Sobald Kinder in dein Leben kommen, wird dein komplettes Leben umgekrempelt. Du selbst stellst deine Bedürfnisse hinten an und bist durch den ständigen Schlafmangel und die vielen neuen Anforderungen häufiger erschöpft und gestresst. Vielen Eltern fällt es dann sehr schwer, auf die eigenen Bedürfnisse zu achten, weil Kinder so viel Aufmerksamkeit und Zeit brauchen.
Seit vielen Jahren begleite ich als Erziehungs- und Familienberaterin Eltern, die beschämt und mit schlechtem Gewissen in meine Beratung kommen. Sie möchten lernen, die Nerven zu behalten. Sie sind schockiert über sich selbst, weil sie keine Gewalt anwenden möchten und sich trotzdem in diesen Momenten nicht mehr kontrollieren können. Durch professionelle Unterstützung lernen Eltern dann sich selbst besser zu verstehen und arbeiten ihre Kindheitsgeschichte auf. Auch erarbeiten wir sogenannte Exitstrategien, um Kinder vor Gewalt zu schützen.
In diesem Artikel möchte ich dir einige Exitstrategien vorstellen, die dir dabei helfen können, deine Wut nicht an deinem Kind auszulassen. Gleichzeitig zeige ich dir auf, wie du mit deinem Kind ins Gespräch gehen kannst, nachdem dir der Geduldsfaden gerissen ist und mache deutlich, ab wann du dir professionelle Unterstützung holen solltest.
Besonders herausfordernd wird es für dich, wenn du zwei oder mehrere Kleinkinder hast, die einen geringen Altersabstand haben. Häufig ist auch Geschwisterstreit oder Eifersucht unter Geschwistern ein zusätzlicher Stressfaktor.
Vielleicht ist es auch manchmal schwierig für dich, weil du versuchst Familie und Beruf zu vereinbaren und du oft das Gefühl hast, dass du weder deiner Rolle als Mama/Papa noch deiner Rolle im Beruf richtig gerecht werden kannst. Viele Eltern berichten: Ich habe das Gefühl, es reicht einfach nie!
Da passiert es vielleicht auch dir, dass die Nerven mit dir durchgehen und du die Geduld verlierst. Vor allem Eltern, die in ihrer eigenen Kindheit mit körperlicher oder psychischer Gewalt aufgewachsen sind, kann es sogar passieren, dass ihnen irgendwann die Hand ausrutscht oder ihre Kinder täglich anschreien.
Viele Eltern erzählen, dass sie aus Überforderung psychische Gewalt wie z.B. Drohen, Ignorieren, Liebesentzug, Bestrafen, lautes Schreien usw. anwenden, obwohl sie das gar nicht möchten.
Grund 1: Deine Bedürfnisse sind nicht erfüllt
Deine eigenen Bedürfnisse sind gerade völlig unerfüllt. Finde deshalb heraus, was dir in deinem Elternalltag fehlt.
Solltest du diese Fragen mit NEIN beantworten, erklärt sich leicht, warum du in manchen Situationen nicht mehr ruhig und gelassen reagieren kannst. Auch Erwachsene können nur über einen bestimmten Zeitraum Bedürfnisse aufschieben. Irgendwann läuft das Fass über.
Grund 2: Du hast keine Strategien, mit starken Gefühlen umzugehen
Vielleicht hast du selbst als Kind nicht gelernt, mit deinen eigenen, starken Gefühlen umzugehen. Du greifst dann intuitiv zu einer Strategie, die auch deine eigene Mutter oder dein Vater in deiner Kindheit angewendet hat, wenn sie wütend waren. Unbewusst übernimmst du also das Verhalten deiner Eltern. Sobald du das erkennst, kannst du aus diesem sogenannten Wiederholungszwang ausbrechen und lernen, deine Wut anders rauszulassen (z.B. in ein Kissen schreien, Atmen usw.).
Grund 3: Du wirst getriggert
Dein Kind triggert dich durch sein Verhalten, weil dich dieses Verhalten an etwas aus deiner Kindheit erinnert.
Ein Beispiel: Maja spürt große Wut und Hass, wenn ihr 3-jähriger Sohn seine kleine Schwester haut und schubst. Der 3-jährige hat noch keine bessere Strategie mit seiner Wut umzugehen und bräuchte eigentlich seine Mama, damit er sein Verhalten verändern kann. Maja fühlt sich allerdings unbewusst an ihre Kindheit erinnert, weil auch sie oft von ihrem Bruder geschlagen wurde und ihre Eltern sie nicht beschützt haben.
Sie schreit ihn laut an und packt ihren Sohn viel zu fest an an. Als Maja in meiner Beratung diesen Zusammenhang erkannte, konnte sie sich selbst besser verstehen und wendet inzwischen Exitstrategien an. Dadurch beruhigt sie ihre Wut und ihren Hass auf ihr Kind.
Präventive Exitstrategien sind Strategien, die dir dabei helfen, nicht sofort zu reagieren. Es gibt Strategien auf körperlicher und auf geistiger Ebene.
Strategien auf körperlicher Ebene:
Strategien auf geistiger Ebene:
Um diese Strategien auch anwenden zu können, brauchst du einen guten Zugang zu deinen Gefühlen. Versuche also tagsüber immer mal wieder in dich reinzufühlen, damit du bereits rechtzeitig merkst, wenn die Wut in dir hochsteigt.
Wenn du deine Wut erst spürst, wenn du schon ausgeflippt bist, helfen dir präventive Maßnahmen, wie z.B.: Meditationen oder regelmäßige Entspannungs- und Atemübungen in ruhigem Zustand.
Auch Entspannungstechniken wie Yoga und progressive Muskelentspannung können dir helfen, um insgesamt entspannter zu sein und deine Gefühle rechtzeitig wahrzunehmen.
Manchmal passiert es trotzdem. Obwohl du es gar nicht möchtest, hast du dein Kind angeschrien und du hast ein großes schlechtes Gewissen. Vielleicht fragst du dich auch: Welche Folgen hat das für mein Kind?
Wichtig ist, dass du dich danach schnell wieder beruhigst und deinem Kind erklärst, wie du dich gefühlt hast. Bedaure gerne dein Verhalten und sage z.B.: „Oh je, jetzt hast du dich erschrocken, weil ich so geschrien habe. Das wollte ich nicht. Ich war ganz überfordert und habe Ruhe gebraucht. Mir ist so wichtig, dass wir freundlich miteinander sprechen. Das bedaure ich sehr!“
Schenke deinem Kind danach ganz viel Nähe und Aufmerksamkeit, damit es sich wieder sicher und geborgen bei dir fühlen kann.
Wenn dir immer wieder die „Hand ausrutscht“, brauchst du dringend professionelle Hilfe. Du bist dann vermutlich ganz hilflos, überfordert und überlastet, wusstest nicht mehr weiter und hast ein schlechtes Gewissen. Wende dich gerne an unsere kostenfreie Online-Beratung, damit wir dir helfen können.
Wichtig ist, dass du dich auch bei deinem Kind entschuldigst und ihm erklärst, dass es keine Schuld trifft. Sage ihm, dass du dich um dich kümmerst, damit das nicht mehr passiert und sei für es da. Versuche herauszufinden, wie sich dein Körper angefühlt hat, bevor du geschlagen hast. Verlasse beim nächsten Mal, wenn dieses Gefühl wieder hochkommt sofort den Raum und wende eine Exitstrategie an.
Regelmäßige Gewalt hat schlimme psychische Folgen für das Kind. Damit das Selbstwertgefühl und eure Beziehung nicht leiden, reagiere am besten sofort und wende dich an unsere anonyme Online-Beratung. Wir sind gerne für dich da.
Nicht nur körperliche Gewalt, sondern auch psychische Gewalt hat negative Folgen für das Selbstwertgefühl des Kindes. Regelmäßiges Schreien, Drohen, Beschämen, Schuldzuschreibungen und Liebesentzug stellen ein Risiko für die kindliche Entwicklung dar.
Versuche, dein Kind deshalb nicht vor anderen Menschen zu beschämen, sondern sprich unter 4 Augen an, was du dir von ihm wünschst. Wichtig ist auch, deinem Kind nicht die Schuld für deine Gefühle zu geben. Auch wenn dein Kind manchmal Wut in dir auslöst, bist du dafür verantwortlich, zu lernen, mit dieser Wut umzugehen.
Unter Liebesentzug verstehe ich z.B., wenn du zu deinem Kind sagst: „Du darfst erst wieder kommen, wenn du brav bist.“ oder „Mit dir rede ich nicht mehr. Du warst unverschämt und frech.“
Du wendest ungewollt immer wieder Gewalt an und möchtest viel geduldiger und gelassener werden? Du möchtest erst gar nicht in die Situation kommen, dass du Exitstrategien anwenden musst?
Dann wird dir unser Video-Seminar: Selbstfürsorge für gestresste Eltern dabei helfen, liebevoller mit dir selbst und deinem Kind umzugehen.
Stress, Überlastung und Überforderung entstehen, wenn viele Bedürfnisse von Eltern unerfüllt sind und sie in ihrer Kindheit nicht gelernt haben, gut für sich zu sorgen und Gefühle gewaltfrei auszudrücken.
Deshalb ist es entscheidend, dass Eltern lernen, die Nerven zu behalten und mitfühlend mit sich selbst zu sein. Kinder brauchen keine perfekten Eltern, sondern Eltern, die ihr Verhalten reflektieren und gemeinsam mit ihren Kindern lernen, ihre Gefühle gewaltfrei auszudrücken. Wenn Mütter und Väter dies erkennen und reflektieren, kann die Beziehung zu ihren Kindern täglich wachsen und enger werden. Solltest du selbst gewalttätig werden, ist es besonders wichtig, dir schnell Hilfe zu holen, damit du dein Verhalten verändern kannst. Nur so kannst du die Seele deines Kindes schützen.