„Ich kann nicht mehr!“ Wie oft hattest du diesen Satz schon im Kopf, seit du Mutter oder Vater bist – und wie oft hast du ihn tatsächlich ausgesprochen? Mit der Geburt eines Babys geht für die meisten Eltern ein großer Wunsch in Erfüllung. Wie fordernd und anstrengend das Leben mit Kindern ist, überrascht dennoch viele Mütter und Väter. Und obwohl sie immer wieder mit ihren Kräften an Grenzen stoßen, fragen sie sich: Dürfen wir uns überhaupt darüber beschweren, wie anstrengend das Elternsein ist? Wir haben uns doch so darauf gefreut. Alle anderen scheinen das doch auch hinzukriegen. Doch immer mehr wird deutlich, dass das Burnout bei Eltern ein ernstzunehmendes Problem ist, das oft nicht ausreichend wahrgenommen oder thematisiert wird.
Doch dieser Eindruck, dass „alle anderen“ es doch hinbekommen, täuscht. Eine aktuelle Forsa-Umfrage im Auftrag der Krankenkasse KKH ergab: Fast 70 Prozent der Eltern mit minderjährigen Kindern fühlen sich erschöpft oder ausgebrannt. Zwei Drittel sagen, der Stress und die Belastung haben in den letzten zwei Jahren deutlich zugenommen. Das zeigt: Eltern-Burnout ist also keine Mode-Diagnose oder eine Erfindung der sozialen Medien. Expert*innen bewerten diesen Anstieg als wichtiges Warnsignal. Denn wenn Mütter und Väter so stark unter Druck stehen, dass sie Burnout-Anzeichen zeigen, wird das auf Dauer krank machen.
Auch wenn in der Öffentlichkeit oft noch anders gesehen wird: Elternsein ist ein Fulltime-Aufgabe. Allein die Basics wie Kinderpflege, Erziehung und Beschäftigung füllen den Tag schon gut aus. Dazu die Mahlzeiten – am besten frisch zubereitet, gerne bio, saisonal und regional. Fahrdienst und Begleitung zu Baby-Kursen, später zum Musik- und Sportprogramm. Kinder trösten, motivieren, verarzten, mit Grenzen bekannt machen und Wutausbrüche aushalten. Nebenbei den Haushalt schmeißen, Putzen, Waschen, Einkaufen, Rechnungen überweisen. Und natürlich den Anschluss an den Job nicht verlieren. Möglichst schnell zurück zur Karriere – und natürlich zur alten Figur. Kinder haben, jedoch bloß nicht so aussehen. Klingt verdammt anstrengend? Ist es auch.
Der Übergang von „normalem“ Stress im Familien-Alltag zum Eltern-Burnout ist meist ein schleichender Prozess. Oft beginnt es damit, dass sich Mütter und Väter anfangs in einer Art Power-Modus befinden. Sie gehen flexibel auf die Bedürfnisse ihrer Kinder ein und fühlen sich dabei souverän und stark. Doch wenn nach solchen Belastungsphasen keine Möglichkeit zum Entspannen folgt, schwinden nach und nach die Kräfte. Werden die ersten Warnsignale ignoriert und die Anstrengung nicht abgebaut, verstärken sich die Symptome gegenseitig. Eine gefährliche Spirale entsteht, bis sich Eltern schließlich völlig erschöpft und ausgebrannt fühlen.
Gibt es zwischen den stressigen Phasen keine Erholungszeiten, können erste Anzeichen von Überforderung und Erschöpfung auftreten. Vielleicht kennst du manche davon selbst. Betroffene fühlen sich komplett leer, antriebslos und ausgebrannt. Viele sprechen von einer bleiernen Müdigkeit, haben jedoch gleichzeitig Probleme, in den Schlaf zu finden oder liegen nachts wach. Oft kommen Kopfschmerzen, Herzrasen und Muskelverspannungen dazu. Einige Mütter und Väter entwickeln auch ein durchgängiges Krankheitsgefühl und werden besonders anfällig für die typischen Erkältungs- oder Magen-Darm-Erreger aus der Kita.
Neben den körperlichen Symptomen gibt es auch Signale auf der psychischen Ebene. Wenn du Burnout gefährdet bist, gehst du häufig in eine emotionale Distanz zu deinen Kindern. Du hast immer weniger Energie für gemeinsame Unternehmungen und ziehst den Alltag in einer Art Roboter-Modus durch. Dabei kannst du die schönen Momente miteinander gar nicht mehr richtig genießen. Statt den Augenblick wahrzunehmen, bist du gedanklich schon beim nächsten Punkt der unendlichen To-Do-Liste.
Weil dein Nervensystem durchgängig angespannt ist, fällt es dir schwer, dich selbst zu regulieren. In herausfordernden Situationen – etwa, wenn dein Kind quengelt oder sich nicht beruhigen lässt – verlierst du leichter die Geduld, wirst laut oder schimpfst. Dann ärgerst du dich vielleicht, weil diese Reaktion nicht zu deiner Vorstellung von einer liebevollen Mutter oder einem liebevollen Vater passt – und machst dir noch mehr Stress!
Woher kommt es denn, dass wir Eltern so enorm unter Druck stehen? Die aktuell besonders hohe Belastung von fast 70 Prozent der Eltern lässt sich laut der KKH-Umfrage vermutlich auf die Teuerung, die politische Lage und den Klimawandel zurückführen. Solche Aspekte wirken allerdings nur als Verstärker. Grundsätzliche Stressfaktoren sind die Erziehung der Kinder, Angst um deren Zukunft, Konflikte in der Familie und berufliche Herausforderungen. Auch finanzielle Sorgen belasten laut Umfrage etwa ein Viertel der Eltern. Durch die Arbeit im Haushalt fühlen sich vor allem die Mütter (63 Prozent), jedoch auch Väter (30 Prozent) unter Druck gesetzt. Überraschend: Die Anzahl und das Alter der Kinder stehen nicht unbedingt im Zusammenhang mit den Symptomen.
Eltern von Kindern mit einer chronischen Krankheit, neurologischen Diagnosen oder besonderen Bedürfnissen haben meist ein erhöhtes Burnout-Risiko. Vor allem, wenn sie sich durch die Krankheit immer bereithalten müssen, auf Notfälle zu reagieren. Hier sind die Stresshormone durchgängig aktiv und das Nervensystem hat kaum eine Chance, sich zu regulieren. Auch für alleinerziehende Eltern sind die Belastungssituationen entsprechend höher, da sie die Aufgaben nicht untereinander aufteilen können. Hier sind meist die Mütter stärker betroffen, weil sie die Kinder in neun von zehn Trennungsfällen bei sich haben.
Du hast beim Lesen das Gefühl, deine Situation wiederzuerkennen? Vermutest du, dass du schon kurz vor oder mitten in einem Eltern-Burnout stehst? Ein erster Schritt besteht erst mal darin, diese Beobachtung zu akzeptieren. Es ist kein Versagen, wenn dich der enorme Druck belastet. Das bedeutet nicht, dass du zu schwach bist oder nicht stabil genug. Du brauchst das nicht aushalten und darfst dir Hilfe holen! Während ein Burnout im Job gesellschaftlich anerkannt wird, scheuen sich viele Mütter und Väter noch, bei einen Eltern-Burnout um Unterstützung zu bitten.
Auch wenn der Eltern-Burnout nicht als offizielle medizinische Diagnose definiert ist, kannst du dich aufgrund der Symptome krankschreiben lassen. Deine Ärztin oder dein Arzt sollte dazu abklären, ob eine Depression oder eine psychische Erkrankung vorliegt, oder ob du „nur“ erschöpft bist. Häufig wird bei Burnout-Symptomen eine dreiwöchige Kur empfohlen: Hier gibt es Mütter- oder Väter-Kuren mit und ohne Kinder, die Kosten trägt die Krankenkasse. Viele Einrichtungen sind auf Familien spezialisiert und bieten Kinderbetreuung an. Manche Elternteile möchten sich in dieser Zeit ganz bewusst auf sich selbst konzentrieren und gehen lieber alleine. Du kannst deine Ärztin oder deinen Arzt bitten, mit dir einen Kurantrag auszufüllen. Hast du das Gefühl, mit diesem Anliegen nicht ernst genommen zu werden, solltest du in einer anderen Praxis um eine Zweitmeinung bitten.
In einer Mütter- oder Väter-Kur spielt Stressmanagement eine wichtige Rolle. Auch ohne Kur kannst du hier wichtige Impulse für deinen Alltag setzen. Am besten gehst du hier ganz systematisch vor.
Es gibt drei Strategien, die für einen gesunden Umgang mit Stress von Bedeutung sind:
Gerade der sogenannte Mental Load, also die ständigen unsichtbaren Planungs- und Koordinierungsaufgaben werden oft unterschätzt. Deshalb ist es wichtig, die größten Energieräuber im Alltag aufzuspüren und auf möglichst viele Schultern zu verteilen: Bei Elternpaaren kann sich z. B. einer um die Kindergarten- und der andere um die Schul-Themen kümmern. Oder einer ist für Einkaufen und Kochen zuständig, der andere für Wäsche und Putzen. Viele Haushaltsthemen lassen sich auch – zumindest zeitweise – reduzieren: wenn dies finanziell möglich ist, z. B. durch eine Putzhilfe, die einmal im Monat bei den Hausarbeiten mit anpacken kann, oder einen Lieferdienst für Lebensmittel.
Auch wenn es Überwindung kostet, solltest du Hilfe annehmen, wo immer es geht.
Im Versuch, ihr Bestes zu geben, merken die meisten Eltern gar nicht, dass ihre Ressourcen zur Neige gehen. Du kannst dir das wie bei einem Elektrogerät vorstellen: Im Turbo-Modus ist der Akku natürlich deutlich schneller leer! Versuche deshalb, deine Energiereserven wie eine Tankanzeige zu betrachten: Fühlst du dich fit und es geht dir richtig gut, ist alles im grünen Bereich. Bei gelb bist du zwar etwas müde, allerdings noch stabil. Wenn deine Kräfte schwinden und du dich erschöpft fühlst, wird deine Anzeige langsam orange. Rot heißt, dass gar nichts mehr geht: Du funktionierst noch: Doch mach dir bewusst: Je länger du dein hohes Pensum durchziehst, umso wahrscheinlicher zwingt dich dein Körper zu einer Pause. Dieser spontane Ressourcen-Check hilft dir, deine Energie besser einzuteilen: An grünen Tagen wird es dir z. B. leichter fallen, am Abend noch etwas zu kochen und danach die Küche aufzuräumen. An orangen oder roten Tagen reicht auch etwas vom Lieferdienst oder eine Brotzeit.
„Die anderen Familien kommen doch auch alle gut klar – dann muss ich das auch können!“ Weil so viele Eltern diese Überzeugung teilen, sprechen die wenigsten darüber, wie es ihnen wirklich geht. Dazu kommt, wie sich die Mütter und Väter, die sich in den Sozialen Medien präsentieren. Immer engagiert und liebevoll, niemals müde oder genervt. Wer täglich verfolgt, wie sich die Mom-Influencer jeden Tag neue Rezepte oder DIYs ausdenken, während man selbst seit einer Woche versucht, den Wäscheberg abzutragen, zweifelt schnell an den eigenen Eltern-Kompetenzen. Manchmal sind es auch gesellschaftliche Glaubenssätze oder Überzeugungen aus der eigenen Kindheit, die uns an Strukturen festhalten lassen, die eigentlich nur Kraft kosten. Eine systemische Familienberatung kann helfen, Belastendes loszulassen und eigene Bedürfnisse zu erspüren.
Vielleicht bist zu in letzter Zeit einmal geflogen und kannst dich an die letzte Sicherheitsunterweisung im Flugzeug erinnern? Bei einem plötzlichen Druckverlust erst selbst eine Atemschutzmaske anlegen, dann den anderen Fluggästen helfen. Ganz ähnlich funktioniert das auch in der Familie: Niemand kann 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche für andere da sein. Wenn sich die Eltern aufopfern, ist das auf lange Sicht nicht gut für ihre mentale Gesundheit und ihre Kinder.
Hier wird auch die bedürfnisorientierte Elternschaft manchmal falsch verstanden: Dass die Anliegen der Kinder immer und möglichst schnell erfüllt werden sollten, gilt nur für die ersten Babymonate. Später geht es darum, die unterschiedlichen Bedürfnisse aller Familienmitglieder wahrzunehmen und eine gute Balance dafür zu finden. Und so sehr wir uns auch bemühen, alle Bedürfnisse zu erkennen und miteinander zu vereinbaren: Es wird nicht immer gelingen. Diese Erkenntnisse gehören dazu und sind eine wichtige Erfahrung.
Das bedeutet auch, dass deine eigenen Bedürfnisse ihren Platz finden dürfen – oder sogar müssen! Du kannst beim Schwimmen richtig gut abschalten, möchtest ab und zu samstags durch die Clubs ziehen, endlich wieder mehr Musik machen oder träumst von einem Yoga-Wochenende – ganz allein? Suche einen Weg, wie sich deine Träume erfüllen können. Lasse dich nicht ermutigen, sondern finde deine persönliche Möglichkeit für Me-Time. Das hilft, den Ressourcen-Akku wieder richtig voll zu laden. Und erinnert dich daran, das Leben auch als Mama oder Papa richtig zu genießen!