Format: Interview – Mikrofon auf dem Tisch
Interview

Interview mit Timm Korth: Finanztipps für Alleinerziehende, getrennt Erziehende und Patchworkfamilien

Autor - Timm Korth

Frisch getrennt, alleinerziehend, getrennt erziehend oder schon Teil einer Patchworkfamilie – all diese Lebensformen bringen ganz eigene finanzielle Herausforderungen mit sich: Wer trägt welche Ausgaben? Wie funktioniert Kindesunterhalt? Wer kommt für Mehrkosten auf? Welche staatliche Unterstützung gibt es – und wie gelingt finanzielle Klarheit, wenn sich Familien neu zusammensetzen

Timm Korth ist Vater, lebt in einer internationalen Patchworkfamilie, arbeitet als Familienberater und unterstützt Patchworkeltern nach der Trennung beim Aufbau einer glücklichen PatchLoveFamily, wie er es nennt. In diesem Interview teilt er seine persönlichen Erfahrungen – und gibt praktische Finanztipps für alle, die sich nach einer Trennung (neu) aufstellen müssen.

Lesezeit: Etwa 8 Minuten
Frau mit roten Haaren sitzt ernst auf buntem Sessel, schreibt und rechnet.

Welche finanziellen Herausforderungen haben dich nach der Trennung am meisten beschäftigt?

Gleichzeitig Versorger zu sein und trotzdem den Kindern Stabilität zu geben – emotional wie finanziell – war eine echte Herausforderung. Ich wollte, dass sie ihren gewohnten Lebensstandard beibehalten können, selbst wenn sich alles andere verändert.

 

Plötzlich standen Trennungsunterhalt, Kindesunterhalt, Scheidungskosten und der Aufbau eines zweiten Haushalts im Raum. Dazu kamen noch Mehrkosten für einen Auslandsaufenthalt zusätzlich zu meiner eigenen Miete, die ich nun allein trug. Das war fordernd – aber auch eine Zeit, in der ich Verantwortung übernommen und Klarheit gesucht habe.

 

Besonders herausfordernd war das Thema Unterhalt: Uneinigkeit, Verzögerungen, Unsicherheiten in der Planung – das hat emotional und wirtschaftlich Kraft und auch Geld gekostet. Unsere internationale Patchworkfamilien-Konstellation mit zwei Wohnorten und grenzüberschreitender Organisation machte es zusätzlich komplex.

 

Was geholfen hat: den Überblick zu behalten, ehrlich hinzuschauen und mutig Entscheidungen zu treffen – für mich, für die Kinder und für ein stabiles Miteinander.

Welche Tipps hast du für Alleinerziehende und getrennt Erziehende, um finanziell gut aufgestellt zu sein?

Finanziell alleinerziehend zu sein kann Verschiedenes bedeuten: Der andere Elternteil ist verstorben – in diesem Fall lohnt sich ein Blick auf mögliche Ansprüche wie eine Halb- oder Vollwaisenrente. Ohne eine neue Partnerschaft (indem ein neuer Partner im eigenen Haushalt lebt) gelten Eltern in Deutschland steuerlich derzeit ebenfalls als alleinerziehend, mit Anspruch auf Steuerklasse II und dem entsprechenden Entlastungsbetrag. Das unabhängig davon, ob der andere Elternteil noch präsent, kaum erreichbar oder wenig unterstützend ist.

 

Für alle Fälle gilt: Um nach der Trennung finanziell gut aufgestellt zu sein, ist es wichtig, dass bestimmte Themen aktiv und klar geregelt werden. Dazu gehört:

  • die Klärung des Trennungsunterhalts, der dem einkommensschwächeren Elternteil in der Trennungszeit einen finanziellen Ausgleich bietet
  • der nacheheliche Unterhalt, dessen Anspruch und Höhe nach der Scheidung individuell festgelegt wird
  • der Kindesunterhalt, der nach der Düsseldorfer Tabelle berechnet wird.

 

Was viele nicht wissen: Das Jugendamt hilft kostenfrei beim Kindesunterhalt minderjähriger Kinder – von der Berechnung über die Beistandschaft bis hin zur Eintragung eines Unterhaltstitels, der im Zweifel für Sicherheit und Stabilität sorgt. Wird nicht gezahlt, kann – in bestimmten Fällen auch bei volljährigen Kindern in Ausbildung – die Unterhaltsvorschusskasse einspringen.

 

Auch getrennt Erziehende, die Verantwortung teilen, brauchen klare Absprachen: Wer übernimmt was? Wie werden Kindergeld, Mehrbedarf, Kleidung oder Freizeitaktivitäten fair geregelt? Wer hier ehrlich hinschaut, findet oft tragfähige Lösungen – auch, wenn die Voraussetzungen unterschiedlich sind.

 

Darüber hinaus gibt es staatliche Leistungen und Förderungen, die vielen gar nicht bekannt sind – aber viel bewirken können:

  • Kindergeld (je nach Betreuungsmodell)
  • Elterngeld und ElterngeldPlus (auch in Verbindung mit Elternzeit)
  • Kinderzuschlag
  • Steuerklasse II (für Alleinerziehende ohne neue Haushaltsgemeinschaft)
  • Halb- oder Vollwaisenrente (bei Tod eines Elternteils)
  • Wohngeld
  • Bildungs- und Teilhabepaket (für Haushalte mit geringem Einkommen)
  • Beratungshilfe – eine staatlich finanzierte Möglichkeit, anwaltlichen Rat bei rechtlichen Fragen in Anspruch zu nehmen
  • Prozesskostenhilfe, wenn ein gerichtliches Verfahren nötig wird und die finanziellen Mittel nicht ausreichen
  • Regionale Familienpässe und kommunale Entlastungsangebote

 

Finanzielle Stabilität nach Trennung bedeutet auch, Prioritäten neu zu setzen und den Lebensstil für eine Zeit anzupassen – nicht aus Mangel, sondern aus Verantwortung und Weitblick.

 

Ganz praktisch hilft ein digitales Haushaltsbuch (oder klassisch auf Papier), das Einnahmen und Ausgaben sichtbar macht – regelmäßig gepflegt und nach Kategorien geordnet. Das bringt Struktur in die Zahlen – und oft auch mehr Ruhe in den Kopf.

 

Auch die eigene Arbeitssituation verdient einen ehrlichen Blick. Wer in Teilzeit arbeitet und gleichzeitig alle Kosten trägt, kommt schnell an persönliche und finanzielle Grenzen. Vielleicht gibt es Möglichkeiten, die Stunden anzupassen, Weiterbildungen zu nutzen oder sich langfristig beruflich neu aufzustellen, um das Einkommen zu verbessern.

 

Nicht zu vergessen: das eigene Netzwerk. Menschen, die zuhören, mitdenken, spontan mal einspringen oder einfach da sind, wenn’s eng wird – entlasten oft mehr als jede staatliche Leistung. Wer sich traut, um Hilfe zu bitten oder Unterstützung anzunehmen, investiert in echte Stabilität – für sich selbst und für die Kinder.

 

Wie sieht es bei getrenntlebenden Eltern aus, die sich die Betreuung z. B: im Wechselmodell teilen?

Das Wechselmodell klingt gerecht – doch es entbindet nicht automatisch von finanziellen Pflichten. Viele denken: "Wir betreuen 50:50, also entfällt der Unterhalt." Aber das stimmt nur, wenn auch das Einkommen vergleichbar ist. In der Praxis verdienen viele Elternteile unterschiedlich – und dann ist auch beim Wechselmodell oftmals eine finanzielle Ausgleichszahlung notwendig.

 

Deshalb mein Rat: Offenlegen, was jede(r) verdient, sofern möglich, und klar über Ausgaben, Prioritäten sprechen. Frühzeitig verbindliche Absprachen treffen – schriftlich, am besten mit oder ohne moderierende Unterstützung, falls das Thema Finanzen emotional aufgeladen ist.

Patchworkfamilien bringen oft weitere finanzielle Herausforderungen mit sich. Was sind hier deine Tipps?

Patchworkfamilien vereinen verschiedene Herkunftsfamilien, Lebenswege und Werte – und bringen dadurch eine besondere Vielfalt ins gemeinsame Leben. Diese Vielfalt zeigt sich auch finanziell: Unterschiedliche Voraussetzungen, unterschiedliche Verpflichtungen und oft auch unterschiedliche Vorstellungen treffen aufeinander – und genau darin liegt das Potenzial, gemeinsam neue, faire Lösungen zu entwickeln.

 

Besonders sensibel ist das Thema rund um ungleiche Haushaltsbudgets: Wenn eine(r) mehr verdient als der/die andere, aber gemeinsame Wünsche und Vorstellungen für Urlaub, Freizeit oder Geschenke bestehen, braucht es ein gutes Miteinander. Offen über Bedürfnisse, Möglichkeiten und persönliche Grenzen zu sprechen – etwa darüber, wer was übernimmt, wie größere Ausgaben geplant werden oder wie viel individueller Spielraum jeder braucht – schafft Klarheit und Vertrauen.

 

Ein gemeinsames Haushaltskonto für laufende Ausgaben wie Miete, Strom oder Lebensmittel ist absolut hilfreich. Eine Aufteilung, die sich am Einkommen orientiert, ist dabei oft fairer als eine starre 50:50-Regelung – und sorgt für Ausgleich statt Schieflage.

 

Falls die unausgesprochene Erwartung aufkommt, dass der neue Partner oder die neue Partnerin „einfach die Kinder mitträgt“ ist wichtig zu verinnerlichen: Weder emotional noch rechtlich ist das selbstverständlich – und genau deshalb lohnt es sich, frühzeitig offen und wohlwollend ins Gespräch zu gehen. Wer ehrlich kommuniziert, schützt nicht nur die Partnerschaft, sondern stärkt das ganze Familiensystem – mit gegenseitigem Respekt und klaren Absprachen als Fundament.

Welche Rolle spielen Versicherungen für Alleinerziehende und Patchworkfamilien?

Wenn ein Elternteil die Hauptverantwortung trägt, sind Versicherungen ein wichtiges Sicherheitsnetz. Eine private Haftpflichtversicherung oder eine Unfallversicherung ist in jedem Fall sinnvoll, gerade mit Kindern. Wer Hauptverdiener*in ist, sollte über eine Risikolebensversicherung nachdenken, um die Familie im Ernstfall abzusichern. Auch eine Berufsunfähigkeitsversicherung ist empfehlenswert – denn ein plötzlicher Einkommensausfall kann massive Folgen haben.

 

In Patchworkfamilien sollten außerdem klare Absprachen getroffen werden: Wer ist über wen mitversichert (z. B. Was passiert im Krankheitsfall oder im Notfall? Wer darf Entscheidungen treffen? Diese Fragen klären nicht nur finanzielle, sondern auch rechtliche Unsicherheiten – und schaffen Sicherheit für alle Beteiligten.

Welche finanziellen Fehler sollte man vermeiden – egal ob getrennt erziehend oder in Patchwork?

Der größte Fehler ist, nicht über Geld und die Finanzen aus Scham oder Angst vor Konflikten zu sprechen. Es entstehen oft unausgesprochene Erwartungen, Missverständnisse oder Schuldgefühle – die auf Dauer mehr belasten als jedes Minus auf dem Konto.

Ein zweiter Klassiker: sich aus schlechtem Gewissen zu überfordern – alles selbst tragen zu wollen, um zu kompensieren, was emotional vielleicht nicht mehr da ist. Besonders in Patchwork-konstellationen führt das schnell zu Überforderung und stiller Entfremdung.

Auch alte Schulden oder finanzielle Verpflichtungen aus früheren Beziehungen dürfen offen angesprochen werden. Der Großteil der Beziehungen trennt sich aufgrund von Finanzproblemen, damit das kein zweites Mal passiert, ein stiller Rückzug passiert, dürfen die Themen auf den Tisch.

Offene Kommunikation ist hier der Schlüssel – nicht nur über Zahlen, sondern auch über Vorstellungen, Werte und emotionale Grenzen.

Was ist der größte Hebel für Eltern, wenn sie getrennt erziehen?

Ganz klar: Kooperation mit dem anderen Elternteil – sofern vorhanden. Auch wenn es schwerfällt – wer es schafft, getrennt und dennoch gemeinsam für die Kinder zu denken, hat langfristig die besten Chancen auf Stabilität. Klare Absprachen über (Kindes-)Unterhalt, Mehrkosten oder Betreuungszeiten und die Freizeitgestaltung der Kinder entlasten beide Seiten und vermitteln den Kindern das Gefühl: Unsere Eltern bekommen das gut hin, auch wenn sie nicht mehr zusammenleben. Kooperation ist kein Zeichen von Schwäche – sondern von Reife. Sie ist nicht nur emotional entlastend, sondern auch finanziell klug.

Wie können Eltern langfristig für ihre Kinder finanziell vorsorgen?

Kinder profitieren nicht nur von finanziellem Rückhalt, sondern auch davon, früh den Umgang mit Geld zu lernen. Frühzeitig ein Kinderkonto/ Sparkonto oder ein ETF-Sparplan sind gute Möglichkeiten, um langfristig vorzusorgen – etwa für den Führerschein, eine Ausbildung oder das erste eigene Zuhause.

 

Auch Modelle wie der Schweizer Jugendlohn oder das Prinzip des Budgetgelds sind hilfreich: Kinder bekommen einen festen monatlichen Betrag und lernen, Kleidung, Freizeit oder Schulmaterial selbst zu organisieren. Das fördert Selbstverantwortung und ein realistisches Gefühl für Geld.

 

Was den Familienverbund weiter stärkt: Großeltern sind oft bereit, zu unterstützen – wissen aber manchmal nicht wie. Ein liebevoller Impuls kann Türen öffnen, etwa für ein gemeinsames Sparziel für das Kind, an dem später beide große Freude haben, wenn die Enkel Oma und Opa mit dem frisch erworbenen mitfinanzierten Führerschein herumkutschieren.

Was ist dein wichtigster Rat für Eltern, die gerade in einer Trennung oder Patchwork-Konstellation leben?

Sprich über Geld, auch wenn es schwerfällt. Geld ist neutral. Es ist kein Beweis für Liebe, kein Ersatz für Beziehung, kein Maß für deinen Wert. Sind Schuldgefühle da, kompensiere sie anders als mit Geldgeschenken: Es zeigt oft nur, was noch ungeklärt ist, das spüren die Kinder. Wer das erkennt, kann neue Wege finden – in Verbindung, Verantwortung und Selbstwirksamkeit.

 

Oder wie Sokrates sagte: „Sprich, damit ich dich sehe.“

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