Geschwisterzimmer sind so eine Sache. Entweder man liebt sie, oder man kann sie nicht leiden. Zu welcher Kategorie du gehörst, hängt wahrscheinlich zu einem großen Teil damit zusammen, ob du in der eigenen Kindheit dein Zimmer teilen musstest (oder wolltest). Wenn die momentane Wohnsituation keine große Auswahl für die Raumaufteilung lässt, führt (fast) kein Weg daran vorbei, deine Kinder gemeinsam im Kinderzimmer unterzubringen. Manche Familien entscheiden sich jedoch auch ganz bewusst für ein geteiltes Kinderzimmer. Denn diese Konstellation hat auch Vorteile. Welche das sind, erfährst du in diesem Artikel!
Zugegeben: Teilen will gelernt sein. Auch (vor allem!) das Teilen eines Zimmers. Deshalb ist es auch ein wunderbarer Ausgangspunkt dafür, soziale Kompetenzen zu erwerben. Kinder, die sich ein Zimmer teilen, lernen miteinander zu kommunizieren, sich zu respektieren und Verständnis für die Bedürfnisse des Anderen aufzubringen.
Auf dem Weg dorthin sind wir als Eltern natürlich ab und zu als Unterstützung gefragt. Doch schon relativ früh verstehen Kinder von selbst, was es heißt, aufeinander Rücksicht zu nehmen. Der große Bruder hatte einen langen Schultag und möchte sich ausruhen? Dann kommt dem kleinen Bruder vielleicht ganz alleine der Einfall, leise seine Hausaufgaben zu erledigen oder ruhig ein Buch zu lesen.
Das ganze klappt sicherlich nicht immer reibungslos. Aber auch aus kleinen Konflikten können alle Beteiligten lernen, wenn sie richtig aufgearbeitet werden. Um von vornherein unnötige Auseinandersetzungen zu vermeiden, kann das Geschwisterzimmer in zwei Bereiche aufgeteilt werden, die die Kinder nach ihren Vorlieben dekorieren dürfen. Wichtig ist auch, jedem Kind einen eigenen Platz für seine Sachen zu ermöglichen.
Es ist kurz nach 1 Uhr nachts. Da: ein Rascheln, gefolgt von kleinen, tapsigen Schritten, die sich über den Flur langsam dem elterlichen Schlafzimmer nähern. "Mama, ich hab Angst. Kann ich bei dir schlafen?"
Klar, Mama und Papa machen Platz. Mama liegt daraufhin auf der Bettkante und beschließt nach einer Weile (sobald das Kind wieder eingeschlafen ist), sich ins Wohnzimmer zu legen. Papa wacht mehrmals auf, weil das Kind sich ständig bewegt und dann zu allem Überfluss auch noch leise zu schnarchen beginnt. Ohropax hilft dann aber, der verbleibenden Nacht noch etwas Schlaf abzugewinnen.
Teilen sich Kinder ein Zimmer, ist die Wahrscheinlichkeit für eine Situation wie diese etwas geringer. Denn hinter dem nächtlichen Besuch im Eltern-Schlafzimmer steckt oft die Angst davor, nachts im Dunkeln allein zu sein. Die Gewissheit, den Bruder oder die Schwester im gleichen Zimmer zu wissen – und ruhig atmen zu hören – kann tröstend und entspannend wirken.
Ob im Büro, in der Schule oder später mit dem eigenen Partner: geteilten Räumen begegnen die meisten Menschen irgendwann in ihrem Leben. Gut, wenn man darauf vorbereitet ist. Respekt für das Eigentum und die Privatsphäre anderer Menschen sind wertvolle Life-Skills, die im Alltag notwendig sind.
Dazu gehört auch, mit Menschen auszukommen, mit denen man nicht auf einer Wellenlänge liegt. Und vor allem, diese nicht auch noch dafür zu verurteilen, dass sie anders denken oder handeln, als man es selbst tun würde.
Im Mikro-Kosmos des Kinderzimmers sind Probleme solcher Art zwar noch relativ weit weg. Doch die wenigsten Geschwisterpaare haben identische Interessen, gleiche Vorlieben und kommen zu jedem Tages- und Nachtzeitpunkt großartig miteinander aus. Hier liegt der springende Punkt: Sich trotzdem miteinander arrangieren zu können, ist ein wichtiges Learning für die sozialen Fähigkeiten.
Ja, es gibt sie. Diese Geschwister, die ohne einander einfach nicht können. Die noch als Erwachsene jeden Tag telefonieren, alles miteinander teilen und sich blind verstehen. Viele Zwillinge besitzen oft diese magische Verbindung zu “ihrem” Gegenstück. Vielleicht, weil auch sie sich gerne ein Zimmer teilen?
Die Basis für die mögliche Entwicklung einer innigen Bindung ist, Zeit miteinander zu verbringen. Wenn Geschwister ein gemeinsames Zimmer haben, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sie beieinander Rat und Trost suchen, statt alles mit den Eltern zu besprechen. Das Fußballspiel gegen die Jungs aus der Parallelklasse lief nicht gut? Dafür hat der ältere Bruder womöglich eher ein offenes Ohr, als Mama oder Papa.
Wer sich in der eigenen Kindheit das Zimmer mit einem Geschwisterkind geteilt hat, erinnert sich vielleicht noch an die Nächte, die man kichernd und flüsternd unter der Bettdecke verbrachte, bis irgendwann die Augen zufielen. Ein tolles Fundament für eine Seelenverwandtschaft for Life.
Ganz pragmatisch: Platz sparen und Raum-Prioritäten setzen!
Wenn sich Geschwister ein Zimmer teilen, bringt das unter Umständen noch einen weiteren Vorteil mit sich. Während beispielsweise die Vier-Zimmer-Wohnung einer vierköpfigen Familie theoretisch genug Platz für ein eigenes Zimmer pro Kind bietet, gibt es Familien, die sich bewusst dagegen entscheiden.
Der freie Raum kann dann zum Beispiel als Gästezimmer oder Homeoffice genutzt werden. Arbeiten ein oder beide Elternteil(e) ständig von zu Hause, oder hat die Familie oft Übernachtungsbesuch, kann eine solche Lösung den Alltag ungemein erleichtern. Gerade, weil das Familienleben so bunt, vielfältig und unterschiedlich ist, tut es gut, neue Möglichkeiten auszuprobieren.
In jedem Fall sollte dem Experiment “Geschwisterzimmer” genug Zeit gegeben werden, bevor es entweder zum Scheitern verurteilt oder zum Familienerfolg des Jahres erkoren wird.
In Deutschland ist das Geschwisterzimmer zwar nicht unbedingt die Norm. In anderen Ländern haben viele Familien jedoch gar nicht die Möglichkeit, diesbezüglich eine Entscheidung zu treffen. Dort ist es oft Normalität, dass sich alle Kinder der Familie ein Zimmer teilen.
Der Anthropologe John Whiting fand in einer Studie heraus, dass zwei Drittel aller Kinder in den untersuchten Gesellschaften nicht alleine schlafen. Er hatte 186 nicht-industrielle Kulturen beobachtet und dabei unter anderem herausgefunden, dass die Anzahl der Haushaltsmitglieder stark die Wahrscheinlichkeit bestimmter Schlaf-Arrangements beeinflusst.
Ein eigenes Kinderzimmer zu besitzen, ist mit dieser Lesart eigentlich ein wunderbarer Luxus. Um das zu erkennen, reicht es sogar schon, die Großeltern zu fragen, wer von ihnen als Kind das Vergnügen eines eigenen Kinderzimmers hatte.
Manche Geschwister teilen sich freiwillig ein Zimmer, obwohl es gar nicht notwendig ist. Andere Kinder brauchen die Privatsphäre eines eigenen Reichs und empfinden das Geschwisterzimmer als einen Einschnitt in ihre persönlichen Freiheiten.
Aus diesem Grund kann es auch keine abschließende Empfehlung für oder gegen ein geteiltes Kinderzimmer geben. Wichtig ist, das Thema ausführlich mit den Kindern zu besprechen und für Verständnis zu sorgen. Auch dann, wenn es aus Platzgründen keine andere Möglichkeit gibt.