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Wutausbrüche bei Kindern: Was dahintersteckt und wie du reagierst

Autorin - Melanie Schüer

Ein Wutanfall kann für Eltern und Kinder gleichermaßen herausfordernd sein. Dein Kind spürt seinen eigenen Willen stark, versteht aber noch nicht, warum es nicht immer bekommt, was es möchte. Diese intensive Phase gehört zur natürlichen Entwicklung – doch Wutausbrüche treten oft unerwartet und mit großer Kraft auf. Manchmal steckt Frustration oder Müdigkeit dahinter, manchmal scheint es keinen erkennbaren Auslöser zu geben. Besonders belastend wird es, wenn dein Kind in seiner Wut andere schlägt oder Gegenstände zerstört. Wie kannst du dein Kind in solchen Momenten liebevoll begleiten? Und wie findest du einen Weg, selbst ruhig zu bleiben? In diesem Artikel erfährst du, warum Wutausbrüche entstehen und welche Strategien dir helfen, damit umzugehen.

Lesezeit: Etwa 9 Minuten
Kleiner Junge hockt auf der Straße und ist wütend

Warum Wutausbrüche bei Kindern ganz normal sind

Wutausbrüche gehören zur kindlichen Entwicklung dazu. Der Gehirnbereich, der für Gefühle zuständig ist, ist bereits stark ausgeprägt – doch die Fähigkeit zur Selbstkontrolle entwickelt sich erst über viele Jahre hinweg. Erst mit etwa 25 Jahren ist dieser Bereich vollständig ausgereift. Deshalb können Kleinkinder ihre Emotionen noch nicht regulieren und werden oft von ihren Gefühlen überrollt.

Ein Wutanfall bedeutet also nicht, dass dein Kind absichtlich trotzig oder „ungezogen“ ist. Es ist überfordert und weiß nicht, wie es mit seiner Frustration umgehen kann. Besonders zwischen anderthalb und vier Jahren entdecken Kinder ihr eigenes Ich, wollen Dinge selbstständig tun und stoßen dabei oft an ihre Grenzen. 

Typische Auslöser für Wutanfälle sind:

  • Ein starker Wille, aber noch fehlende Fähigkeiten (z. B. sich selbst anziehen oder ein Spielzeug erreichen)
  • Der Wunsch nach Selbstbestimmung, aber eine noch geringe Frustrationstoleranz
  • Starke Gefühle ohne die Möglichkeit, sie in Worte zu fassen

Während Frust und Wut zum Aufwachsen dazugehören, kannst du dein Kind in solchen Momenten unterstützen. Statt es mit Verboten oder Sätzen wie „Siehst du, ich habe es dir doch gesagt“ zusätzlich zu frustrieren, hilft es, dem Montessori-Prinzip zu folgen: „Hilf mir, es selbst zu tun.“ So fühlt sich dein Kind ernst genommen und lernt schrittweise, mit Herausforderungen umzugehen.

Video: Wutausbrüche bei Kindern begleiten

Für Eltern ist es oft eine große Herausforderung, mit Wutausbrüchen ihrer Kinder umzugehen. Wie reagiert man als Mutter oder Vater am besten darauf? Wie begleitet man sein Kind durch einen Wutausbruch liebevoll und zugewandt? Im Video findest du weitere wertvolle Impulse, wie du mit den Wutausbrüchen deines Kindes einfühlsam umgehen kannst.

Umgang mit Aggressionen bei Wutanfällen

Besonders herausfordernd wird es, wenn Kinder in ihrer Wut andere verletzen oder Dinge zerstören. In solchen Momenten ist es wichtig, ruhig zu bleiben und dein Kind zu unterstützen, seine Emotionen besser zu regulieren. 

Hier sind einige konkrete Tipps:

  1. Bleib ruhig und empatisch: Stell dir dein Kind als Baby vor – genauso hilflos ist es in diesem Moment. Es handelt nicht absichtlich aggressiv, sondern weiß nicht, wie es mit seiner Wut umgehen soll. Dein Verständnis hilft ihm, sich sicher zu fühlen.
  2. Typische Auslöser vermeiden: Achte auf genügend Schlaf, reduziere Überforderung durch zu viele Termine und kündige Veränderungen rechtzeitig an (z. B. "Noch fünf Minuten, dann gehen wir").
  3. Wut in Worte fassen: Geh auf Augenhöhe deines Kindes und hilf ihm, seine Gefühle zu benennen: "Das ärgert dich, oder? Ich verstehe, dass du sauer bist. Du würdest jetzt gern ..., aber das geht leider nicht. Das ist frustrierend!" So lernt dein Kind, dass seine Emotionen normal sind und es mit der Zeit besser damit umgehen kann.
  4. Körperliche Nähe oder Abstand je nach Bedarf: Manche Kinder lassen sich mit einer Umarmung oder Umlenken beruhigen, andere brauchen Raum, um ihre Wut auszuleben. Sag dann z. B.: "Es ist okay, wütend zu sein. Sag mir Bescheid, wenn ich dir helfen kann." Bleib in Sichtweite und präsent.
  5. Grenzen setzen ohne Strafen: Wenn dein Kind andere verletzt oder Dinge zerstört, bleib ruhig, aber bestimmt: "Du darfst wütend sein, aber nicht schlagen oder Sachen kaputt machen." Falls nötig, begleite dein Kind in einen anderen Raum und warte dort mit ihm, bis es sich beruhigt hat. Sollte es dich verletzen, erkläre: "Das tut mir weh. Ich gehe kurz raus, aber ich komme wieder."
  6. Natürliche Konsequenzen mit Bedacht anwenden: Falls dein Kind wiederholt andere verletzt, kann es helfen, ein Treffen früher zu beenden oder Gegenstände kurzzeitig wegzuräumen. Wichtig: Keine wütenden Strafen verhängen, sondern ruhig erklären: “Schade, dann müssen wir jetzt nach Hause gehen. Vielleicht klappt es nächstes Mal besser.”
  7. Alternative Wege zum Wutausdruck zeigen: Kinder brauchen Strategien, um ihre Aggressionen anders auszuleben. Übt in ruhigen Momenten: Auf den Boden stampfen, in ein Kissen boxen oder einen Ball werfen. Erinnere dein Kind daran, wenn es wütend ist.
  8. Eigene Emotionen reflektieren: Wutausbrüche können auch bei dir starke Gefühle auslösen. Falls du merkst, dass du selbst wütend wirst, geh kurz aus dem Raum, atme tief durch und beruhige dich, bevor du auf dein Kind reagierst.
  9. Wenn Wutanfälle zur Belastung werden: In manchen Phasen haben Kinder täglich mehrere Wutanfälle. Das kann normal sein. Falls die Wut jedoch über Monate anhält, mit starker Gewalt einhergeht oder dich verunsichert, kann eine Erziehungsberatungsstelle eine gute Anlaufstelle sein.

Wutausbrüche sind anstrengend, aber sie gehören zur Entwicklung dazu. Mit deiner Geduld und Unterstützung lernt dein Kind Schritt für Schritt, besser mit seinen Emotionen umzugehen.

Mein Kind hat hysterische Wutausbrüche

Hysterische Wutausbrüche können für dich als Elternteil sehr herausfordernd sein. Dein Kind schreit, als würde es extrem gequält, und du fühlst dich hilflos, obwohl du alles versuchst. Besonders bei Kindern unter sechs bis sieben Jahren ist es wichtig zu wissen, dass sie ihre Gefühle noch nicht gut kontrollieren können. In stressigen oder müden Momenten werden sie oft von ihren Emotionen überrollt, was in starken Wutausbrüchen münden kann.

In solchen Situationen ist es entscheidend, selbst ruhig zu bleiben. Indem du Ruhe und Gelassenheit ausstrahlst, hilfst du deinem Kind, sich zu beruhigen. 

Hier ein paar Tipps, die dir helfen können:

  • Atme tief ein und aus und lass dabei alle Anspannung los.
  • Sage deinem Kind, dass alles in Ordnung ist und dass es nicht allein ist.
  • Biete Körpernähe wie eine Umarmung oder ein Streicheln an, wenn dein Kind es zulässt.
  • Wenn dein Kind sich zurückzieht, gib ihm Zeit, ohne zu schimpfen.
  • Zeige ruhige Gelassenheit: „Wenn du etwas brauchst, ich bin da!“
  • Manchmal hilft es auch, die Wut gemeinsam abzubauen, z. B. indem ihr auf ein Kissen schlagt oder in einen Boxsack haut.

Unkontrollierte Wutausbrüche

Wutausbrüche bei Kindern können oft plötzlich und unerwartet auftreten. Ein Moment ist das Kind noch gut gelaunt, im nächsten schreit es. Diese Reaktionen hängen oft mit der noch nicht ausgereiften Selbstkontrolle der Kinder zusammen. Auch hier ist es wichtig, wie bei hysterischen Wutausbrüchen, ruhig und besonnen zu handeln.

Wutausbrüche sind keine Absicht: Dein Kind handelt nicht absichtlich, sondern ist selbst überfordert. Es hilft nicht, das Verhalten zu bestrafen, sondern Verständnis und Geduld sind gefragt.

Stressabbau durch Wut: Unkontrollierte Wutausbrüche können für Kinder eine Möglichkeit sein, Stress abzubauen.

Prävention: Um solche Situationen zu vermeiden, kannst du den Alltag so organisieren, dass dein Kind gar nicht erst in einen Zustand großer Überforderung oder Stress gerät.

Was Wutausbrüche mit der Autonomiephase zu tun haben

Im Alter zwischen zwei und sechs Jahren treten bei vielen Kindern Wutausbrüche im Zusammenhang mit wahrgenommenem Trotz auf. Statt von einer Trotzphase sprechen wir bei Elternleben.de lieber von der Autonomiephase. In dieser Phase möchte das Kind oft Dinge tun oder nicht tun, die es selbst entscheidet, z. B. aufhören zu spielen oder ein zweites Eis essen. Das Kind spürt seinen eigenen Willen stark, versteht aber noch nicht, warum es diesen nicht immer durchsetzen kann.

  • Frustration und mangelnde Perspektivübernahme: Kinder können sich noch nicht in die Perspektive anderer versetzen und begreifen daher nicht, dass andere Menschen unterschiedliche Bedürfnisse haben. Diese Frustration führt zu Wutausbrüchen.
  • Hilfreiche Strategien: Veränderungen und Unterbrechungen rechtzeitig ankündigen (z. B. 5 Minuten vorher) und eine Uhr zur Zeitübersicht (ab ca. vier Jahren) nutzen. Wahlmöglichkeiten anbieten (z. B. „Möchtest du die pinke oder die grüne Jacke anziehen?“).
  • Mit Verständnis und Konsequenz reagieren: Wutausbrüche erfordern Verständnis (z. B. „Ich weiß, du wolltest noch spielen“) und eine logische Konsequenz (z. B. „Wir müssen jetzt wirklich los, sonst verpassen wir den Bus“). Zeige deinem Kind, dass du seine Frustration siehst: „Ich wünschte, ich könnte uns noch eine Stunde Extra-Zeit herbeizaubern!“

Wutanfälle als Zeichen der Erschöpfung

Wutanfälle treten manchmal auch dann auf, wenn dein Kind erschöpft ist. Denke darüber nach, ob euer Alltag zu hektisch ist, ob zu viele Eindrücke und Menschen auf dein Kind einwirken. Dann heißt es „weniger ist mehr“. Verbringt lieber einen ruhigen Nachmittag auf dem Spielplatz als einen weiteren Förderkurs zu buchen oder noch Spielfreunde einzuladen. Besonders wenn dein Kind tagsüber viel fremdbetreut wird, braucht es am Wochenende und abends eure Nähe und genug Entspannung – ganz ohne „Programm“. 

Wutausbrüche bei Kindern: Wie Eltern ruhig bleiben können

Wutausbrüche bei deinem Kind können auch bei dir Wut auslösen – das ist völlig normal. Es ist jedoch wichtig, diese Wut ernst zu nehmen und zu reflektieren: Dein Kind möchte dich nicht ärgern. Es kann einfach gerade nicht anders. Allein diese Einsicht kann helfen, deine Wut etwas abzuschwächen. 

Um dich in solchen Momenten zu beruhigen, versuche einfache Methoden wie:

  • dreimal tief durchatmen
  • die Faust für fünf Sekunden fest ballen und wieder loslassen oder
  • in ein Kissen zu boxen

Sollte deine Wut trotzdem sehr stark sein, ist es wichtig, dir Unterstützung zu holen, um deinem Kind gegenüber nicht unfair oder aggressiv zu werden. Denn häufiges Schreien kann ebenfalls eine Form von Gewalt sein, die Kinder oft in körperliche Aggression umsetzen. Studien zeigen, dass Kinder in Familien, in denen viel geschrien wird, insgesamt aggressiver sind. In unserem Artikel Exitstrategien für Eltern - So bleibst du ruhig in stressigen Momenten findest du weitere Tipps, um in solchen Momenten ruhig zu bleiben. Zudem empfehlen wir dir unseren Artikel Warum Eltern wütend werden um mehr darüber zu erfahren, welchen Ursachen Elternwut haben kann.

Weitere Unterstützung für dich

Manchmal reicht es nicht aus, nur Tipps zu lesen – du wünschst dir mehr Unterstützung im Umgang mit der Wut deines Kindes? Auf elternleben.de findest du verschiedene Hilfsangebote:

Fazit

Wutausbrüche gehören zum Alltag vieler Eltern – sie sind ein natürlicher Bestandteil der kindlichen Entwicklung. Ein gelassener und einfühlsamer Umgang mit diesen Momenten ist entscheidend. Indem du deinem Kind hilfst, seine Wut zu verstehen und zu kontrollieren, legst du eine wichtige Basis für den Umgang mit Aggressionen im späteren Leben. Deine Reaktionen auf die Wut deines Kindes prägen nicht nur den aktuellen Moment, sondern auch seine Fähigkeit, mit schwierigen Gefühlen in der Zukunft umzugehen. Denk daran, dass du auch deine eigene Wut reflektieren und auf gesunde Weise damit umgehen solltest, um als gutes Vorbild für dein Kind zu agieren. Mit Geduld, Verständnis und den richtigen Strategien wirst du deinem Kind beibringen, wie es besser mit Wutausbrüchen umgehen kann – und wie du als Elternteil in stressigen Momenten ruhig bleibst.