Format: Artikel – Schreibfeder auf dem Tisch
Artikel

Sexuelle Entwicklung deines Kindes im Grundschulalter und in der Vorpubertät

Autorin - Melanie Schüer

Die sexuelle Entwicklung im Grundschulalter und in der Vorpubertät ist eine spannende Phase für dein Kind – und für dich als Elternteil. Dein Kind beginnt, seinen Körper und seine Gefühle bewusster wahrzunehmen, zeigt Interesse an Themen wie Freundschaft, Liebe oder Sexualität und stellt vielleicht Fragen, die dich überraschen. Gleichzeitig können erste Anzeichen der Vorpubertät auftreten, wie ein neues Körperbewusstsein oder der Wunsch nach mehr Privatsphäre. In diesem Artikel erfährst du, wie du dein Kind in dieser wichtigen Entwicklungsphase unterstützen kannst, welche Verhaltensweisen typisch sind und wie du eine offene und vertrauensvolle Atmosphäre für Gespräche über Körper, Gefühle und Sexualität schaffen kannst.

Lesezeit: Etwa 4 Minuten
Verliebte Kinder halten Herz vor ihre Gesichter

5-9 Jahre: Entwicklung in der Kindheit

In diesem Alter entwickeln die meisten Kinder ein stärkeres Scham-Gefühl und gehen befangener mit Nacktheit um. Außerdem legen sie viel Wert auf ihre Identität als Mädchen bzw. Junge und lehnen in dieser Phase oft auch das andere Geschlecht ab („Jungs sind blöd!“). Manchmal kommt es aber auch schon zu kleinen Verliebtheiten und Schwärmereien.
Kinder haben meist schon detailliertere Fragen zu Sexualität und Körperentwicklung. Oft finden Kinder diesen Alters es lustig, Erwachsene mit „versauten“ Begriffen, die sie in Kindergarten und Schule aufschnappen, zu schockieren. Viele Kinder kuscheln noch immer gern.

Aufgaben der Eltern

Eltern sollten die Schamgrenzen ihrer Kinder akzeptieren, selbst aber ein Vorbild sein, indem sie möglichst unbefangen mit Nacktheit umgehen und locker über Fragen der Sexualität reden – ohne sich dabei dem Kind aufzudrängen. Lebe einfach eine positive Einstellung zum eigenen Körper vor – das prägt auch dein Kind.
Zusammenhänge von Sexualität und Körperlichkeit können nun noch genauer erklärt werden, zum Beispiel mithilfe von Büchern (siehe Materialien zur Sexualaufklärung). Dabei sollte auch erneut die Wichtigkeit der eigenen Grenzen vermittelt werden. Versaute Wörter sollten nicht überbewertet werden – aber erkläre deinem Kind ruhig, was die Wörter bedeuten und, warum sie unangebracht sind. Gerade bei Beschimpfungen solltest du erklären, welche Emotionen das beim Gegenüber auslöst und, dass diese deshalb nicht okay sind. Gefühle, die Kinder in Freundschaften oder ersten Schwärmereien empfinden, sollten niemals verharmlost, sondern immer ernst genommen werden. Kinder handeln in diesem Alter oft sehr geschlechtsbezogen („Pink ist eine Mädchenfarbe, wie uncool!“) - das ist normal. Dennoch sollten Eltern eine gewisse Freiheit von Geschlechterklischees vorleben, indem sie betonen, dass manche Jungen eben auch gern Rosa mögen und manche Mädchen gerne kämpfen. Toleranz und die Wertschätzung von Vielfalt (sexuell, aber auch religiös, kulturell, etc.)  ist grundsätzlich ein wichtiger Wert, der in diesem Alter vermittelt werden sollte: „Menschen sind ganz unterschiedlich und das ist okay! Jeder ist wertvoll, so, wie er ist!“ Auch Schmuseeinheiten sollten Eltern weiter großzügig verteilen. Früher hatten Eltern Angst, gerade Jungs so zu „verweichlichen“. Doch das Gegenteil ist der Fall: Zärtlichkeit stärkt das Selbstbewusstsein!

10-12 Jahre: Entwicklung in der Vorpubertät

Diese Phase beginnt bei Mädchen mit dem erstem Wachstum der Brust und endet mit der Menstruation. Sie endet bei Jungen mit dem erstem Samenerguss – der Beginn ist bei Jungen weniger klar zu definieren, lässt sich aber oft – wie auch bei Mädchen – am Verhalten erkennen: Kinder werden in dieser Phase rebellischer, aufsässiger und häufig auch launisch durch die beginnende Hormonumstellung und Gehirnveränderungen.
Besonders bei Jungen zeigt sich häufig ein starker Bewegungsdrang und beide Geschlechter empfinden ein größeres Bedürfnis nach Rückzug, Ruhe sowie Abgrenzung von den Eltern.
Dieses Alter ist bestimmt von großen Schwankungen: An einigen Tagen wirken die Kinder schon wie vollpubertäre Teenager, an anderen Tagen sind sie plötzlich wieder kindlicher, haben einen größeren Wunsch nach Nähe und auch Spaß an kindlicheren Aktivitäten. Dieses Zwischenstadium ist für Kinder und Eltern meist sehr verwirrend und anstrengend.
Manchmal entstehen in diesem Alter schon erste „Beziehungen“.

Aufgaben der Eltern

Eltern sollten sensibel und verständnisvoll auf die Veränderungen ihrer Kinder reagieren.
Mädchen hilft es, wenn Mütter ihnen möglichst locker ein paar Tipps für den Umgang mit den körperlichen Veränderungen geben – zum Beispiel wattierte BHs, die verhindern, dass die Brustwarzen sich unter der Kleidung abzeichnen, oder Informationen über die Rasur der Achselhaare und zur Menstruation. Auch Jungen brauchen Informationen, zum Beispiel, was ein Samenerguss bedeutet, warum sie auf einmal mit Erektionen aufwachen und, wie sich mit einer guten Hautpflege Pickel zumindest vermindern lassen. Gut ist es, wenn zumindest ein solches Gespräch mit dem Vater oder einer männlichen Bezugsperson stattfindet und dieser sich auch als Ansprechperson für weitere Fragen zur Verfügung stellt. Verhütung ist ebenfalls ein wichtiges Thema. Eltern müssen nicht jedes Detail erwähnen – oft sind ein offenes Gespräch und ein geeignetes Buch eine gute Kombination (siehe Materialien zur Sexualaufklärung). Vielleicht magst du auch ein „Fragebuch“ anlegen – eine Art Notizbuch, das du an einem bestimmten Ort hinterlegst und in das dein Kind Fragen schreiben kann, die es ungern persönlich besprechen möchte. Du beantwortest die Fragen dann ebenfalls schriftlich im Buch. Gut ist es, wenn Eltern gelassen mit den Launen ihrer Kinder umgehen, sie nicht persönlich nehmen und signalisieren: „Ich weiß, dass du verwirrt bist, weil sich einiges verändert. Das ist anstrengend; das verstehe ich.“