Format: Artikel – Schreibfeder auf dem Tisch
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Raus aus der Mental Load Falle

Autorin - Kerstin Schmied

„Man kann nicht gleichzeitig hundertprozentige Berufstätige, hundertprozentige Mutter, hundertprozentige Partnerin sein. Dann wird man ein dreihundertprozentiges Wrack!“ Das Zitat der Ex-Familienministerin Renate Schmidt bringt auf den Punkt, was viele Eltern täglich erleben: Neue Gummistiefel kaufen, den Kindergeburtstag organisieren, Arzttermine ausmachen – und das alles neben Kinderbetreuung, Haushalt und Job. Ein riesiger Berg an Organisationsaufgaben, der oft an einer Person hängenbleibt. Diese unsichtbare Denkarbeit wird als Mental Load bezeichnet – und meist trifft es die Mütter.

Das Problem: Wenn sich alle darauf verlassen, dass du dich um alles kümmerst, wird deine Kapazität schnell aufgebraucht. Chronischer Stress, Schlafprobleme oder sogar Burnout können die Folge sein.

Doch es gibt Wege, um aus der Mental Load Falle auszubrechen! Spätestens, wenn dein Kopf voll ist und dein Akku leer, ist es Zeit, den Kreislauf zu durchbrechen. Hier findest du Strategien, die dir helfen, den Mental Load zu reduzieren und den Familienalltag leichter zu machen.

Lesezeit: Etwa 6 Minuten
Fröhliche Frau liegt auf einer Wiese und sieht seitlich in die Kamera. Nah.

Gedanklich neu sortieren

Der erste Schritt, um Mental Load zu reduzieren, ist eine bewusste Auseinandersetzung mit den eigenen Gedanken und Verantwortlichkeiten. Studien zeigen, dass Menschen, die mental überlastet sind, oft eine besondere Form von Zukunftsangst entwickeln: Sie fürchten, dass etwas schief gehen könnte oder fühlen sich für Dinge verantwortlich, die noch gar nicht akut sind. Daraus entwickelt sich oft eine generelle Angst, zu Scheitern oder Ansprüchen nicht zu genügen.

  • Fühl dich stark: Mach dir bewusst, was du täglich leistet. Wer so viel schafft und wuppt, darf auch etwas mal nicht gut hinbekommen! Wenn du immer wieder unter Schuld- und Schamgefühlen leidest, solltest du dir professionelle Hilfe suchen. In einem Coaching geht es darum, dass du dich so magst, so annimmst, wie du bist.
  • Lass die anderen reden: Versuche, dich von den Erwartungen anderer zu lösen. Ob das die vermeintlich gut gemeinten Ratschläge der Mutter sind oder die Blicke der anderen Kita-Eltern.
  • Spüre deinen Frust: Oft schlucken wir negative Gefühle einfach runter. Dabei sagen sie uns, was wir eigentlich brauchen! Fühlst du dich unsichtbar im Job? Fehlt dir die Wertschätzung für deine Care-Arbeit? Du bist nicht „überempfindlich“, wenn du das zur Sprache bringst. Überlege – am besten gemeinsam mit Freund*innen – was hinter deinem Frust steckt und wie du deine Bedürfnisse besser erfüllen könntest.
  • Lass los: Du bist selbst überrascht, wie schwer es dir fällt, die Kontrolle abzugeben? Damit bist du nicht alleine. Denn oft denken wir unbewusst: Wenn es auch ohne mich geht, bin ich nicht mehr so wichtig! Vielleicht hilft dir der Gedanke, dass deine Familie davon profitiert, wenn du weniger Mental Load hast und dadurch entspannter wirst. 

Prioritäten prüfen und verändern

Oft ist der Mental Load so hoch, weil wir uns zu viele Dinge gleichzeitig vornehmen und alles wichtig nehmen – außer Zeit für sich selbst oder als Paar. Deshalb ist es sinnvoll, regelmäßig die alltäglichen Abläufe und Gewohnheiten unter die Lupe zu nehmen und nach ihrer Dringlichkeit zu beurteilen. Indem wir uns bewusst für bestimmte Aufgaben entscheiden und unwichtige Dinge zurückstellen, gewinnen wir Raum für das Wesentliche. 

  • Gut genug reicht: Frage dich, welche Themen für dich persönlich und für euch als Familie relevant sind. Und wo es nur um Erwartungen anderer oder einen „guten Eindruck“ geht. Das gilt auch für private Treffen oder Engagements. Wenn solche Termine mehr Kraft kosten als Freude spenden, darfst du gerne absagen!
  • Mach mal Pause: Oft denken wir, dass wir uns Erholung erst durch Arbeit verdienen müssen. Oder dass es Freizeit nur gibt, wenn eben mal ein paar Minuten übrig sind. Selbstfürsorge sollte aber so wichtig sein, dass sie eigene Einträge in deinem Kalender bekommt. Übrigens: Wenn du gleich am Morgen etwas Me-Time einplanst (kurzer Spaziergang, Yoga-Routine, etc.), hilft das, dein Energielevel zu stabilisieren.
  • Checkt euren Fokus: In regelmäßigen Familienmeetings – oder Paargesprächen, wenn die Kinder noch klein sind – könnt ihr euch abstimmen, was z. B. diese Woche besonders wichtig ist und Kraft kosten darf. Bei der Gelegenheit solltet ihr auch schauen, ob es Punkte gibt, die in dieser Zeit ruhen oder gestrichen werden können.
  • Übe dich in Gelassenheit: Als „Resignative Reife“ beschreiben Psychologen die Fähigkeit, zu akzeptieren, dass es Dinge gibt, die man nicht ändern kann. Dazu gehören die unterschiedlichen Charaktere und Bedürfnisse der Familienmitglieder, aber auch die äußeren Umstände wie die finanzielle Situation. Von der Illusion, dass wir alles schaffen können und unter einen Hut bringen können, dürfen wir uns verabschieden.

Zuständigkeiten neu verteilen

Besonders belastend ist Mental Load, wenn die Aufgabenbereiche im Familienalltag ungleich verteilt sind. Häufig übernimmt ein Elternteil – meistens die Mutter – einen Großteil der organisatorischen Verantwortung. Ziel ist gar nicht, dass jede(r) genau 50 Prozent der Aufgaben übernimmt, sondern dass sich beide damit wohlfühlen und keiner das Gefühl hat, allein gelassen zu werden. Wichtig: Es geht nicht darum, dass der andere im Haushalt oder mit den Kindern „hilft“, sondern dass beide Elternteile gleichwürdig sind und sich gleichermaßen verantwortlich fühlen. Für eine wirkliche Entlastung sollte auch das Planen, Organisieren und das „daran Denken“ übernommen werden. Dabei geht es nicht nur um die alltäglichen Dinge, wie Kochen und Hausaufgaben, sondern auch um langfristige Themen, wie z. B. Besuche bei Ärzt*innen oder Entscheidungen bei der Schulwahl. Ab einem bestimmten Alter können auch Kinder Verantwortung übernehmen – sei es beim Aufräumen oder beim eigenständigen Packen der Schulsachen. Das entlastet nicht nur die Eltern, sondern fördert auch die Selbstständigkeit der Kinder.

  • Macht es sichtbar: Um die Verantwortung aufzuteilen, muss sie erst sichtbar werden. Schreibt dazu alle Aufgaben und Themen des Alltags mit den verschiedenen Schritten und der Häufigkeit auf. Das geht als Mindmap auf einem großen Plakat oder als Excel-Tabelle. Dann kann farbig markiert werden, wer für was zuständig ist.
  • Legt euch fest: Ein gemeinsames Planungs-Tool sorgt für Transparenz. Dafür eignen sich digitale Kalender oder Family-Planer am besten, weil jede(r) seine Themen aktualisieren und anpassen kann. Außerdem lassen sich notfalls leichter die Bereiche des anderen übernehmen kann, wenn es die Situation erfordert.
  • Findet euren Weg: Bei der Aufteilung der Zuständigkeiten gibt es kein Richtig oder Falsch. Schaut, was zu eurem Alltag und euren Persönlichkeiten passt, zum Beispiel:
    • Aufgabencluster bzw. Gesamtpakete verteilen (Auto, Wäsche, Kindergeburtstage, etc.) mit allen Aufgaben, die dazugehören
    • Zuständigkeit nach Kindern (Ein Elternteil erledigt alles um Kind 1, der andere um Kind 2)
    • Aufteilung der Wochentage oder Tageszeiten (Einer kümmert sich am Morgen, einer am Abend)

Fazit

Mental Load betrifft viele Eltern oft unbemerkt, aber er kann große Auswirkungen haben. Wenn du ständig an alles denken musst – von Arztterminen bis hin zur Einkaufsliste – kann das schnell zu Erschöpfung und Frustration führen. Der Schlüssel, um aus der Metal Load-Falle zu gelangen, liegt in einer fairen Verteilung der Verantwortung: Sprich mit deinem Partner über die unsichtbaren Aufgaben, mache sie sichtbar und sucht gemeinsam nach Lösungen. Kleine Veränderungen im Alltag, wie klare Zuständigkeiten oder regelmäßige Absprachen, können einen großen Unterschied machen. So entsteht mehr Gleichberechtigung und mehr Leichtigkeit für euch als Familie.