Format: Elternfrage
Elternfrage

Mein Kind ist aggressiv, es schlägt, beißt und haut. Was kann ich tun?

Wenn Kinder aggressiv werden, ist das für die Eltern meist ziemlich schockierend. Das kleine Wesen, das vor Kurzem noch so lieb und niedlich war, tut auf einmal anderen weh. Das führt zu Sorgen, oft auch zu Frust und Wut, weil man sich als Eltern fragt, wie das eigene Kind sich nur so „daneben benehmen“ kann.

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Wütendes kleines Mädchen schreit.

Warum Kinder aggressiv werden

Zunächst einmal ist es wichtig zu wissen, dass gerade im Kleinkindalter viele Kinder Phasen mit erhöhter Aggressionsbereitschaft durchleben. Das ist häufig im Alter von ca. 1,5 bis 2,5 Jahren besonders ausgeprägt – einer Lebenszeit, in der die Kleinen schon deutlich spüren, was sie wollen, aber das sprachlich noch nicht oder nicht gut artikulieren können.

Teil der Entwicklung

Wenn Kinder aggressiv werden, hat das auch mit ihrer Entwicklung zu tun. Wie schon erwähnt, gerade Kleinkindern fällt es aufgrund ihrer Entwicklung noch schwer, sprachlich auszudrücken, was sie stört oder was sie möchten. Daraus entsteht oft ein Gefühl von Hilflosigkeit und Frust, der dann zu Aggression führen kann. Hinzu kommt, dass Kleinkinder ab ca. 1,5 bis 2 Jahren sehr deutlich ihren eigenen Willen spüren. Gleichzeitig können sie sich noch nicht in andere hineinversetzen und verstehen daher nicht, dass nicht alles so laufen kann, wie sie es sich wünschen. Auch das führt zu Frust und Wut. Das Kind wird aggressiv, denn die Kontrolle über die eigenen Gefühle und das Verhalten ist bei Kleinkindern noch kaum vorhanden – von starken Gefühlen wie Wut werden sie quasi „überflutet“ und haben sich dann selbst nicht mehr im Griff.

Überforderung kann Kinder aggressiv machen

Reizüberflutung überfordert viele Kinder. Zwar ist richtig, dass Kinder neugierig sind und es lieben, die Welt zu entdecken. Manchmal spüren sie aber auch nicht, wann es ihnen zu viel wird und erleben einfach zu viel. Diese Reizüberflutung kann dann dazu führen, dass sie ihr eigenes Verhalten nicht mehr gut im Griff haben und die innere Anspannung durch Aggression nach außen tragen. Auch Schlafmangel oder zu hoher Medienkonsum können zu kindlicher Überforderung führen und Kinder aggressiv machen.

Schlechte Vorbilder: Aggression der Eltern

Kinder orientieren sich sehr an dem Verhalten, das sie bei anderen beobachten. Wenn sie sehen, dass andere Kinder schlagen oder beißen, dann kann allein das ein Grund sein, weshalb sie dieses Verhalten auch ausprobieren. Allerdings spielt auch das Verhalten der Eltern eine große Rolle. Studien zeigen: Wenn Eltern aggressiv sind, dann wenden auch Kinder sehr häufig Gewalt an. Übrigens gilt das auch für regelmäßiges Schreien. Schreien ist eine Form von Gewalt und erhöht ebenfalls die Aggression bei Kindern. Sie nehmen die aggressive Stimmung auf und setzen die dann oft körperlich um. Ein Buch mit vielen hilfreichen Tipps: „Erziehen ohne auszurasten“ von Sheila Mc Craith.

Kindliche Angst und Aggression

Wenn Kinder sich bedroht fühlen, kann das zu Kurzschlussreaktionen führen. Sie wollen sich dann schnell wehren und das tun wir Menschen oft instinktiv durch körperliche Reaktionen. Das kann z.B. in ungewohnten Situationen passieren, wie einer neuen Betreuungsform oder, wenn auf einmal viele unbekannte Menschen das Kind umringen. Deshalb ist es wichtig, Kinder nicht mit Nähe zu überfordern, wenn diese Zurückhaltung signalisieren. „Ein Küsschen für Oma“ sollte keine Pflicht sein, wenn das Kind das nicht möchte! Und für die Eingewöhnung in Krippe, Kita oder bei Tageseltern sollte man dem Kind genügend Zeit geben, um Unbehagen zu vermeiden.

Langeweile

So wie zu viele Reize Aggression auslösen können, kann auch ein Mangel an Beschäftigung die Gewaltbereitschaft erhöhen. Wenn Kinder zu viel auf sich allein gestellt sind oder sich nutzlos fühlen, kann das dazu führen, dass sie innere Anspannung entwickeln. Diese Anspannung kann sich dann in Form von Aggression ausdrücken.

Aggressivität abgewöhnen

Wichtig ist, mithilfe der oben genannten Informationen zunächst nach den Ursachen zu suchen – manchmal ist es auch eine Mischung aus mehreren Gründen. Dann sollte man versuchen, an der Wurzel des Übels zu arbeiten, also z.B. Reizüberflutung oder Langeweile reduzieren oder den eigenen Umgang mit Wut verbessern, um ein besseres Vorbild zu sein. Gelegentlich findet man auch keine konkrete Ursache, doch auch dann kann man handeln. Dazu ist es wichtig, möglichst früh Anzeichen für Anspannung des Kindes zu erkennen. Achte darauf, ob es z.B. quengelig oder unruhig wird und reagiere frühzeitig.

Je nach Situation kann es dann sinnvoll sein, dein Kind abzulenken oder für etwas mehr Ruhe zu sorgen. Je nach Alter kannst du deinem Kind helfen, Gefühle wie Wut besser zu verstehen und mit ihm Techniken zum Umgang damit üben, z.B.: “Ich verstehe, dass du gerade wütend bist! (Das ist wichtig: Wir fassen das Gefühl in Worte!) Komm, du kannst die Wut rauslassen, indem du in das Kissen boxt. Box‘ die ganze Wut darein! Oder stampfe auf den Boden!“ Das klappt oft erst nach einer Weile und braucht etwas Geduld.

Hilfreich sind Bücher wie „Wohin mit meiner Wut“ von Dagmar Geisler (ab ca. 4 Jahren) oder „Mein großes Buch der Gefühle“ von Stefanie Couturier (ab ca. 3 Jahren) oder „Ängstlich, wütend, fröhlich sein“ von Dagmar Geisler (ab 3 Jahren).

Wenn dein Kind trotz deiner Unterstützung so wütend und aggressiv ist, dass es anderen weh tut, ist es wichtig, das klar zu unterbinden: „Nein! Du darfst anderen nicht weh tun!“ Je nach Alter kannst du dein Kind dann ein Stück zur Seite nehmen oder, wenn es nicht aufhört, mit ihm sie Situation verlassen. Es ist wichtig, dass du dabei ruhig, aber konsequent reagierst. Bestrafe es nicht zusätzlich, indem du es danach kühl oder abweisend reagierst – die Konsequenz, nun erst einmal nicht weiterspielen zu dürfen, reicht völlig aus und es ist wichtig, dass dein Kind sich weiter geliebt fühlt. Nur dann hat es genügend innere Sicherheit, um kompetenter mit Frust und Wut umgehen zu lernen. Wenn es auf deine Anweisung hin aufhört, zu schlagen oder einen Konflikt von vornherein friedlich löst, dann gebe ihm dafür eine positive Rückmeldung, um das erwünschte Verhalten zu verstärken.