Unseren Kindern wollen wir natürlich unbedingt ein unangenehmes Gefühl auf dem Zahnarztstuhl ersparen. Keinesfalls möchten wir, dass sie schon in jungen Jahren Karies bekommen, auf dem Zahnarztstuhl sitzen und „gebohrt“ werden muss oder im schlimmsten Fall, bei fehlender Kooperation, sogar in Vollnarkose behandelt werden müssen. Unsere Kinder sollen kariesfrei aufwachsen!
Kennst du das Gefühl auf dem Zahnarztstuhl: Du liegst mit offenem Mund da und hoffst, dass der Zahnarzt – der Zahn für Zahn mit dem Spiegel begutachtet – nichts findet. Du verspürst ein kurzes Ziehen im Bauch, wenn der Stuhl hochfährt und der Zahnarzt den Befund mit dir bespricht. Hat er nichts gefunden, bist du erleichtert und denkst bis zum nächsten Termin nicht mehr allzu viel darüber nach. Findet er allerdings Karies, seufzt du innerlich und vielleicht auch äußerlich und machst im Anschluss den nächsten Termin aus – zum „Bohren“.
Dieser Druck, den wohl fast alle Eltern verspüren, führt leider oftmals zu einer angespannten Situation beim Zähneputzen und Unsicherheit beim Thema Ernährung.
Wenn wir wissen, was Karies eigentlich ist, wie es entsteht und wir eventuelle Warnzeichen sogar erkennen können, dann verlieren wir unsere Angst und können ohne Druck und Sorgen mit der ganzen Familie „zahngesund“ leben.
Das Wort Karies entstammt dem lateinischen caries und bedeutet „Morschheit“ und „Fäulnis“. Und es löst wohl bei allen Unbehagen aus. Karies ist eine multifaktorielle Erkrankung, also von vielen Faktoren und Einflüssen abhängig. Damit Karies überhaupt entstehen kann, müssen mehrere Dinge auf einmal passieren; sprich, eine Karies entsteht nicht von jetzt auf gleich.
Ist der Zahn frisch geputzt, entsteht nach einer Weile durch verschiedene Eiweiße des Speichels automatisch ein dünnes Pellikel (Häutchen) auf dem Zahn. Dieses schützt vor Säuren und fördert den Prozess, dass sich wichtige Mineralien in den Zahnschmelz einlagern können. Also erst mal gut!
Man kann sich dieses Häutchen aber auch als eine Art Gerüst vorstellen, an dem sich Bakterien festhalten können, die an einem glatten Zahn abrutschen würden. Wenn sich nun mehr und mehr Bakterien einlagern, entsteht während der nächsten Stunden ein Belag, den man Biofilm nennt.
In unserem Mund befinden sich tausende verschiedene Bakterien. Allerdings sind nur spezifische Bakterien an der Entstehung von Karies beteiligt. In der Mundflora von Säuglingen kommen diese Kariesbakterien aber gar nicht vor, weshalb es so wichtig ist, dass Eltern vor der Geburt nochmal zum Zahnarzt/Zahnärztin gehen und sich untersuchen lassen. Überträger dieser Bakterien sind nämlich wir Eltern! Falls ihr also unbehandelte Kariesstellen im Mund habt, lasst sie möglichst noch in der Schwangerschaft behandeln. Dadurch senkt ihr die Last an Kariesbakterien, welche ihr euren Kindern weitergeben könnt. Bei einer australischen Studie von fast 1000 Neugeborenen konnte bei 11% der Säuglinge schon an Tag 34 nach der Geburt kariesspezifische Bakterien festgestellt werden.
Zurück zum Biofilm: Wenn er nicht weggeputzt wird, kann er bis zu 2 mm dick werden. Man nennt diesen Biofilm auch Plaque oder ganz einfach Zahnbelag. Und in diesem Biofilm beginnt jetzt ein Prozess, an dessen Ende der Zahn kariös werden kann.Kariesbakterien brauchen zum Überleben niedermolekulare Kohlenhydrate, also Zucker. Je mehr Zucker sie zur Verfügung haben, desto wohler fühlen sie sich.
Und jetzt kommt das Hauptproblem und es wird kurz kompliziert: Bei der Umwandlung des Zuckers entsteht ein Stoffwechselprodukt, eine Säure, und der pH-Wert sinkt. Dies ist schlecht für nützliche Bakterien, die es ja auch zuhauf gibt im Speichel. Die Kariesbakterien fühlen sich allerdings immer wohler. Normalerweise sorgt der gesunde Speichel dafür, dass der Zahnschmelz immer wieder remineralisert, also repariert und gehärtet, wird. Dafür ist er mit extrem wichtigen Mineralstoffen angereichert. Wenn aber der pH-Wert gesunken ist, kann der Speichel diesem Prozess irgendwann nichts mehr entgegensetzen.
Ist nun eine Karies entstanden, ist diese meist schmerzlos und oft erkennbar an weißen Flecken auf den Zähnen. Die Zahnoberfläche ist noch intakt. Man nennt diesen Zustand auch initiale Karies. Unbemerkt heften sich aber mehr und mehr Bakterien an diese Stellen und dringen irgendwann in den Zahnschmelz ein. Sobald sich die Karies auf das Dentin (Zahnbein) ausgebreitet hat, kann die Zahnoberfläche einbrechen, es entsteht ein eher brauner Defekt und das so genannte Loch im Zahn. Zu diesem Zeitpunkt treten meist bereits Zahnschmerzen und eine erhöhte Empfindlichkeit auf.
Entscheidend, ob eine Karies entsteht, sind also einmal die spezifischen Bakterien, die wir im Mund haben, aber vor allem die fehlende Remineralisation des Schmelzes durch den Speichel. Für diese natürliche Remineralisation der Zähne bleibt nicht genügend Zeit, wenn sich durch den häufigen Verzehr von zuckerhaltigen Zwischenmahlzeiten oder Getränken der Säureangriff auf die Zähne zu oft wiederholt.
Weißliche Stellen an den Zähnen sollten immer zahnärztlich abgeklärt werden. Sie können, müssen aber keine Karies sein. Eine andere Art zu erkennen, ob die Zähne unserer Kinder dauerhaft nicht gut geputzt sind, ist, das Zahnfleisch zu beobachten. Wenn es rot und geschwollen aussieht oder sogar blutet, kann das bedeuten, dass es durch Belag und Bakterien permanent gereizt und damit entzündet ist. Auch hier sollte ein Termin beim Zahnarzt/Zahnärztin vereinbart werden.
Leider entwickelt sich Karies oft an den Stellen, die wir nicht gut sehen, deswegen reicht eine elterliche Blickdiagnose auf keinen Fall aus. Regelmäßiges Zähneputzen, die Anwendung von Zahnseide und zwei Mal jährliche Kontrollbesuche beim Zahnarzt sind somit neben einer gesunden Ernährung die wichtigste Vorsorge, die man treffen kann.
Denn es gilt: Ohne Karieskeime kann keine Karies entstehen. Ohne Zucker können aber selbst vorhandene Karieskeime nicht überleben, also ohne Zucker keine Karies. Es ist schwierig für uns Eltern, unsere Familie gesund zu ernähren. Der Druck von außen ist enorm. In Deutschland wurde allein 2017 ca. 868 Mio Euro für Werbekosten durch die Süßwarenindustrie ausgegeben. Der Gesamtjahresumsatz lag bei 11,8 Mrd Euro.
Wir als Eltern haben eine große Vorbildfunktion. Sei es das Zähneputzen, die Ernährung, aber auch unsere Einstellung zu Zahnarztbesuchen.