Viele Mütter kennen das: das Verhältnis zur Schwiegermutter ist oft angespannt, obwohl diese „eigentlich“ doch völlig in Ordnung ist. Besonders, wenn es um die (Enkel-) Kinder geht, kann es zu offenen Auseinandersetzungen kommen. Manchmal führt der Streit sogar zum Bruch der Beziehung, worunter dann alle leiden – besonders die Kinder. Wir haben die Münchner Paartherapeutin Dr. Judith Gastner gefragt, warum es so oft zu Schwierigkeiten zwischen Schwiegermüttern und Schwiegertöchtern kommt, wie sich das für den Partner anfühlt und was man tun kann, um die Beziehung zu verbessern.
Da muss ich ein kleines bisschen ausholen: Wir als Eltern möchten ja alle, dass es unseren Kindern gut geht – und haben seit deren Geburt (bzw. bereits während der Schwangerschaft) eine ganze Menge dafür getan. Niemand kennt das eigene Kind so gut wie die Eltern – in der Regel vor allem die Mütter, die in den ersten Wochen und Monaten die meiste Zeit mit ihrem Frischling verbringen. Alle Mamas (und natürlich Papas) bemühen sich ja nach Kräften, jeden Mucks ihres Babys richtig zu deuten und die Bedürfnisse des geliebten Wesens bestmöglich zu stillen.
Das Baby wird zum Kleinkind, krabbelt, läuft, fängt an zu sprechen. Der Außenstehende hört: „Wäh brabbel jak möle!“. Die Mutter antwortet souverän: „Na klar kannst Du Dich in Deine Höhle legen, wenn Du nicht mehr herumkrabbeln willst.“ Die Eltern verstehen am schnellsten, was ihr Kind will, und können meist auch am besten einschätzen, was es in welcher Situation braucht.
Aus den Kleinkindern werden Kindergartenkinder. Schulkinder. Erwachsene. Und die meisten Eltern, v.a. Mütter, machen sich nach wie vor viele Gedanken darüber, was ihrem Schatz gut tun würde und was er brauchen könnte zum Glücklichsein. Oft auch dann noch, wenn das Kind gerade seinen 34. Geburtstag gefeiert hat, vor 15 Jahren ausgezogen ist, seit mehr als einem Jahrzehnt berufstätig ist und selbst ein Kind hat. Und ganz zufällig… unser Partner ist.
Schwiegermütter sind also in erster Linie auch nur Mütter, die (noch immer) „nur das Beste“ für ihr Kind wollen. In diesem Sinne sitzen wir also in einem Boot. Jetzt allerdings kommt das „Aber“: Mütter sind in den allermeisten Fällen nicht mehr die Hauptbezugspersonen, die ihren Sohn als einzige so richtig gut kennen. Der erwachsen gewordene Sohn hat womöglich ein paar Verhaltensmuster und Vorstellungen vom Leben, von denen die Mutter nicht mehr viel weiß. Und sich zudem vielleicht noch eine Partnerin ausgesucht, die total anders ist als Mama.
Und diese Partnerin (also wir!) hat selbst ein Gespür dafür, was sich im Leben gut anfühlt und was nicht. Und kennt auch ihren Mann vermutlich recht genau. Auch wenn die (Schwieger-)Mutter ihrem Sohn vor 30 Jahren am nächsten gestanden haben mag: der Kerl ist mittlerweile groß und WIR verbringen die meiste Zeit mit ihm. Das ist oft der Hintergrund dafür, dass ein Gefühl von Konkurrenz und Anspannung in der Luft liegt.
Das Absurde: Manchmal kommt bei diesem Thema schon Sand ins Getriebe, noch bevor überhaupt ein Enkelkind auf der Welt ist. Zum Beispiel dann, wenn sich die Schwiegereltern in die Familienplanung einmischen:
Oder wenn unsere Freude über die aufregende Nachricht nicht geteilt wird:
Solche Sätze sitzen. Und können erst mal schwer verdaut und noch schwerer vergessen werden. Weil sie uns werdende Mütter bzw. Frauen mit Wunsch nach Selbstbestimmung an einem ganz empfindlichen Punkt treffen. Und einen Bereich berühren, an dem wir sehr verletzlich sind. Und doch ist es für den eigenen Seelenfrieden wichtig, solche unsensiblen Sätze irgendwann zu vergeben und quasi wegzupacken und den Deckel zuzumachen. Denn selbst solche Spitzen sind in den seltensten Fällen gezielt gegen uns gerichtet gewesen. Keine Schwiegermutter überlegt sich vor einem Treffen: „Wie könnte ich meine Schwiegertochter denn heute am allerfiesesten fertig machen… Ah ja! Beim Thema Kinderkriegen werde ich sie nachher so richtig schön tief verletzen…“
Vielmehr war derjenige, der solche Aussagen herausschleudert (z.B. Schwiegermutter oder Schwiegervater), im Moment des Redens offenbar (noch) nicht imstande, sich in den anderen (Schwiegertochter oder Sohn) hineinzuversetzen, sondern hatte erst einmal mit eigenen Sorgen und Bedenken zu kämpfen.
Wenn beispielweise die Schwiegereltern mit dem Älterwerden hadern, kann – mit etwas Abstand – ihre unsensible erste Reaktion beim Thema „Noch ein Kind“ vielleicht nachvollzogen werden:
Je mehr Enkel -> desto mehr Konfrontation mit dem eigenen Gefühl des Überfordertseins und der schwindenden Kräfte -> desto größer die Angst, bei der Betreuung der Enkelkinder nicht mehr tatkräftig unterstützen zu können -> desto schmerzlicher die Wahrnehmung, alt zu werden.
Oder: Je stärker Schwiegermutters eigener Wunsch in jungen Jahren, die Welt zu bereisen (was wegen der eigenen frühen Familiengründung dann vielleicht nie geklappt hat) -> desto größer der Auftrag an das junge Paar, gefälligst erst einmal viele tolle Reisen zu machen, bevor es ans Kinderkriegen geht.
Oder: Je länger die eigene Tochter ungewollt kinderlos ist -> desto stärker der (schwiegermütterliche) Wunsch, alle für ihre Tochter frustrierenden Nachrichten abzuschirmen und -> desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass Schwiegermama nicht sofort jubiliert über die tolle Neuigkeit.
Wenn die Enkelkinder dann erst einmal da sind, möchten Schwiegermütter ihre Lebens- und Erziehungserfahrung noch einmal mit einbringen. Nach wie vor wollen sie „nur das Beste“ für ihren Sohn - und ganz bestimmt auch für dessen Kinder, also die Enkel. Aber diese Enkel sind nun mal (auch bzw. in erster Linie) die Kinder der Schwiegertochter. Und „das Beste“ der Schwiegermutter ist eben nicht automatisch „das Beste“ für die Schwiegertochter und deren Kinder...
Mütter (und natürlich auch Väter) von kleinen Kindern sind, wie bereits gesagt, besonders sensibel dafür, wie andere Menschen mit ihrem Sprössling umgehen. Und diesmal wissen WIR am besten, was für unseren Liebling aktuell gut ist und was nicht. Die Vorstellungen von einem angemessenen Umgang mit Kindern, die unsere Schwiegermutter vor 30 Jahren hatte und vielleicht noch heute vertritt, können deutlich von unseren eigenen abweichen. Da können Welten aufeinanderprallen.
Wenn junge Mütter von ihren Schwiegermüttern ungefragt Ratschläge bekommen oder sich Kommentare über ihren Umgang mit den Kindern oder ihre Rituale als Familie anhören müssen (egal wie „gut gemeint“ sie auch sein mögen), ist es nicht immer einfach, „geschmeidig“ zu bleiben…
Da stehen einfach zwei Generationen von Löwenmüttern einander gegenüber.
Für die Männer ist die Situation kompliziert: Komplett raushalten geht meistens nicht. Dem erwachsenen leiblichen Kind kommt – gewollt oder ungewollt – eine vermittelnde Funktion zu. Er sollte einerseits die Loyalität zu seiner Partnerin halten und das auch bei womöglich mäkeligen (Schwieger-) Mutter-Aussagen und Grenzüberschreitungen signalisieren, z.B.: „Mama, danke für Deinen Hinweis. Wir wissen ja, dass Du Dir viele Gedanken machst und es nur gut meinst. Aber Du kannst Dir sicher sein: Wir haben uns in Ruhe miteinander überlegt, warum wir das momentan genau so machen, wie wir’s gerade tun.“
Das leibliche Kind sollte aber auch dabei helfen, dass die (Schwieger-)Mutter möglichst „erhobenen Hauptes“ aus einer angespannten Situation hervorgehen kann und sich ihrerseits nicht allzu sehr vor den Kopf gestoßen und verbal „abgewatscht“ fühlt. Er könnte also z.B. hinzufügen: „Wenn wir uns mit irgendetwas unsicher fühlen und Euch dann um Rat fragen dürfen: Prima! Momentan passt aber zum Glück alles soweit…“
Das kann sonst schnell zu einem Teufelskreis aus weiteren Missverständnissen und Verletzungen führen. Den passenden Satz im passenden Ton im passenden Moment zu formulieren, ist aber natürlich gebührend schwer.
Generell sollte der erwachsene Sohn seine Partnerin möglichst in Richtung Toleranz und Wertschätzung stützen: „Come on. Lassen wir meine Mutter sein, wie sie ist. Wir werden sie vermutlich nicht mehr ändern können… Das Wichtigste ist doch: Wir beide wissen, dass wir‘s insgesamt gut machen und warum wir was entschieden haben …“
Wir sollten versuchen, alle Einstellungen und Verhaltensweisen zu aktivieren, die uns z.B. auch im Job nützlich sind, also in Konstellationen, in denen wir uns ja auch oft nicht die Menschen aussuchen können, mit denen wir viel zu tun haben möchten.
Das heißt: Sich freundlich abgrenzen. Den anderen möglichst so sein lassen, wie er ist. Sich um Toleranz und Wertschätzung bemühen. Immer wieder tief durchatmen und lieber „eine kleine Runde drehen“, bevor eine Situation eskaliert.
Toleranz fängt ja genau da an, wo das Genervtsein einsetzt. Wenn wir also denken: „Muss die sich da jetzt schon wieder einmischen?!“ Oder: „Den Kommentar hätte sie sich mal besser sparen sollen…“.
Wir haben uns zwar unseren Partner ausgesucht – aber die Sippe des anderen gratis mit dazu bekommen. Ob sie uns nun sympathisch ist oder nicht.
Hilfreich ist natürlich auch, wenn man sich als Paar einig darüber ist, wie die jeweilige Mutter bzw. Schwiegermutter „zu nehmen“ ist – wenn sich also beide immer wieder (möglichst mit einer ordentlichen Portion Humor) darüber verständigen, wie Kommentare und Ratschläge der (Schwieger-) Mutter einzuordnen sind. Und beide trotzdem auch miteinander bewusst versuchen, den Scheinwerfer auf deren positive Seiten zu lenken:
So in der Art. Über fast jede (Schwieger-) Mutter lässt sich bestimmt auch Gutes sagen.
Generell sollte man am besten nicht alle Pfeile auffangen und persönlich nehmen, sondern sich möglichst oft quasi zur Seite drehen und aus der Schusslinie gehen. Die meisten vermeintlichen Schüsse waren nämlich eh nicht als Spitzen gedacht, sondern wieder mal Varianten aus Schwiegermuttis – womöglich etwas verstaubter - „Ich mein’s ja nur gut“- oder „Ich hab schließlich auch Kinder großgezogen“- Kiste.
Und was soll’s: Die Schwiegermutter darf es ja auch gut meinen und soll sich nicht permanent auf die Zunge beißen müssen, wenn sie mit uns zusammen ist. Eigentlich können wir sowieso ganz entspannt sein, denn wir wissen ja: Sobald wir wieder alleine Zuhause sind, machen wir einfach alles ganz genau so weiter, wie WIR es wollen und wie es sich für UNS richtig anfühlt.
Es kann wichtig sein, vor Begegnungen und Telefonaten gleichsam „in Drachenblut zu baden“ und sich auf Unempfindlichkeit einzustellen. Wenn wir eh schon im Vorfeld wissen, dass bei Schwiegermutter-Dates mit ein paar für uns nervigen Kommentaren zu rechnen ist, sollten wir versuchen, da ab sofort elegant darunter hindurch zu tauchen – und nicht mehr darauf anzuspringen, nach dem Motto: „Ich entscheide ab sofort selbst, von wem ich mich ärgern lasse!“ Anerkennung, Ermutigung und Lob holen wir uns zwischendurch am besten von unseren Freundinnen (und unserem Partner) ab, die ganz genau wissen, wie anstrengend der Alltag mit kleinen Kindern oft ist:
Und mal Hand aufs Herz: Mit Freundinnen die schrägsten Schwiegertiger-Tipps und -Kommentare auszutauschen, kann ja sogar recht amüsant sein. Wenn Leidensgenossinnen nach Schwiegereltern-Besuchen alle Ungefragte-Tipps-des-Tages zusammentragen würden, käme vermutlich ein absurdes Sammelsurium an T-Shirt-Sprüchen für junge Mütter dabei heraus:
Wie schon gesagt: Sich vor, bei und nach jeder Begegnung ganz bewusst darum bemühen, die guten Seiten des anderen (in diesem Fall: der Schwiegermutter) in den Vordergrund zu holen. Vielleicht ist ja tatsächlich doch die eine oder andere hilfreiche Empfehlung für uns dabei. Tatsache ist ja, dass die Generation der Eltern und Schwiegereltern schon ein paar Jahre mehr als wir „auf dem Buckel“ hat. Wenn wir ernsthaft an den Erfahrungen der Älteren interessiert sind, kann ein Austausch ja durchaus bereichernd sein.
Als junge Eltern wünschen wir uns natürlich, dass unsere Bemühungen ums Kind auch von den eigenen Eltern bzw. Schwiegereltern geschätzt werden. Und dass (im Idealfall) unsere Einstellungen und Erziehungsvorstellungen im Großen und Ganzen geteilt werden und wir Anerkennung für unser Engagement bekommen. Daher würde es bestimmt jeder Frau gut tun, von ihrer Schwiegermutter zu hören: „Du kannst wirklich stolz auf dich sein. Du machst das toll mit den Kindern und überhaupt. Unser Sohn hat ein riesen Glück, dass er dich gefunden hat! Wir haben dich auch gleich ins Herz geschlossen... ihr seid eine klasse Familie!“
Eventuell werden wir das so nicht oft gesagt bekommen. Vielleicht noch nicht mal im Ansatz. Deshalb hilft es, wie gesagt, sich Support bei seinen Freundinnen (und natürlich dem Partner) zu holen und die Erwartungen an positives Feedback von den Schwiegereltern eher herunter zu schrauben.
Aber was würde eigentlich passieren, wenn wir uns als Schwiegertochter ein Herz fassen und zur Schwiegermutter in einem ruhigen Moment sagen würden: „Muttersein hört nie auf, stimmt’s? Jetzt, wo ich selbst Mama bin, kann ich Vieles besser nachvollziehen. Wie war das eigentlich damals bei dir, als …? Wie hast du das hingekriegt, wenn…? Hättest du irgendetwas gerne anders gemacht, wenn das damals möglich gewesen wäre…? Warst du manchmal auch unsicher, ob…?“
Ein Gespräch von Frau zu Frau. Von Mutter zu Mutter. Am besten einfach mal ausprobieren!
Auf die erste Frage gibt es keine pauschale Antwort. Jede Familie muss selbst schauen, was für sie am besten passt und wie viel Kontakt realisierbar ist. Generell sollten aber den Kindern die Großeltern möglichst nicht vorenthalten werden, wenn Kontakt irgendwie vertretbar erscheint (also die Schwiegereltern prinzipiell in der Lage und willens sind, sich mit ihren Enkeln zu beschäftigen), v.a. wenn die Kinder einen guten Draht zu Oma und / oder Opa haben.
Falls die (als anstrengend erlebten) Schwiegereltern nicht allzu weit weg wohnen, kann es angenehmer sein, etwas häufigere und dafür kürzere Kontakte zu arrangieren. Mal anderthalb Stündchen am Nachmittag sind vielleicht gut zu bewerkstelligen, ohne dass die Nerven allzu sehr strapaziert werden. Also lieber am Nachmittag eine Runde zusammen zum Spielplatz oder mit Brötchen vorbeikommen und eine Stunde miteinander frühstücken als weiterhin am Sonntags-Klassiker festhalten: Ankunft Vormittag. Mittagessen für alle. Kaffee und Kuchen am Nachmittag. Evtl. noch Häppchen am Abend. Obwohl spätestens beim Kaffeetrinken schon die Nerven blank liegen.
Wenn die Schwiegereltern weiter weg wohnen, geht das so oft leider nicht. Dann muss aufgrund der längeren Anreise evtl. sogar (mehrmals) übernachtet werden, damit sich das Treffen lohnt. Da ist es dann ganz besonders wichtig, die eigenen Wünsche und Vorstellungen von einem gelungenen Zusammensein freundlich und klar im Vorfeld abzuklären, z.B.:
Sehr wichtig ist, dass der Draht zwischen Großeltern und Enkeln möglichst nicht reißt. Vielleicht klappt es ja ganz gut, wenn die Kinder häufiger zwischendurch mal mit Oma und Opa telefonieren oder skypen oder sich kleine Videogrußbotschaften oder Sprachnachrichten hin und her schicken. Da freuen sich die Großen und die Kleinen – und die Schwiegertöchter und Söhne müssen nur die Medien zur Verfügung stellen und sind ansonsten einfach mal außen vor.