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Häufige Ursachen für psychische Belastungen bei Kindern und Jugendlichen

Autorin - Melanie Schüer

Innerhalb eines Jahres erkranken in Deutschland fast 20 Prozent der Kinder und Jugendlichen an psychischen Erkrankungen. Wenn die Seele leidet, wird das gesamte kindliche Leben beeinträchtigt – deshalb ist es wertvoll, wenn Eltern sensibel auf Zeichen einer psychischen Belastung achten und vor allem so gut wie möglich vorbeugen. Dafür ist es wichtig, die häufigsten Ursachen für psychische Belastungen im Kindes- und Jugendalter zu kennen. Einen Überblick bekommst du hier.

Lesezeit: Etwa 9 Minuten
Vater hält seine Söhne links und rechts auf dem Arm. Sie haben Spaß und lachen.

Vielfältige Faktoren hinter psychischen Belastungen

Psychische Belastungen bei Kindern und Jugendlichen können viele Ursachen haben, die oft in verschiedenen Bereichen ihres Lebens zu finden sind. Im familiären Umfeld spielen Aspekte wie z. B. Streitigkeiten, Trennung der Eltern oder mangelnde Unterstützung eine Rolle. Aber auch das soziale Umfeld, wie Freundschaften oder Mobbing, sowie gesellschaftliche Faktoren wie Leistungsdruck oder Medienkonsum können Auswirkungen auf das psychische Wohlbefinden haben. Darüber hinaus können biologische Faktoren, etwa eine genetische Veranlagung oder neurobiologische Besonderheiten, eine Rolle spielen. Besonders im familiären Bereich hast du als Elternteil die Möglichkeit, aktiv einzugreifen und das Wohlbefinden deines Kindes zu fördern. Ein liebevoller, stabiler Rückhalt, eine offene Kommunikation und das Erkennen von Belastungen im Alltag deines Kindes sind Schritte, die du gemeinsam mit deinem Kind gehen kannst, um ihm Sicherheit und Unterstützung zu bieten. Indem du auf die Bedürfnisse deines Kindes achtest und ihm zeigst, dass es auf dich zählen kann, kannst du die Grundlage für ein starkes Selbstwertgefühl und eine gesunde psychische Entwicklung legen.

Erziehungsstil

Du darfst gerne immer mal wieder reflektieren, wo du deinen Erziehungsstil aktuell einordnen würdest. Man unterscheidet zwischen dem:

  • demokratischem Stil:  die Kinder bekommen viel Nähe und Zuneigung; die Eltern stellen Regeln auf, aber lassen das Kind in gewissen Grenzen mit entscheiden
  • antiautoritärem Stil: die Kinder dürfen alles selbst entscheiden, bekommen aber auch viel Zuneigung
  • vernachlässigendem Stil: die Kinder haben viel Freiheit, bekommen aber wenig Fürsorge oder Zuneigung
  • autoritärem Stil: die Eltern kontrollieren und bestimmen nahezu alles und geben eher wenig Wärme und Zuneigung

 

Unsere Expert*innen Empfehlung: 

Am förderlichsten für die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen ist der demokratische Erziehungsstil. Die anderen Stile fördern psychischen Stress, weil die Kinder entweder zu wenig Fürsorge, Annahme und liebevolle Begleitung erleben oder zu wenig Begrenzung und Struktur erfahren. 

Erwartungs- und Leistungsdruck

Eltern wollen das Beste für ihr Kind – das ist gut so! Doch manchmal schießen Eltern aus dieser guten Absicht über das Ziel hinaus und setzen ihr Kind zu sehr unter Leistungsdruck, zum Beispiel mit Blick auf Noten oder Leistungen im Sport oder Musikunterricht. Ein bisschen Ansporn und Herausforderung schadet nicht, aber hinterfrage gerne immer mal wieder: Wie hoch sind die Anforderungen, die du an dein Kind stellst? Kann dein Kind aus deinen Worten und Verhaltensweisen noch klar erkennen, dass du es bedingungslos liebst – egal, welche Leistungen es vorzeigen kann? 

 

So kannst du dein Kind unterstützen!

Versuche, nicht zu oft das Ergebnis, das dein Kind erreicht hat, zu loben, sondern eher die Bemühung deines Kindes. Zeige Interesse an dem, was dein Kind macht – ohne den Fokus zu sehr auf Leistung zu legen. Denn Leistungsdruck ist eine wichtige Ursache dafür, dass Kinder psychische Belastungen entwickeln, z. B. Essstörungen, Zwangsstörungen oder eine Depression.

Familiäre Konflikte

Streit zwischen den Eltern oder zwischen Eltern und ihrem Kind, gehört zum Leben dazu. Wenn dieser allerdings immer wieder mit viel Geschrei oder sogar Aggression einhergeht, ist das für Kinder und Jugendliche belastend. Auch, wenn sehr oft – mehrmals pro Woche – gestritten wird, bedeutet das auf Dauer psychischen Stress

 

Lesetipp:

Du möchtest mehr darüber erfahren, wie sich familiäre Veränderungen auf dein Kind auswirken können? Schau dir unsere weiterführenden Artikel an: Was macht eine Trennung mit einem Kind? und Herausforderungen in der Patchworkfamilie – und wie sie gemeistert werden.

Psychische Erkrankungen oder elterlicher Stress

„Einem Kind kann es nie besser gehen als den Eltern“, sagte mal ein kluger Mensch. Und es stimmt: Für kurze Zeit mögen Eltern ihre eigenen Belastungen verbergen können, doch auf Dauer spüren die Kinder, wenn es Mama oder Papa nicht gut geht und leiden selbst darunter. Deshalb ist Selbstfürsorge auch für die kindliche psychische Gesundheit ganz wesentlich. 

 

Lesetipp: Fühlst du dich gestresst und brauchst Unterstützung? Lies unseren weiterführenden Artikel Stressbewältigung für Eltern und entdecke praktische Tipps, wie du den Alltag entspannter meistern kannst.

 

Fehlende emotionale Unterstützung oder Bindungsprobleme

Wir Eltern stellen uns gerne vor, dass Liebe und eine gute Beziehung zu den Kindern ganz von allein entstehen und wachsen. Oft ist das auch so – aber nicht immer. Manchmal blockieren bestimmte eigene Erfahrungen die Entwicklung einer gesunden Bindung zum Kind. Dann kann es sein, dass Eltern, zumindest phasenweise, wenig Liebe zum Kind spüren oder es nicht so warmherzig begleiten können, wie sie gern möchten. Kinder spüren das und leiden darunter.

 

Das kannst du tun: Du hast jetzt die wichtigsten innerfamiliären Ursachen für psychische Belastungen bei Kindern und Jugendlichen kennengelernt. Für all diese Situationen gilt: Veränderung ist möglich! Der erste Schritt besteht immer in der Erkenntnis, dass etwas schief läuft – danach folgt der zweite Schritt: das Suchen von Hilfe. Wende dich gerne an eine kostenlose Erziehungsberatungsstelle. Dort können neutrale Fachkräfte dir helfen, Lösungswege zu entwickeln. 

Mobbing in der Kita oder Schule

Mobbing bedeutet enormen psychischen Stress für Kinder und Jugendliche. Soziale Ausgrenzung wird im Gehirn ähnlich wahrgenommen wir körperlicher Schmerz und bedeutet für Menschen eine massive Bedrohung. Selbstwert und soziale Fähigkeiten leiden und das kann viele psychische Erkrankungen hervorrufen. 

 

Lesetipp: Du möchtest wissen, wie du dein Kind bei Mobbing unterstützen kannst? Erfahre mehr in unseren Artikeln: Mobbing im Kindergarten und Mobbing in der Schule.

Soziale Isolation und Einsamkeit

Die Lockdowns in der Corona-Pandemie haben zu einem Anstieg der psychischen Belastungen geführt. Kein Wunder, denn Einsamkeit fördert psychische Erkrankungen wie zum Beispiel Depression oder soziale Ängste. 

Du machst dir Sorgen, dass dein Kind depressiv sein könnte? Erfahre mehr über Anzeichen und Hilfsmöglichkeiten in unserem Artikel Ist mein Kind depressiv?.

Gruppenzwang und Identitätsprobleme

Wer bin ich und wie will ich sein? Diese Frage wird immer wichtiger, je älter dein Kind wird, aber sie beschäftigt auch schon jüngere Kinder. Wenn ein Kind das Gefühl hat, so, wie es ist, nicht akzeptiert zu werden – zuhause oder außerhalb – bewirkt das starken psychischen Stress. Auch Unklarheiten in Bezug auf die eigene Sexualität oder das eigene Geschlecht verunsichern Jugendliche häufig – besonders, wenn die Eltern mit Unverständnis reagieren. 

Auch Gruppenzwang, z. B. beim Tragen bestimmter Markenkleidung oder Konsum von bestimmten Spielen oder Substanzen kann Kinder und Jugendliche enorm unter Druck setzen, dass ihre psychische Gesundheit leidet. 

 

Diese Tipps können deinem Kind helfen!

Eltern dürfen ihren Kindern immer wieder versichern: „Ich liebe und akzeptiere dich so, wie du bist! Und wenn du anders bist, als andere denken oder erwarten, darfst du immer mit mir reden und ich stehe zu dir! Du bist wertvoll und einzigartig.“ Letztlich geht es hier um die Förderung von Selbstwert und Selbstbewusstsein. 

Schulsozialarbeitende können wertvolle Ansprechpersonen bei sozialen Schwierigkeiten sein, ebenso wie Schulpsychologische Beratungsstellen oder Jugendberatungsstellen. Außerdem gibt es Mobbingprojekte wie „Gemeinsam Klasse sein“ oder „Schulen gegen Mobbing“. 

Schulstress und Konkurrenzdruck

Druck, der die Psyche belastet, kann auch durch schulische Einflüsse z. B. Lehrkräfte, Konkurrenzkampf in Klassen oder durch soziale Medien entstehen. Durch die ständigen Vergleiche können Kinder und Jugendliche Minderwertigkeitsgefühle entwickeln, welche das Selbstwertgefühl und die Stimmung beeinträchtigen. 

Wichtig ist deshalb, dass Eltern den Medienkonsum von Kindern begleiten und zeitlich begrenzen. Begleiten bedeutet, dass ihr auch mal gemeinsam etwas spielt oder euch eine Folge mit anschaut, dir etwas zeigen lässt und mit deinem Kind über das, was es medial konsumiert und in sozialen Kontakten oder schulischen Situationen erlebt, sprecht und nachdenkt.

 

Finanzielle Engpässe als psychische Belastung

Wenn Kinder und Jugendliche merken, dass die Eltern mit finanziellen Engpässen kämpfen, kann dies auf Dauer ebenfalls Gefühle von Unsicherheit und Minderwertigkeit wecken. 

 

Was du tun kannst!

Eltern können dem entgegenwirken, indem sie mit ihrem Kind offen über Geldsorgen sprechen. Du kannst z. B. sagen: „Ja, wir haben nicht so viel Geld wie manch andere Familien. Aber es gibt auch viele Menschen auf der Welt, die noch viel weniger haben und trotzdem Glück und Freude erleben. Wir können dankbar sein für so vieles, zum Beispiel … und wir finden Wege, wie wir zurecht kommen da, wo es knapp ist.“ 

In unserem Artikel Geldsorgen als Familie? So kommst du trotzdem über die Runden findest du praktische Tipps und Unterstützung. Oder lass dich gerne bei einer Sozialberatungsstelle kostenlos unterstützen – vielleicht gibt es Mittel, von denen du noch nicht wusstest und die Lage entspannen können. 

Wie Genetik, Entwicklungsphasen und chronische Erkrankungen die Psyche beeinflussen können

  • Bei vielen psychischen Erkrankungen spielt auch die genetische Veranlagung eine Rolle, zum Beispiel bei Depressionen oder Angststörungen.
  • Zudem haben Entwicklungsphasen einen hohen Einfluss auf die psychische Gesundheit – die Autonomiephase zwischen zwei und fünf Jahren (auch „Trotzphase“ genannt) oder die Pubertät sind Beispiele dafür. Hier wird im Gehirn so viel umgebaut, dass die Kinder bzw. Jugendlichen sensibler und verletzlicher sind als sonst.
  • Auch individuelle Besonderheiten, wie zum Beispiel chronische körperliche Erkrankungen (Asthma, Diabetes, Nierenerkrankungen u.a.) bergen ein hohes Maß an psychischem Stress. 

 

Wie du unterstützen kannst!

Eltern dürfen hier bewusst gegensteuern, indem sie diese besonderen Risikofaktoren wachsam, aber ohne Angst, im Blick haben und rechtzeitig reagieren, wenn sie Belastungen erkennen. Zeige deinem Kind viel Verständnis, Akzeptanz und Anteilnahme – aber sei auch bereit, professionelle Hilfe zu holen, wenn du selber nicht weiterkommst. Bei Fragen und Sorgen sind Kinderärzt*innen, Psychotherapeut*innen für Kinder und Jugendliche sowie Familienberatungsstellen die richtigen Anlaufstellen.

Wie äußert sich psychischer Stress bei Kindern und Jugendlichen am häufigsten?

Typische Hinweise auf psychische Belastungen im Kindes- und Jugendalter sind u.a.:

  • Reizbarkeit, häufige Wutausbrüche
  • Schlafprobleme
  • Appetitveränderungen
  • Traurigkeit, bedrückte Stimmung
  • Rückzug, Schweigsamkeit
  • Unerklärliche körperliche Symptome wie Schmerzen 

Weitere Hinweise, wie du psychische Belastungen erkennen kannst, findest du in unserem Artikel Psychische Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen.

Fazit

Die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen ist genauso wichtig wie ihre körperliche Gesundheit. Es lohnt sich, diese als Eltern im Blick zu haben und dein Kind bewusst zu unterstützen. Du hast nun einen Überblick über wesentliche Ursachen für psychische Belastungen im Kindes- und Jugendalter. Das erlaubt es dir, zu wissen, wann du besonders aufmerksam hinschauen und dir bei Bedarf gerne fachliche Hilfe holen kannst. Das lohnt sich, denn: Kinder, deren Eltern ihnen einen offenen, bewussten Umgang mit der psychischen Gesundheit vorleben, profitieren davon enorm für ihr ganzes weiteres Leben.