Unsere Autorin Tina Röbel schreibt über ihren Alltag als Freiberuflerin mit Baby. Inzwischen sind sie und ihr Partner Weltklasse-Zirkusartisten, was die familiären Balanceakte angeht. Wie kann es gelingen, Kinder und Beruf unter einen Hut zu bekommen? Können Eltern ihre Zeit, die der Beruf beansprucht und ihre Familienzeit gleichberechtigt untereinander aufteilen? Kann es eine gleichberechtigte Elternschaft überhaupt geben? Hier erfahrt ihr die besten Tricks und größten Fehler.
Vor acht Monaten habe ich ein Baby bekommen. Quasi seit der Geburt wird mein Freund gefragt, ab wann er wieder arbeitet. Mich hat noch niemand gefragt, ab wann ich wieder arbeiten werde. „Seit sechs Monaten“ wäre die Antwort. Wie das funktioniert – und wie nicht - davon möchte ich in diesem Text berichten.
Wenn du auch freiberuflich arbeitest und gerade ein Kind bekommst, möchte ich dir sagen: Es wird nicht einfach. Aber es ist machbar. Wenn du schon ein Kind hast und Ideen für eine gleichberechtigte Elternschaft suchst, lade ich dich ein, aus unseren Fehlern zu lernen. Jede Familie funktioniert anders, trotzdem lohnt es sich oft zu erfahren, was andere ausprobiert haben.
Unser Modell in kurz sieht wie folgt aus: Die ersten drei Monate nach der Geburt hatten wir beide Elternzeit mit Elterngeld. Sechs Wochen nach der Geburt hatte ich die ersten Kundengespräche. Seit dem 4. Lebensmonat von unserem Baby arbeiten wir beide Teilzeit, ich bekomme Elterngeld Plus. Im Sommer hatten wir nochmal zwei Monate gemeinsam Elternzeit mit vollem Elterngeld und sind mit dem VW-Bus durchs Baltikum und Finnland gereist.
Unser Ziel war nicht, dass wir beide möglichst schnell wieder arbeiten können. Ganz im Gegenteil wünsche ich mir oft, dass (Erwerbs-)Arbeit einen kleineren Stellenwert in unserer Gesellschaft hat. Unser Ziel ist es, dass wir möglichst gleichberechtigt für den kleinen Menschen in unserer Familie da sein können. Für mich als Selbstständige ist es außerdem wichtig, auch in der Babyphase für meine Kunden da zu sein. Anders als Angestellte hat man als Freiberuflerin keinen Job, der auf einen wartet.
Als Gesellschaft sind wir sehr darauf getrimmt, immer die finanziell besten Entscheidungen zu treffen. Was dieses Kriterium angeht haben wir versagt. Tatsächlich haben wir für unser Modell draufgezahlt. Wir geben jeden Monat mehr Geld aus, als wir einnehmen, wenn man unsere Gehälter und das Elterngeld über das Jahr hinweg zusammenrechnet. Das können wir uns leisten, weil wir im letzten Jahr Geld zur Seite gelegt haben. Was natürlich auch wieder nur deshalb möglich ist, weil wir beide gut verdienen.
Probiert aus, wie sich eure Planung für die nächsten Monate bzw. Jahre verändert, wenn ihr immer ein anderes Kriterium als oberste Priorität wählt. Also ganz konkret:
Wie würdet ihr die nächsten Monate gestalten, wenn …
Möglicherweise ergeben sich sehr unterschiedliche Antworten auf die verschiedenen Fragen. Dann lohnt es sich gemeinsam in Ruhe zu reden. Was ist das, was dir daran so wichtig ist? Wie könnt ihr es einrichten, dass möglichst viele Bedürfnisse erfüllt werden?
Aktuell arbeitet mein Freund 28 Stunden pro Woche und ich 18 Stunden. Zurzeit bin ich also mehr im Familieneinsatz, dafür übernimmt er die Kita Eingewöhnung, wenn es soweit ist. Damit alles gut funktioniert, haben wir einen Familien-Stundenplan erstellt. Hier sind meine wichtigsten Learnings dazu:
Was nicht funktioniert:
Was gut funktioniert:
In der Theorie haben wir jetzt einen schönen, in sich stimmigen Stundenplan. In der Praxis gibt es immer wieder Ausnahmen. Schulungen, die stattfinden. Kunden, die Anfragen schicken. Besuch, der in Hamburg ist. So wie alle anderen Eltern auch, müssen wir uns jetzt sehr viel mehr abstimmen als vorher. Wird die Fortbildung von meinem Freund verschoben, frage ich meine Kundin, ob wir unseren Termin umplanen können. Moderiere ich eine Veranstaltung und muss dafür reisen, nimmt mein Freund sich an dem Tag frei. Diese Absprachen funktionieren deshalb gut, weil wir uns als Team verstehen. Es geht nicht darum, dass der andere möglichst viel der Care-Arbeit übernimmt. Es geht darum, dass es uns allen dreien gut geht.
Bislang gibt das Baby nur Brabbeln von sich. Wenn ich das richtig interpretiere, geht es ihm ziemlich gut. Er genießt die Zeiten mit mir und die Zeiten mit seinem Papa. Es gibt Tage an denen er mit einem von uns den ganzen Tag verbringt und Tage, an denen wir alle drei zuhause sind. Er sieht, dass es uns gut geht.
Nein. An vielen Tagen ist vieles wunderbar. An manchen Tagen ist alles sehr entspannt. Aber definitiv nicht immer. Eine gleichberechtigte Partnerschaft ist keine Garantie für stressfreie Zeiten. Genau wie alle anderen Eltern die wir kennen, schlafen auch wir gefühlt zu wenig. Wir müssen immer wieder unsere Erwartungen an die Realität anpassen. Zum Beispiel finden wir gerade keinen Platz im Stundeplan für zeitintensive Hobbys oder längere Momente des Zeit-für-sich-habens.
Gleichberechtigung ist keine Momentaufnahmen und Balance ist kein dauerhafter Zustand.
Zu Beginn des Artikels habe ich uns mit Zirkusartisten verglichen. So fühlt es sich auch immer wieder an. Das Leben ist immer in Bewegung, Rahmenbedingungen verändern sich, unsere Bedürfnisse verändern sich und dann müssen wir uns neu ausbalancieren. In manchen Phasen ist einer von uns mehr eingespannt, in anderen Phasen die andere. Es gibt nicht die eine „happy-ever-after“-Lösung. Wir müssen uns immer wieder fragen: Welche Variante passt jetzt für uns drei gut?