Mütter und Väter müssen und wollen heute alles sein: liebevolle zugewandte Eltern, engagierte Berufstätige, gute Freunde und noch viel mehr. Die Ansprüche von anderen, aber auch die eigenen, führen oft zu einem Gefühl großer Erschöpfung. Auf welche Warnsignale sollte geachtet werden und wie können Familien selbstbestimmt und aktiv diesen Balance-Akt gut schaffen? Darüber haben wir mit der Psychotherapeutin und vierfachen Mutter Felicitas Römer gesprochen.
Die Geburt eines Kindes ist per se eine Krise, die ein Paar bewältigen muss. Es spielt eine große Rolle, wie die Beziehung vorher gestaltet war und wie jede(r) für sich auch mit der neuen Rolle als Mutter und als Vater klar kommt. Es kommen noch viele andere Stressoren wie Müdigkeit und Erschöpfung hinzu. Auch der Druck im Job und hohe Ansprüche an sich selbst powern Eltern oft schwer aus.
Das klinische Bild des Burnouts entspricht einer Erschöpfungsdepression. Sie entsteht in einem schleichenden Prozess aus einer chronischen Überforderungssituation heraus und mündet in vollkommener seelischer und körperlicher Entkräftung eines Menschen.
Erste Warnsignale sind immer Schlafstörungen und Konzentrationsprobleme, das Gefühl, im sprichwörtlichen Hamsterrad gefangen zu sein und sich den Anforderungen des Alltags nicht mehr gewachsen zu fühlen. Oft kommen körperliche Symptome hinzu, etwa Rücken- und Kopfschmerzen oder Magen-Darm-Probleme. Auch Tinnitus, Schwindel und Gelenkprobleme kommen häufig vor. Manche entwickeln auch einen Bluthochdruck.
Mütter und Väter, die an sich selbst unrealistisch hohe Anforderungen stellen und perfektionistisch sind, sind eher gefährdet, ein Burnout zu erleiden. Es gibt Persönlichkeitsmerkmale, die oft schon in der Kindheit geprägt sind und die begünstigen die Ausbildung eines Burnouts. Das kann ein sehr überzogenes und damit zehrendes Verantwortungsbewusstsein sein oder auch ein Nichtwahrnehmen und Anerkennen der eigenen Leistungen. Einige Mütter und Väter setzen sich unbewusst sehr unter Druck, bei anderen sind es eher die vielen Ansprüche, die von außen an sie herangetragen werden.
Das Wichtigste ist es, schon die ersten Warnsignale ernst zu nehmen. Viele Eltern übergehen zu lange ihre eigenen Bedürfnisse und verpassen so den richtigen Moment, um das Ruder herumzureißen. Prinzipiell sollten Mütter und Väter die körpereigenen Signale ernst nehmen und die Verantwortung für sich und Ihre Gesundheit übernehmen statt sich permanent selbst auszubeuten.
Zum einen ist es wichtig, wieder über sich selbst zu bestimmen. Statt passiv auf den Gegenwind zu warten, selbst Kurs zu setzen. Dazu sollte sich jede(r) für sich und das Paar gemeinsam Zeit nehmen. Was ist mir/was ist uns wichtig? Was genau verursacht Stress?
Ja, den Alltagsstress kenne ich natürlich. Aber gerade dieses Hamsterrad des immer Funktionieren zu müssen, das gilt es anzuhalten. Eben nicht einfach treiben lassen und sich vor einem Sturm fürchten. Wer in einen Supermarkt geht und dort spontan einkauft, braucht länger, als jemand, der sich vorher fünf Minuten für die Planung genommen hat. Wenn sich etwas im Alltag nicht mehr gut anfühlt, Eltern erschöpft, müde und gereizt sind, dann gilt es die eigenen zu Ansprüche hinterfragen und Prioritäten zu setzen. Und dafür sollte sich Zeit, wie für eine Planung, genommen werden.
Aber es ist die Mühe wert! Wer sich das klar macht, was wirklich wichtig ist und was stört kann dann auch überlegen, ob eventuell Abstriche gemacht werden müssen. Etwa bei den eigenen Ansprüchen, den Terminen oder auch dem Einkommen. Gesundheit und Wohlbefinden gehen vor!
Es ist wichtig sich klar zu machen, dass es nicht möglich ist, „alles richtig“ zu machen. Jede junge Familie sollte eigene Regeln für sich aufstellen und sich nicht von den eigenen Eltern oder der Verwandtschaft unter Druck setzen lassen. Es hilft, sich als Paar ernst zu nehmen und sich gegenseitig zu unterstützen und sich lieber auf sich selbst zu besinnen, statt nach außen „gut“ da stehen zu wollen. Es völlig in Ordnung auch mal „Nein“ auf die Bitten und Anforderungen anderer zu sagen und Aufgaben auch einmal abzugeben. Vor allem aber sollten sich Mütter und Väter für sich selbst und für die ganze Familie bewusst Auszeiten nehmen und sich ohne schlechtes Gewissen gönnen. Lieber mit den Kindern chillen und schmusen, statt Freizeitstress. So etwas hilft enorm, um wieder Energie zu tanken.
Sich vor allem über die eigenen Energieräuber – und auch eben der Energietankstellen bewusst zu werden ist ein großer Schritt. Eine lebendige Paarbeziehung ist eine gute Kraftquelle – Sexualität, Zärtlichkeit und Nähe stärken und geben dem Paar Halt, das rahmt die Familie. Aber auch jeder einzelne sollte etwas für sich finden, was gut tut. Das können Spaziergänge in der Natur sein, Sport oder Yoga. Mit sich selbst geduldig und liebevoll sein. Und nicht über sich selbst zu schimpfen oder sich abzuwerten. Vor allem aber auch die eigene Leistung zu sehen und anzuerkennen. Habe ich heute wirklich nichts geschafft? Oder nur deswegen das Bad nicht geputzt, weil ich Hausaufgaben betreut, Tränen getrocknet und unendlich viele kleine Dinge erledigt habe. Wenn es zu schwer fällt wieder eigene Kraft zu finden und Erschöpfung und Überforderung ständig da sind, dann nicht zu lange warten, sondern professionelle Hilfe in Anspruch nehmen.