Wie kann man die Resilienz bei Kindern fördern? Das fragte sich die Entwicklungspsychologin Emmy Werner im Jahre 1955 in einer einzigartigen Untersuchung. Mehr als 30 Jahre lang analysierte sie mit ihrem Forscherteam, wie sich sowohl umweltbedingte, als auch biologische Faktoren auf die Entwicklung von Kindern auswirken. Viele dieser Erkenntnisse sind heute noch Basis der Resilienzforschung. Doch was bedeutet Resilienz bei Kindern eigentlich und wie kann man diese stärken? In unserem Artikel liefern wir dir nicht nur Antworten, sondern auch alltagstaugliche Tipps für die Resilienzförderung bei Kindern.
In der Entwicklungspsychologie ist mit dem Begriff Resilienz die Fähigkeit gemeint, trotz schwieriger Einflüsse und Umstände die eigene seelische und körperliche Gesundheit aufrechtzuerhalten. Sowohl biologische Faktoren, wie Schwierigkeiten bei der Geburt oder bereits in der Schwangerschaft, als auch Benachteiligungen durch problematische Familienbedingungen wirken sich auf die Kindesentwicklung aus.
Ob Kinder solche schwierigen Startbedingungen ausgleichen können, hängt von der Art der Risikofaktoren ab, denen sie ausgesetzt sind. Auch die persönlichen Eigenschaften spielen für die Resilienzfähigkeit eine große Rolle. In Emmy Werners Untersuchung stellte sich heraus, dass ein Drittel der beobachteten Risikokinder trotz ungünstiger Voraussetzungen zu körperlich und geistig gesunden Erwachsenen heranwuchs.
Eine ermutigende Erkenntnis, die zur Grundlage für weitere Fragestellungen wurde. Wenn manche Kinder es schaffen, widrige Lebensumstände erfolgreich auszugleichen – wie kann die Forschung dann genutzt werden, um das mehr Kindern zu ermöglichen? Oder, mit anderen Worten: Wie entwickeln Kinder Resilienz?
Im Jahr 2018 waren in Deutschland 21,3 % der Kinder unter 18 Jahren armutsgefährdet oder bezogen Leistungen aus der Grundsicherung (z.B. Hartz IV). Das ist mehr als ein Fünftel. Kinder aus armen Familien sind dadurch – aber nicht nur finanziell – gegenüber ihren Altersgenossen benachteiligt.
Mit der Armut gehen eine ganze Reihe negativer Umstände einher:
Doch es gibt Kinder, die es schaffen, solche problematischen Ausgangsbedingungen zu überwinden. In der Forschung wurden drei Merkmale identifiziert, die dafür verantwortlich sein könnten.
Wie gut Kinder Resilienz entwickeln, hängt also einerseits davon ab, ob es in ihrem Leben jemanden gibt, der sie emotional unterstützt und ihnen Aufmerksamkeit schenkt. Andererseits verfügen resiliente Kinder oft über positive Persönlichkeitseigenschaften, die ihnen die Bewältigung negativer Lebensumstände erleichtern.
Dass es möglich ist, unsere Gedanken zu trainieren, hat die Gehirnforschung der letzten Jahre gezeigt. Mit dem Begriff der Plastizität bezeichnen Forscher die Fähigkeit unseres grauen Stübchens, sich durch Erfahrungen zu verändern. Dieses Themenfeld ist nicht nur für Kinder (und deren Bezugspersonen) interessant, sondern wird auch in der Resilienzforschung vermehrt aufgegriffen.
Das führt uns zurück zum Thema. Was macht Kinder resilient? Wir haben 7 Tipps zusammengestellt, die die Resilienz bei Kindern fördern können.
TIPP 1
Auch kleine Helden brauchen einen Fan-Club! Wie wichtig emotionale Unterstützung durch Bezugspersonen für die Resilienzentwicklung bei Kindern ist, hat der letzte Abschnitt gezeigt. Jetzt geht es an die Umsetzung.
Lass’ dein Kind wissen, wie lieb du es hast und wie froh du bist, es in deinem Leben zu haben. Ehrliches Lob, ein liebevolles Streicheln über den Kopf oder einfach einen Satz, wie: Deine Skizzen sind einfach großartig. Total kreativ, du hast echt Talent! – geben dem kindlichen Selbstbewusstsein einen Kick und sind bares Gold für Selbstwertgefühl und Motivation.
Wir Erwachsenen wissen selbst, wie gut ernstgemeinte, lobende Worte und Zuneigung von unseren Liebsten uns tun. Um den Effekt des wohltuenden Gefühls, geliebt zu werden, bei unseren Kindern noch zu verstärken, sollten wir sie ab und zu auch wissen lassen, wer sonst noch in der Fankurve sitzt: Geschwister, Großeltern, Freunde. “Wir sind stolz auf dich”.
TIPP 2
Dafür musst du dein Kind nicht gleich im nächstbesten Verein anmelden (obwohl das natürlich auch eine legitime Option ist). Jede sportliche Betätigung erfüllt den gewünschten Zweck. Und der ist: die Ausschüttung von Glückshormonen.
Dopamin, Endorphin und Serotonine. So heißen die kraftvollen Neurotransmitter, die ganz nebenbei noch die wunderbare Eigenschaft haben, die Cortisol-Level zu senken. Damit erhöht sich auch die Stresstoleranz dauerhaft, das Gehirn wird resilienter. Mission erfüllt!
Wie gesagt, hier ist jeder Sport gemeint. Auch Gassi gehen, Seilhüpfen, mit Mama oder Papa wild herumtanzen und Hula-Hoop im Kinderzimmer.
TIPP 3
Ein kurzer Rückblick auf die drei Merkmale resilienter Kinder zeigt, Optimismus ist für die Resilienzentwicklung ein Schlüsselfaktor. Und die wundersame Plastizität (zur Erinnerung: die Fähigkeit unseres Gehirns, sich durch Erfahrungen zu verändern) macht es möglich, uns Optimismus anzutrainieren. Wenn das nicht befreiende Nachrichten sind!
Jeder kennt das Beispiel mit dem halbvollen und dem halbleeren Glas. Du entscheidest, wie du es sehen möchtest! Das kannst du auch deinem Kind beibringen. Das geplante Picknick im Park muss ausfallen, weil es heute regnet? Überlege gemeinsam mit dem Nachwuchs, wie trotzdem das Beste aus dem Tag gemacht werden kann. Wie wäre es mit einem unvergesslichen Spaß-Picknick inklusive selbstgebautem Zelt mitten zu Hause im Wohnzimmer?
Ganz wichtig dabei: Zeige deinem Kind, dass es okay ist, wenn es deswegen traurig oder enttäuscht ist. Indem du Verständnis für die Sicht deines Kindes aufbringst, aber gleichzeitig vermittelst, dass man auch solchen Tagen etwas Positives abgewinnen kann, hast du schon viel geschafft.
TIPP 4
Anders gesagt: Denke manchmal laut. Was wir vorleben, wie wir mit verschiedenen Situationen umgehen und ob wir mit Enttäuschungen umgehen können, sehen auch die Kinderaugen. Ohne große Vorträge darüber zu halten, wie man bei schwierigen Ereignissen zu reagieren hat, mache es deinen Kindern vor.
Um das Beispiel vom Regentag wieder aufzugreifen: Du könntest laut darüber nachdenken, wie traurig du bist, dass das geplante Picknick nicht geklappt hat. Du hattest dich schließlich auch so sehr darauf gefreut.
“Manchmal klappen Dinge nicht so, wie man es gerne hätte. Das ist im ersten Moment frustrierend, aber ich weiß, das Gefühl geht wieder vorbei. Nach dem Regen scheint garantiert irgendwann wieder die Sonne. Heute ging es nicht, aber mit ein bisschen Geduld kommt sicher bald ein sonniger Tag – und dann freue ich mich umso mehr auf unser Picknick an der frischen Luft.”
TIPP 5
Gerade wenn Kinder noch im Kleinkindalter sind, oder ihre ersten Schritte tun, sind wir Eltern oft direkt zur Stelle, wenn das mit dem Laufen noch nicht so läuft. Eher suboptimal, sagen Experten. Wenn das Kind die Chance bekommt, seine eigenen Fähigkeiten zu beweisen – und zwar zuerst sich selbst – lernt es, sich alleine aus der Patsche zu helfen.
Hier ist natürlich der gesunde Menschenverstand gefragt. Manchmal brauchen die Kleinen wirklich unsere (Start-)Hilfe, um danach wieder auf eigenen Beinen stehen zu können. Kinder, denen die Möglichkeit gewährt wird, Selbstwirksamkeit zu erfahren, können sich auch im späteren Leben besser motivieren und vertrauen in ihre eigene Handlungskompetenz.
TIPP 6
Na ja, das wissen wir natürlich alle. Was hier gemeint ist, betrifft vielmehr die Art und Weise, wie unser innerer Dialog abläuft, wenn’s im Leben mal brenzlig wird. Was wir in unseren eigenen Gedanken zu uns sagen, färbt unser Verhalten und das Vertrauen in unsere Fähigkeiten. Das zu wissen, heißt auch, dass wir diese gedanklichen Selbstgespräche in Wege lenken können, die positiv und ermutigend sind.
Indem wir Kindern vermitteln, wie wichtig ein wertschätzender Umgang mit uns selbst für das Lösen von Problemen ist, legen wir den ersten Baustein für gesunden Self-Talk und können Resilienz bei Kindern fördern. Diese Strategie an einem real existierenden Problem auszuprobieren, macht das schnell erfahrbar.
Nehmen wir an, dein Kind fragt sich ängstlich, ob es Mama und Papa vermissen oder Heimweh bekommen wird, wenn es bei den Großeltern übernachtet. Ganz wichtig für den ersten Schritt: Wir Eltern sollten diese Gefühle ernst nehmen und nicht herunterspielen. Unsere Rolle ist hier, dem Kind die richtigen Strategien und Denkanstöße zu geben, um das Problem zu lösen.
Das sieht je nach Alter des Kindes anders aus. Hier ein paar Vorschläge:
Ohne “vorzusagen”, was zu tun ist, können wir auf diese Weise dabei helfen, dem Kind zu zeigen, wie es seine Probleme selbstständig lösen kann.
TIPP 7
Was macht Kinder glücklich und stark? Unser Herz sagt: das Gefühl, bedingungslos geliebt zu werden. Und die Wissenschaft? Sagt eigentlich genau dasselbe. Eine weitere Strategie, unseren Kindern zu zeigen, dass wir sie liebhaben und immer für sie da sind, ist deshalb das Zuhören. Und zwar echtes, anteilnehmendes Zuhören.
Klar, dass wir als Eltern immer viel um die Ohren und ebenso viel im Kopf haben. Klar auch, dass der Streit der Tochter mit ihrer Kindergartenfreundin aktuell nicht wirklich die Pole-Position auf der elterlichen Prioritätenliste hat.
Trotzdem: Sich zwischen den alltäglichen Verpflichtungen die Zeit zu nehmen, ein offenes Ohr für die Probleme und Bedürfnisse des Kindes zu haben, zahlt sich aus. Denn für die Kinder ist das ein ideales Training fürs Problemlösen. Ihre Gefühle in Worte zu fassen, zu erklären und selbst auf Lösungsmöglichkeiten zu kommen, ist für die Entwicklung von Resilienz ein wichtiger Faktor.
Unsere Kinder bleiben höchstwahrscheinlich nicht ihr ganzes Leben bei uns. Das, was wir ihnen in der Kindheit an Liebe, Vertrauen und Geborgenheit geben, bleibt aber dennoch über die Zeit im Elternhaus bestehen. Wollen wir Resilienz bei Kindern fördern, sollten wir uns neben den 7 Tipps dieses Artikels immer wieder an Folgendes erinnern:
Wer von Herzen geliebt wird und dem Leben mit Optimismus und Flexibilität begegnet, hat perfekte Grundvoraussetzungen dafür, das Leben trotz Risikofaktoren zu meistern!