieren. Und: Je früher das Stottern behandelt wird, desto besser sind die Erfolgsaussichten. In den ersten 6-12 Monaten nach Beginn der Auffälligkeiten ist die Chance, dass diese vollständig abgebaut werden können, am größten.

Je früher das Stottern auftritt, desto besser sind die Heilungschancen: Im Vorschulalter liegen diese bei ca. 75-80%, im Grundschulalter bei ca. 23% und ab der Pubertät ist eine vollständige Heilung nur noch selten. Weltweit stottern etwa 1% aller Menschen, wobei Männer deutlich häufiger betroffen sind als Frauen. Bei etwa 25% der Kinder, die im Laufe der Sprachentwicklung mit dem Stottern beginnen, verfestigt sich das Problem. Wenn die Auffälligkeiten länger anhalten und/oder das Kind sehr belasten, ist eine Abklärung beim Kinderarzt sinnvoll. Keine Sorge, denn das Stottern kann sehr gut behandelt werden.

Wo kann man das Stottern behandeln lassen?

SprachtherapeutInnen und LogopädInnen sind Fachleute für die Behandlung von Sprechstörungen. Sie fördern Kinder darin, sich selbstbewusst und flexibel sprachlich auszudrücken und üben mit ihnen Techniken, um wieder lockerer und flüssiger zu sprechen. Dabei spielt Entspannung eine große Rolle. Diesen Aspekt sollten auch Eltern beherzigen: Wenn man ein stotterndes Kind kritisiert und Druck aufbaut, macht man damit alles noch viel schlimmer, denn Stress verstärkt das Stottern.

Stattdessen ist es wichtig, das Selbstwertgefühl des Kindes zu fördern: Ermutige dein Kind, indem du seine Stärken anerkennst, es oft für kleine Freundlichkeiten, positive Charaktereigenschaften oder Erfolge lobst und es immer wieder wissen lässt, dass du es liebst, genauso, wie es ist.

So kannst du deinem stotternden Kind helfen

Viele Menschen sind sich unsicher, wie man Personen, die stottern, im Gespräch am besten helfen kann. Mit den folgenden Tipps findest du Anregungen, wie du Gespräche mit deinem stotternden Kind, einem stotternden Jugendlichen oder Erwachsenen unterstützend gestalten kannst:

  1. Lass die stotternde Person immer ausreden und gedulde dich einen Moment kommentarlos, wenn das Aussprechen eines Wortes mal etwas länger dauert und holprig wirkt. Diese Ruhe hilft der stotternden Person, beim Sprechen entspannter zu werden.
     
  2. Halte Blickkontakt mit der stotternden Person. Dies signalisiert Vertrauen und trägt dazu bei, dass die Unterhaltung ruhig und entspannt geführt werden kann.
     
  3. Im Allgemeinen gilt: Ignoriere das Stottern nicht. Je nach Alter und wie nahe du einer stotternden Person stehst, kannst du die Sprechschwierigkeiten gerne einmal thematisieren. Die stotternde Person kann dir so am besten erklären, welche Hilfestellungen und Umgangsweisen zusätzlich für sie hilfreich sind. Denn diese sind manchmal individuell.

Tabus im Umgang mit stotternden Kindern

Auch gibt es einige intuitive Dinge, die du eher vermeiden solltest, wenn du bemerkst, dass eine Person in einem Gespräch mit dir zu stottern beginnt:
 

  1. Sprich keine Wörter und Sätze für die stotternde Person zu Ende. Das Gefühl, den Satz nicht geschafft zu haben, wird oft als Niederlage bewertet und reduziert die weitere Sprechmotivation für die stotternde Person.
     
  2. Breche den Blickkontakt im Gespräch mit der stotternden Person nicht ab und schaue nicht in eine andere Richtung. Damit würdest du Desinteresse am Gespräch signalisieren, welches ebenfalls die Motivation zum Sprechen reduziert.
     
  3. Fordere die stotternde Person nicht dazu auf, langsamer zu sprechen. Dieser gutgemeinte und oft intuitive Ratschlag thematisiert das Stottern im falschen Moment. Die stotternde Person kann dadurch den Eindruck bekommen, dass ihr Sprechen komisch wirkt. Vermehrte Anspannung und erhöhter Druck beim Sprechen können folgen.

Du merkst, einige kleine Verhaltensregeln im Umgang mit stotternden Personen können euch beiden helfen, die Gesprächssituation trotz einiger Stolpersteine natürlich zu halten.

Fazit

Stottern kann die Sprachentwicklung deines Kindes beeinflussen, aber mit deiner Unterstützung und der richtigen Hilfe könnt ihr gemeinsam viel erreichen. Unser Tipp: Länger anhaltendes Stottern solltest du unbedingt ärztlich abklären lassen. Eine Therapie bei einemeiner Logopädin kann die Sprachentwicklung deines Kindes fördern und ist – wenn nötig – eine wichtige Maßnahme. Am wichtigsten ist, dass du entspannt und natürlich mit dem Sprechen deines Kindes umgehst. So unterstützt du nicht nur die Sprachentwicklung, sondern auch das Selbstbewusstsein deines Kindes.