"Soll ich mich trennen?" Diese Frage kann dich als Elternteil besonders herausfordern, da sie nicht nur dein eigenes Leben, sondern auch das deiner Kinder tiefgreifend beeinflusst. Eine Entscheidung, die schwerer kaum sein könnte. Solltest du dafür kämpfen, die Familie zusammen zu halten und um Stabilität bemüht sein oder ist eine Trennung der bessere Weg für alle Beteiligten? Stabilität kann sich in ganz unterschiedlichen Konstellationen wiederfinden. In diesem Artikel erfährst du, welche Faktoren bei dieser schwierigen Entscheidung wichtig sind und wie du sowohl deine Bedürfnisse als auch die deiner Kinder in den Mittelpunkt stellst.
Die Frage „Soll ich mich trennen“ kommt in aller Regel nicht von heute auf morgen aus dem Nichts. Stattdessen entsteht sie üblicherweise dann, wenn die Beziehung in eine tiefere Krise gerät.
Anzeichen, dass das passiert ist, sind u.a.:
Eine so wichtige Entscheidung wie die einer Trennung sollte nicht im Affekt getroffen werden. Auch in einer Beziehungskrise ist es unbedingt empfehlenswert, Trennungsgedanken nicht überstürzt in die Tat umzusetzen. Damit du die Entscheidung nicht später bereust, solltest du wichtige Faktoren zunächst ausführlich abwägen und dich bei diesem Prozess begleiten lassen. Im Folgenden erfährst du, welche Aspekte besonders relevant sind.
Für Kinder ist die Trennung der Eltern in jedem Alter eine große Veränderung. Die Familie, die sie mal kannten, gibt es dann nicht mehr. Sie sind gezwungen, sich mit einem neuen Umgang der Eltern untereinander zurechtfinden und meist mit einer neuen Umgebung und Wechseln zwischen den Standorten der Eltern.
Allzu leicht können Loyalitätskonflikte zwischen den Eltern entstehen („Auf wessen Seite stehe ich?“) und gerade anfangs wird der Elternteil, der gerade nicht da ist, vermisst. Neue Lebensgefährten können hinzukommen oder die Eltern sind ängstlich und angespannt, weil auch für sie alles anders wird. All das sind Herausforderungen, die Kinder gut bewältigen können, wenn sie angemessen begleitet werden. Dazu ist es wichtig, dass Eltern sich dieser Herausforderungen bewusst sind.
Folgende Fragen beschäftigen Kinder ganz besonders:
In einer tiefen Beziehungskrise wirkt die Trennung manchmal wie eine Erlösung. Doch es ist wichtig, auch die längerfristigen emotionalen Folgen in den Blick zu nehmen. Auf eine erste Phase der Erleichterung folgt oft Trauer und Schmerz über den Verlust einer einst liebevollen Beziehung. Der Mensch, der gerade so viele unangenehme Gefühle in mir auslöst, ist plötzlich nicht mehr Bestandteil meines Lebens. Trennung bedeutet eben auch, dass eine, oft die wichtigste, Vertrauensperson weg fällt. Abends ist plötzlich niemand mehr da und man kann sich einsam fühlen. Auch Schuldgefühle können aufkommen, wenn das Gegenüber schlecht mit der Entscheidung zurechtkommt oder die Kinder sich mit der Veränderung schwertun.
Eventuell wird die verlassende Person mit starken Gefühlen und Verhaltensweisen reagieren, weil sie so verzweifelt ist und es ihr den Boden unter den Füßen wegzieht.
All das sind Teile des Prozesses, die sehr herausfordernd sein können. Doch eine sorgfältige, langsame Entscheidungsfindung und viele ruhige Gespräche ziehen oft weniger emotionale Krisen nach sich als eine extrem schnelle Entscheidung aus dem Bauch heraus.
Jede Trennung betrifft auch die Finanzen und die Alltagsorganisation – mit Kindern meist umso mehr.
Auf die folgenden Fragen brauchst du bei einer Trennung Antworten:
Werte und unerfüllte Bedürfnisse bewusst machen
Bevor du dich trennst, mache dir bewusst, was dir in deinem Leben wirklich wichtig ist. Schreibe dir z. B. 5 wichtige Werte und/oder Bedürfnisse auf, die dir wichtig sind. Versuche Antworten auf folgende Fragen zu finden. Diese Fragen solltest du dir ganz unabhängig von einem anderen Menschen beantworten, in den du dich vielleicht verliebt hast.
Offene Kommunikation
Die erste Person, mit der du über die Trennungsgedanken sprichst, ist optimalerweise deine Partnerin bzw. dein Partner. Auch wenn es schwerfällt – nur, wenn du ehrlich bist, hat er oder sie die Chance, zu verstehen, wie unzufrieden du wirklich bist und darauf zu reagieren. Selbst wenn du nicht weißt, ob du euch noch eine Chance geben kannst – es ist wichtig, dass ihr beide wisst, woran ihr seid.
Natürlich gilt das nicht, wenn du in deiner Beziehung Gewalt ausgesetzt bist und dich eine offene Kommunikation in Gefahr bringen würde. Dann wende dich gerne an das kostenlose, anonyme Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen (116 016).
Pro und Contra Trennung
Zur Klärung der Frage „Trennung oder Zusammenbleiben“ kann es hilfreich sein, einmal ganz nüchtern eine Pro/Contra-Liste zu schreiben. Selbstverständlich sollte eine Paarbeziehung nie nur auf nüchternen Kosten-Nutzen-Abwägungen bestehen. Doch gerade, weil so viele Emotionen eine Rolle spielen, kann es nützlich sein, einmal ganz sachlich aufzulisten, was für uns was gegen eine Trennung spricht. Dabei dürfen auch verschiedene Perspektiven eingebracht werden, zum Beispiel auf der Liste „Contra Trennung“ Wechselsituationen für die Kinder und finanzielle Einbußen für die Elternteile und bei „Pro Trennung“ Aspekte wie „Ein Neuanfang“ für die Elternteile und „weniger Streit im Alltag zwischen den Eltern“ für die Kinder.
„Was wäre, wenn?“
Auf Basis der Pro/Contra-Liste kannst du dir einfach mal zwei Szenarien aufschreiben: Das erste Szenario steht unter der Überschrift „Wie wird mein Leben wahrscheinlich in den nächsten fünf Jahren weitergehen, wenn ich mich trenne?“ und das andere „Wie wird mein Leben wahrscheinlich in den nächsten fünf Jahren verlaufen, wenn ich bleibe?“ Natürlich sind all das nur Spekulationen. Aber diese Übung kann aufdecken, welche Erwartungen, Hoffnungen und Sorgen dich leiten und du kannst einmal nachspüren, wie sich welches Szenario zumindest imaginär anfühlt.
Rückmeldungen aus dem Umfeld und von Fachpersonen
Manchen Menschen liegt ihr Herz quasi auf der Zunge, andere behalten persönliche Themen wie Beziehungskrisen lieber für sich. Doch spätestens, wenn du über Trennung nachdenkst, lohnt es sich, dich Menschen anzuvertrauen und ihre Meinung einzuholen. Das können Vertrauenspersonen sein, die du gut kennst. Aber auch eine Paarberatung ist in einer Beziehungskrise eine gute Idee, ebenso wie eine Lebensberatung für dich selbst. Grenze dich in dieser Phase von Menschen ab, die dich verurteilen oder mit gut gemeinten Ratschlägen an dich herantreten, obwohl du gar nicht nach ihrer Meinung gefragt hast. Dies kann dazu führen, dass du eine Entscheidung triffst, die nicht deinen Bedürfnissen entspricht.
Das Ruder nochmal rumreißen
Nicht jede Beziehungskrise muss zur Trennung führen. Krisen können auch Chancen sein, etwas grundlegend zu ändern und gemeinsam unter anderen, besseren Bedingungen weiterzumachen. Wenn du nur eine kleine Chance siehst, dich darauf einzulassen, ist ein Versuch meist lohnenswert. Dabei ist fachliche Begleitung sehr wichtig, denn wir selbst sind oft viel zu verstrickt in alte Muster und Routinen und brauchen eine frische, neutrale Perspektive. Wendet euch gern an Paarberatungsstellen und bittet um kostenfreie Beratungsgespräche. Diese können meist auch allein begonnen werden, wenn zunächst nicht beide bereit sind.
Entscheiden und konstruktiv weitermachen
Nimm‘ dir Zeit, wäge gut ab und schließlich – entscheide. Und dann schau‘ nach vorn. Versuche die Trennung so fair und respektvoll wie möglich zu gestalten, denn Kinder leiden vor allem dann, wenn die Trennung mit viel Anfeindung und Anspannung einhergeht. Versuche, deine(n) Ex niemals vor den Kindern schlecht zu reden, denn das stürzt Kinder in Loyalitätskonflikte. Lass‘ dich gern auch in einer Familienberatungsstelle beraten, worauf du achten solltest, damit deine Kinder die Trennung bestmöglich verarbeiten können.
Wenn du die Person bist, die sich trennt, mache dir bewusst, wie verzweifelt und geschockt dein Partner/deine Partnerin sein wird. Versuche, dich bei Anfeindungen nicht auf die gleiche negative Ebene zu begeben. Mache dir immer wieder bewusst, wie sehr die Kinder davon profitieren, wenn du selbst friedvoll bleibst, egal wie die Reaktion deines Partners/deiner Partnerin ist.
Gerade bei einer Trennung trotz Kindern gilt es, viele Aspekte in den Blick zu nehmen. Deshalb ist es so wichtig, sich gut begleiten zu lassen und gerne auch Überlegungen zu verschriftlichen. Das hilft auch später, wenn du dich mal fragst, warum und wie genau eigentlich so gekommen ist. Denn Traurigkeit und Schmerz über den Verlust sind Teil des Weges und bedeuten nicht, dass die Entscheidung nicht richtig war. Aber auch wenn du dich entscheidest, an der Beziehung zu arbeiten, hilft eine gründliche Auseinandersetzung, klarer zu sehen, was sich für dich ändern darf.