Zum Thema Zahnunfälle bei Kindern und Jugendlichen haben wir ein Interview mit Prof. Dr. Gabriel Krastl geführt. Er ist unter anderem Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Endodontologie und zahnärztliche Traumatologie (DGET). Hier bekommst du die wichtigsten Antworten auf deine Fragen und Sorgen zu Zahnunfällen.
Zahnunfälle sind – wie der Name schon sagt – Verletzungen der Zähne. Aber nicht nur die Zähne können betroffen sein, sondern auch das Zahnfleisch kann verletzt sein und der Kieferknochen kann gebrochen sein.
Zahlreiche Aktivitäten zu Hause, in der Schule oder beim Sport bergen ein hohes Risiko für Zahnunfälle. Im Kindes- oder Jugendalter ist die Wahrscheinlichkeit, einen Zahnunfall zu erleiden, größer als davon verschont zu bleiben und neben der Karies die größte Gefahr für den Zahnerhalt.
Prinzipiell kann ein Zahnunfall – je nach Alter des Patienten – sowohl Milchzähne als auch bleibende Zähne betreffen. In den meisten Fällen sind dabei die oberen Schneidezähne betroffen, da sie aufgrund ihrer Stellung im Zahnbogen besonders gefährdet sind. Im Zuge eines Zahnunfalls können Zähne abbrechen, gelockert oder verschoben werden oder sogar komplett aus dem Kiefer ausgeschlagen werden.
In jedem Fall sollte nach einem Zahnunfall eine Zahnarztpraxis oder – bei schwerwiegenden Gesichtsverletzungen – ein Krankenhaus aufgesucht werden, da die betroffenen Gewebe sehr empfindlich sind.
Idealerweise sollte ein ausgeschlagener bleibender Zahn in einer sogenannten Zahnrettungsbox transportiert werden. Das ist ein Zellkulturmedium, in dem die Zellen bis zu 24 Stunden überleben können. Schulen und Sportvereine sollten mit Zahnrettungsboxen ausgestattet sein. Ist die Zahnrettungsbox jedoch am Unfallort nicht verfügbar, kann der Zahn in kalte H-Milch gelegt werden. Auch darin können die Zellen mindestens eine Stunde überleben. Ansonsten gibt es noch die Möglichkeit den Zahn in Plastikfolie (z.B. Frischhaltefolie) feucht zu halten, bis eine bessere Lösung gefunden wird. Die Lagerung in Wasser wäre ungünstig da die Zellen darin schnell absterben.
Aber nicht nur ausgeschlagene Zähne, sondern auch Zahnbruchstücke sollten am Unfallort unbedingt gesucht werden da diese in vielen Fällen problemlos wieder angeklebt werden können. Auch Zahnfragmente sollten feucht gelagert werden damit sie nicht austrocknen und ihre Farbe verändern. Im Gegensatz zu vollständig ausgeschlagenen Zähnen ist für Zahnfragmente aber Leitungswasser völlig in Ordnung.
Sofern es sich um einen bleibenden ausgeschlagenen Zahn handelt, sind die Aussichten für den Zahnerhalt sogar ganz gut, wenn man richtig handelt! Man muss alles dafür tun, dass die Zellen auf der Wurzeloberfläche nicht absterben. Der Zahn sollte nicht an der Wurzel angefasst werden, sondern nur an der Krone und möglich sofort feucht, am besten in einer Zahnrettungsbox, gelagert werden. Jede Minute zählt hier! Und dann sofort den Zahnarzt aufsuchen damit dieser den Zahn wieder einpflanzt.
Zahnunfälle im Milchgebiss ereignen sich am häufigsten zwischen dem 18. und 30. Lebensmonat. In dieser Entwicklungsphase sind einerseits die motorischen Fähigkeiten eingeschränkt und andererseits potenzielle Risiken im Umfeld für das Kind noch nicht abschätzbar. Im Prinzip können im Milchgebiss die gleichen Zahnverletzungen auftreten wie im bleibenden Gebiss. Bei kleinen Kindern ist der Knochen jedoch etwas weicher und deswegen kommt es häufiger dazu, dass Milchzähne durch den Unfall verschoben, manchmal sogar vollständig in den Kieferknochen gedrückt werden. Problematisch ist hier insbesondere, dass verschobene Milchzähne in den bereits gebildeten bleibenden Zahnkeim hineingedrückt werden und diesen schädigen können.
Gerade aus diesem Grund sollte man auch bei verletzten Milchzähnen immer zum Zahnarzt gehen. Der Zahnarzt wird dann alles untersuchen und entscheiden, ob man die weitere Heilung ohne Intervention abwarten kann oder ob verletzte Milchzähne behandelt oder manchmal auch entfernt werden müssen. In der Realität bestimmt auch die Behandlungsfähigkeit des Kindes, ob eine Behandlung adäquat, kompromissbehaftet oder überhaupt nicht möglich ist. In jedem Fall sind regelmäßige Nachkontrollen nach einem Zahnunfall erforderlich, um einen komplikationslosen Verlauf sicherzustellen und beim Auftreten weiterer Probleme rechtzeitig eingreifen zu können.
Wenn bei einem Unfall ein Milchzahn in den Kieferknochen hineingeschlagen wird, besteht Gefahr, dass die Milchzahnwurzel in den bleibenden Zahnkeim hineingestoßen wird und diesen schädigt. Vor dem vierten Lebensjahr ist das Risiko am größten da in den ersten Lebensjahren die Milchzahnwurzel noch die volle Länge hat und der bleibende Zahnkeim gerade in dieser Phase nur teilweise gebildet und daher noch sehr empfindlich ist. Ob es durch den Unfall zu einem Schaden des Zahnkeims gekommen ist, kann man anhand des Schweregrades des Unfalls zwar erahnen, sichtbar wird das mögliche Ausmaß des Schadens aber erst viele Jahre später, wenn der bleibende Zahn in die Mundhöhle durchbricht und sichtbar wir.
Die üblichen Kosten für die Notfallbehandlung nach einem Zahnunfall übernimmt die Krankenkasse.