Wenn Eltern sich trennen, wird nicht nur die Welt der Erwachsenen auf den Kopf gestellt. Du fragst dich vielleicht: Was macht eine Trennung mit meinem Kind? Kinder zeigen unterschiedliche emotionale Reaktionen auf diese Veränderung – verständlicherweise, denn sie müssen sich an ganz neue Lebensbedingungen gewöhnen. Im Folgenden liest du, welche kindlichen Reaktionen zu erwarten sind und lernst wertvolle Strategien zur Unterstützung deines Kindes in Bezug auf Trennung und Scheidung.
Eine Trennung der Eltern wirkt sich oft stark auf die Psyche und Emotionen von Kindern aus. Dabei unterscheiden sich die kurzfristigen und langfristigen Folgen je nach Altersphase und Reife des Kindes. Ob Wutanfälle, Traurigkeit oder Rückzug – die Reaktionen können vielfältig sein. Es ist wichtig, diese Veränderungen zu erkennen und deinem Kind entsprechend seiner Entwicklungsstufe die Unterstützung zu bieten, die es braucht.
Wenn ein Kind erfährt, dass die Eltern sich trennen werden, bedeutet das in den meisten Fällen, dass ein Kind einen großen Schock erlebt. Sicherlich gibst du dir die größte Mühe, deinem Kind die Botschaft in einer ruhigen Situation, einfühlsam und liebevoll zu vermitteln. Und dennoch reagieren viele Kinder mit starken Gefühlen wie Ängste, Traurigkeit, Wut und Verwirrung, Neid auf das Geschwisterchen usw. Nicht immer ist für Eltern deutlich zu erkennen, dass sich hinter bestimmten Verhaltensweisen die große Verlustangst, ausgelöst durch die Trennung, versteckt. Es treten auch Schuldgefühle auf, im Sinne von „Bin ich schuld, dass sich meine Eltern trennen? War ich böse in letzter Zeit? Wegen mir habt ihr euch oft gestritten!“
Kinder neigen dazu, alles auf sich zu beziehen und können sich schnell schuldig fühlen. Es ist wichtig, dass du diesen möglichen Gedanken selbst ansprichst und deutlich machst, dass dein Kind nicht die Ursache ist, sondern das Problem nur zwischen euch Erwachsenen liegt.
Mache auch immer wieder ganz deutlich, dass ihr als Erwachsene die Verantwortung übernehmt, denn sonst beginnen Kinder sich um die Eltern zu kümmern. Sie stellen sich dann meist auf die Seite des Elternteils, das auf sie schwächer wirkt. Das kannst du daran erkennen, wenn dein Kind versucht, besonders brav oder lieb zu sein.
Diese Sätze können dir helfen:
Wenn der erste Schock überwunden ist, ist es wichtig, auch die längerfristige Verarbeitung der Trennung im Blick zu haben. Langfristige Reaktionen sind manchmal subtiler – so können Vertrauensprobleme und Beziehungsängste entstehen, wenn ein Kind sich zum Beispiel fragt: „Wenn sogar meine Eltern nicht zusammenbleiben, auf wen kann man sich dann überhaupt noch verlassen? Was ist stabil in diesem Leben?“ Auch die schulischen Leistungen können schlechter werden, weil das kindliche Gehirn einfach gerade mit anderen Themen beschäftigt ist als mit Kopfrechnen oder Englisch-Vokabeln und die Konzentration darunter leiden kann.
Ein Kleinkind kann kognitiv noch nicht erfassen, was genau eine Trennung für die Paar- und Elternebene bedeutet. Es spürt die praktischen Auswirkungen – z. B., dass es an wechselnden Orten wohnt und manchmal den Vater oder die Mutter vermisst. Und womöglich auch, dass die Eltern angespannter miteinander umgehen – vielleicht aber ebenso, dass die Eltern langsam ausgeglichener wirken, wenn sie merken, dass die Trennung der richtige Schritt war. Ihren Verarbeitungsstress zeigen Kleinkinder oft durch Schlafprobleme, verstärkte Wutausbrüche, vermehrtes Weinen oder Anhänglichkeit.
Schulkinder können schon besser begreifen, was Trennung und Scheidung bedeuten. Manchmal neigen sie sehr dazu, es ihren Eltern recht machen zu wollen und verschweigen, dass sie mit den neuen Lebensumständen nicht gut zurechtkommen. Loyalitätskonflikte können schnell entstehen, weshalb Eltern vermeiden sollten, vor dem Kind schlecht über den anderen Elternteil zu reden oder das Kind „vor die Wahl“ zwischen den Eltern zu stellen. Oft entwickeln Schulkinder, wenn sie eine Trennung verarbeiten, Bauch- oder Kopfschmerzen, knibbeln an den Fingernägeln oder zeigen auf einmal vorher unbekannte Ängste.
Jugendliche haben teils schon eigene Erfahrungen mit Paarbeziehungen. Sie wissen, wie es ist, verliebt zu sein und vielleicht auch schon, sich zu trennen. Dennoch ist es für sie keine Kleinigkeit, wenn die Eltern, die in der Regel der sichere Hafen sind, auf einmal auseinander gehen. Vermeintliche Selbstverständlichkeiten des Alltags gibt es nun nicht mehr und das in einer Phase, in der sich für die Jugendlichen selbst körperlich und emotional ohnehin viel verändert. Junge Menschen ziehen sich nach einer Trennung oft verstärkt zurück oder fokussieren sich stärker auf den Freundeskreis. Auch ein Betäuben der Gefühle mit Alkohol oder Drogen kann vorkommen. Solche gelegentlichen Ausrutscher sind nicht grundsätzlich ein Drama – Eltern sollten aber im Blick haben, ob sich hier ungünstige Gewohnheiten bilden.
„Verhaltensauffällig“ klingt oft abwertend, gemeint ist aber einfach ein Verhalten, das über das zu erwartende Ausmaß hinaus geht. Darauf zu achten ist wichtig, um rechtzeitig ausreichende Hilfestellung geben zu können. Appetitlosigkeit, unerklärliche Schmerzen, verstärkter Rückzug, Wutausbrüche, schulische Probleme, Schlafstörungen, Fluchten in die virtuelle Welt oder bei Jugendlichen in das Partyleben … all das kann vorübergehend Teil der Verarbeitung sein und muss nicht sofort bedeuten, dass dein Kind nicht mit der Trennung zurechtkommt. Wann hingegen deine Alarmglocken schrillen sollten, erfährst du im Folgenden.
Aus kinderpsychologischer Sicht sind Verhaltensweisen oder emotionale Reaktionen dann bedenklich, wenn sie das Kind daran hindern, sich gesund zu entwickeln und seinen Alltag gut zu bewältigen. Wesentlich ist auch der Aspekt der „Dauer“. Spätestens, wenn die Auffälligkeiten länger als 2-3 Wochen anhalten gilt es, genauer hinzuschauen.
Wichtige Kriterien, die Warnzeichen darstellen, sind z. B.:
Manche Symptome sind so deutlich, dass unabhängig von der Dauer ihres Auftretens Eltern unbedingt fachlichen Rat einholen sollten. Das beinhaltet Selbstmordgedanken ebenso wie erhebliche Straftaten oder Selbstverletzung.
Als Mutter oder Vater willst du dein Kind bestmöglich durch diese herausfordernde Phase begleiten. Hier einige Impulse, wie du das praktisch umsetzen kannst:
Entscheidend für die Verarbeitung einer Trennung ist auch, wie die Eltern sich dem Kind gegenüber emotional verhalten.
Folgende Strategien sind empfehlenswert:
Diese Sätze können dir dabei helfen:
Wichtig ist nicht nur, was du deinem Kind sagst – ebenso relevant ist, wie du dich selbst verhältst, denn wir Eltern sind Vorbilder für unsere Kinder.
Ein positives Vorbildverhalten nach einer Trennung bedeutet u.a.:
Wenn dein Kind über längere Zeit Auffälligkeiten zeigt, sprich am besten mit der Kinderärztin oder dem Kinderarzt oder einer Familienberatungsstelle (www.dajeb.de).
Frage auch einige Monate und in den ersten Jahren der Trennung immer mal wieder dein Kind, wie es die aktuellen Routinen und Lösungen empfindet und, was es sich vielleicht anders wünschen würde. Mache deutlich, dass Betreuungsmodelle, Vereinbarungen usw. nicht in Stein gemeißelt sind. Bedürfnisse können sich ändern – bei Eltern und bei Kindern.
Bei länger andauernden trennungsbedingten Problemen, ist es oft ratsam, auch die Kita oder Schule einzubeziehen. Erzieher*innen, Lehrkräfte und Schulsozialarbeiter*innen können das Kind oft besser begleiten, wenn sie verstehen, womit es gerade zu kämpfen hat.
Als alleinerziehende Eltern ist Vernetzung besonders wichtig. Schaue nach Möglichkeiten im sozialen Umfeld oder auch ganz konkret zum Beispiel im VAMV (Verein alleinerziehender Mütter und Väter).
Neue Partner*innen solltest du behutsam vorstellen und ihr solltet euch mit Zärtlichkeiten vor dem Kind erst einmal zurückhalten. Das ist wichtig, damit eine langsame Gewöhnung stattfinden kann.
Eine Trennung mit Kindern erfordert viel Kraft und Anpassung – von Groß und Klein. Es ist wichtig, dass du immer wieder das Wohl deines Kindes vor die verletzten Gefühle auf Paarebene setzt, Gesprächsbereitschaft signalisiert, ein gutes Vorbild in Sachen Selbstfürsorge bist und Hilfe holst, wenn dein Kind sie braucht. Damit legst du das beste Fundament dafür, dass dein Kind diese Herausforderung gut bewältigt und später sagen kann: „Ja, die Trennung war nicht leicht. Gleichzeitig haben mir meine Eltern in dieser Zeit viel Sicherheit gegeben. Sie haben sich gegenseitig nicht schlecht gemacht. Das hat mir sehr geholfen. Jetzt weiß ich, dass man auch schwierige Phase überstehen kann, weil sie beide für mich da waren.“