Mehr als 1,9 Millionen Alleinerziehende gibt es Deutschland – weit über 100.000 Paare mit Kindern trennen sich jedes Jahr. Und nicht alle werden von der offiziellen Statistik erfasst, denn Eltern ohne Trauschein oder ohne offizielle Scheidung fallen aus der Statistik.
Auch Dr. Alexandra Widmer lebt seit über fünf Jahren allein mit ihren Töchtern, die heute sechs und acht Jahre alt sind. Nach der Trennung suchte die Psychotherapeutin selbst nach Hilfe.
Ich habe damals nach passenden Selbsthilfegruppen und nach Unterstützung gesucht. Sehr geholfen hat mir wellcome, als meine Töchter noch klein waren. Ich habe daher schon früh gemerkt, dass es wichtig für mich ist, Hilfe annehmen zu können. Aber für Single-Eltern gibt es viel zu wenig Angebote. Vor allem kaum welche, die mit der wenigen Zeit auch wirklich wahr genommen werden können. Vor allem fragte ich mich: Warum gibt es so wenig Anlaufstellen, die die Eltern stärken. Und weil es das nicht gab, habe ich dann selbst ein Projekt ins Leben gerufen. „Stark und Alleinerziehend“ war zunächst eine Website, dann ein Podcast. Mittlerweile habe ich auch ein Buch veröffentlicht und biete auch Beratung für Mütter und Väter an.
Wahrscheinlich, weil es eben vielen Alleinerziehenden so geht wie mir damals. Sie suchen Antworten nach Fragen, wie sie mit ihrer Wut und Trauer umgehen sollen. Sind auf der Suche nach Vorbildern und kämpfen täglich um ihre Existenz, um die Kinder und mit vielen, sehr vielen Alltagsbelastungen. Sie funktionieren irgendwie und sind dabei ganz auf sich allein gestellt. Es gibt laut einer Studie des Robert-Koch-Instituts ein signifikant höheres Risiko von Alleinerziehenden an Depressionen zu erkranken. Und das bedeutet, dass es auch ihren Kindern schlechter geht. Für mich war genau das ein wichtiger Grund, mit meinen persönlichen Erfahrungen und meinem Fachwissen andere Alleinerziehende zu unterstützen. Sie zu stärken und ihnen Vorbilder anzubieten.
Nach dem Scheitern einer Beziehung stehen fast alle vor den Trümmern vieler Träume. Dem Traum von einer Partnerschaft, einem Bild von Familie. Und sie zweifeln sehr viel an sich – ganz egal, wer eigentlich letztlich die Trennung auslöste. Viele Grundsätze müssen neu bedacht werden, etwa eben das Familienbild. Denn zu einer glückliche Familie müssen nicht unbedingt Vater, Mutter und Kind gehören. Außerdem ist es wichtig, wieder zu sich selbst zu finden. Selbstfürsorge ist ein ganz wichtiges Thema und sich Hilfe zu holen. Und das muss man schon selbst machen. Ich sage darum auch immer, du musst selbst deine beste Freundin, dein bester Freund werden und dich selbst loben. Und jeden Tag stolz auf das sein, was du geleistet hast.
Bei der kommt es gar nicht auf den Beziehungsstatus der Eltern an. Für mich ist Familie da, wo Kinder leben. Und ein Kind kann darum auch mit seiner Mutter und seinem Vater glücklich sein, auch wenn diese nicht mehr ein Paar sind. Glückliche Eltern betreiben Selbstfürsorge. Und genau darum sage ich auch immer – Nur wenn es der Mutter, dem Vater gut geht, geht des dem Kind gut.
Nur wenn es mir gut geht, geht es meinem Kind gut – daran müssen Eltern generell erinnert werden. Oft sind es vor allem Mütter, die irgendwie funktionieren und dann irgendwann in der Erschöpfung landen. An sich und an die eigenen Bedürfnisse zu denken ist nicht egoistisch, sondern kann sogar überlebenswichtig sein. Im Flugzeug müssen Eltern ja auch erst sich selbst die Sauerstoffmaske aufsetzen und können dann ihrem Kind helfen. Nur ist die Situation von Alleinerziehenden ja kein Unglück – und sie dauert lange an. Da brauchen Mütter und Väter eben einen langen Atem und viel Kraft. Wer seine eigenen Bedürfnisse kennt, kann auch Krisen erkennen und rechtzeitig handeln.
Eine gut funktionierende Beziehung bricht selten auseinander und oft ist auch viel Unglück da. Eine Trennung kann als Katastrophe oder als Chance für einen Neustart gesehen werden. Ein neuer Lebensabschnitt fängt an und zeigt oft auch ganz neue Fähigkeiten, die man an sich selbst gar nicht kannte.
Seid mutig! Sagt offen, wenn ihr nicht mehr könnt und seid so mutig, dass ihr für euch und euer Kind Unterstützung sucht. Ihr müsst das nicht alleine schaffen.