Format: Interview – Mikrofon auf dem Tisch
Interview

Regenbogenfamilie – Zwei Mütter und ein Vater bekommen ein Kind

Gastautorinnen - Anna & Stefanie

Familienmodelle sind inzwischen facettenreich und bunt. Anna und Stefanie haben sich ein Kind gewünscht und vor eineinhalb Jahren ging dieser Wunsch in Erfüllung. Zusammen mit ihrem Sohn leben sie nun als glückliche Regenbogenfamilie. Wie in vielen Familien ist auch ihr Alltag eng getaktet – Arbeit und Familie müssen unter den manchmal zu kleinen Hut passen. Wie das verheiratete Paar den Vater ihres Sohnes fand, wie entschieden wurde, wer von beiden schwanger wird, wie sie ihren Familienalltag stemmen und noch vieles mehr, lest ihr hier im ausführlichen Interview.

Lesezeit: Etwa 17 Minuten
Zwei Frauen und ein Kleinkind schauen aus dem Fenster. Ansicht von hinten.

War für euch als Paar von Anfang an klar, dass ihr ein Kind wollt?

Anna: Wir sind seit sechs Jahren zusammen. Am Anfang hatten wir andere Themen. Es war nicht sofort klar, ob wir Kinder zusammen haben wollen. Wir waren da unterschiedlich gewichtet, also wie stark jede von uns Kinder haben möchte. Das hat sich erst entwickelt – dann doch relativ schnell.

Stefanie: Im Grunde war es wie bei jedem heterosexuellen Paar – total klassisch. Ein Teil war sich ab einem gewissen Alter recht sicher, also ich. Ich war Anfang/Mitte 30 J. und wusste, dass es sich in der nächsten Beziehung entscheiden sollte. Ich glaube, so wie das bei heterosexuellen Paaren auch ist: Der eine Teil macht mehr Druck als der andere. Der andere Teil weiß noch nicht so recht und ist vielleicht noch unsicher in dieser Frage.

Anna: Ich war mit 37 J. eigentlich schon über den Punkt drüber. Ich dachte, das ist jetzt irgendwie alles zu kompliziert mit Kindern in so einer Partnerschaft. Deshalb hatte ich mich schon damit abgefunden, dass ich „nur“ Nichten und Neffen als nahe Kinder in meinem Leben habe. So war der Stand, als wir uns kennenlernten.

Wurde das Kinder-Thema vor der Hochzeit geklärt?

Anna: Die Kinder Thematik haben wir noch vor der Hochzeit besprochen. Wir haben 2020 geheiratet. In der Corona-Zeit. Eine Heirat macht auch eine eventuelle Adoption einfacher.

Seid ihr beide berufstätig?

Anna & Stefanie: Ja, beide in Vollzeit.

Stefanie: Das knirscht schon manchmal. Ich habe eine leitende Stelle und Anna ist selbstständig. Und wie das bei Selbständigen so ist, die können immer arbeiten. Im Grunde funktioniert es dafür ziemlich gut. Der Kleine ist in der Kita und ist nicht das erste Kind morgens und auch nicht das Letzte beim Abholen. Wir bekommen das insgesamt ganz gut hin. Aber bei uns ist eine Woche schon recht taff.

Anna: Wir verlängern durchaus auch in die Abendstunden hinein. Wenn der Kleine im Bett ist, setzen wir uns noch mal ran und holen noch einiges vom Tag auf. Sowohl Arbeit als auch andere Dinge, die man so erledigen muss.

Stefanie: Der Vorteil ist, wenn man in einer großen Stadt wohnt, dass wir uns ziemlich gut optimiert haben, was das Thema Dienstleistung angeht. Die Einkäufe werden z.B. geliefert. Das spart uns viel Zeit, die wir dann fürs Kind oder die Arbeit haben. Im Großen und Ganzen versuchen wir alles, was uns keinen Spaß macht, outzusourcen.

War Adoption oder Pflegekind eine Option für euch?

Anna: Diese Gedanken haben wir aufgeschoben. Da wir ja theoretisch beide ein Kind kriegen können, war ein eigenes Kind erstmal die priorisierte Option. Wenn das nicht funktioniert hätte, hätten wir sicher darüber nachgedacht, was es noch für Möglichkeiten gibt.

Stefanie: Für uns war wichtig, optimistisch ranzugehen – dass wir ja biologisch zwei Chancen haben und dass es schon klappen wird. Mehrere Möglichkeiten, sozusagen: doppelte Kraft.

Wie habt ihr entschieden, wer von euch das Kind austrägt?

Anna: Wir sind erst mal ganz pragmatisch nach dem Alter gegangen. Ich bin ja die Ältere. Als das Thema konkreter wurde, war ich 39 Jahre alt. Daher dachten wir, dass ich erst einmal anfange, da meine Uhr ‚lauter‘ tickt. So war der Plan. Und wenn es bei mir mittelfristig nicht funktioniert, wussten wir, dass Stefanie es dann auch ausprobiert hätte.

Stefanie: Ja, wir sind da wirklich eher pragmatisch und auch sehr entspannt rangegangen. Wir hatten gerade Urlaub und da hatten wir spontan entschieden, dass ich es das nächste Mal einfach probiere. Und dieser eine Versuch hat dann geklappt und ich war schwanger. Ich war also eigentlich nur die „Urlaubsvertretung“.

Wie lange hat es gedauert, bis „ihr“ schwanger wart?

Anna: Nach drei Versuchen bei mir, hatte es noch nicht funktioniert. Und dann gab es diesen einen Versuch durch die „Urlaubsvertretung“, der dann klappte. Die Versuche waren relativ zügig hintereinander. Als wir beschlossen, dass es nun losgehen soll, hatten wir jeden Zyklus genutzt und einen Versuch gemacht. Insgesamt waren es dann vier Versuche.

Stefanie: Von dem Moment an, wenn ein Paar sich entscheidet ein Kind zu bekommen, kommt einem jeder Zyklus unglaublich lang vor. Die Zeit vergeht langsamer als sonst. Ich glaube, dies ist generell bei der Thematik so, bei allen Paaren, sowohl hetero- als auch gleichgeschlechtliche Paare. Die Zeit dehnt sich auf einmal endlos. Aber jetzt im Nachgang, wenn ich darüber nachdenke, ist es doch sehr schnell gegangen. Wir haben im August geheiratet und im November war ich schwanger.

Anna: Interessant ist, selbst wenn man sich eigentlich gar keinen Stress machen will und ganz locker an das Thema ‚schwanger werden‘ rangeht, beschäftigt einen das Thema doch sehr und es entsteht ungewollt ein gewisser „Erfolgsdruck“.

Kam eine anonyme Samenspende für euch in Frage?

Stefanie: Der Prozess zu entscheiden, dass wir beide als Paar ein Kind bekommen möchten, hat länger in der Einigung gedauert, als das Thema WIE bekommen wir ein Kind? Wir waren uns schnell einig, dass wir keine anonyme Samenspende möchten. Es ist überwiegend der ‚klassische‘ Weg, über eine Samenbank zu gehen. Vom klassischen Weg zu sprechen ist generell schwierig, aber in einer Frauen Beziehung ist es üblicher, auf die Samenbank zuzugreifen. Wir hatten eher den Wunsch, den Vater oder den Menschen der uns hilft, ein Kind zu bekommen, in ‚echt‘ in unserem Leben haben zu wollen. Bei einer anonymen Samenspende ist es so, dass das Kind keinen Bezug zu seinem Vater im Alltag hat. Da waren wir uns einig, dass wir das nicht wollen.

Anna: Wir wollten, dass unser Kind weiß, wie sein Vater aussieht und wer er ist, so dass kein Luftschloss entsteht.

 

Wie habt ihr den Vater gefunden?

Anna: Wir haben erst einmal die Fühler in unserem privaten Umfeld ausgestreckt. Da gab es zwei Ideen. Dann haben wir aber recht schnell gemerkt, dass es schwierig wird, wenn es eine familiäre, eine freundschaftliche oder emotionale Verbindung gibt – wenn man sich also schon kennt. Wir haben uns vorgestellt, dass es später vielleicht zu komplizierten Situation kommen könnte. Man hat eine Freundschaft mit der Person, dem Vater, und dann kommt bei ihm zum Beispiel ein neuer Partner/Partnerin dazu und schon gibt es eine neue, weitere Ebene. Wir haben uns gefragt, ob dies alles so funktioniert. Man muss halt immer wieder Dinge miteinander klären und was ist, wenn man den neuen Partner/Partnerin vielleicht weniger einbindet, als es gewünscht wird?

Wir haben auch jemanden aus unserem Freundeskreis konkret angesprochen, ob er sich das vorstellen könnte. Er hatte sich damit sehr schwergetan. Einerseits hatte es ihn gefreut und andererseits hatte er gerade eine neue Frau kennengelernt und wusste nicht, wie sie das wohl finden würde, wenn er jetzt ein Kind zeugt. Letztendlich haben wir zwei Personen aus unserem Freundeskreis gefragt. Wir haben diesen Weg dann ziemlich schnell wieder aufgegeben. Im Nachgang sind wir sowieso total happy, dass es nicht jemand aus dem Bekanntenkreis geworden ist.

Stefanie: Wir haben unseren Weg dann über eine Plattform gefunden. Die nennt sich „familyship“. Es ist wie eine Art Dating-Plattform, die den Fokus auf Co-Parenting, Mehrelternschaft oder Regenbogenfamilien legt. Also völlig losgelöst von sexueller Orientierung. Man kann es sich wie eine Dating-Plattform unter dem Begriff „wie finden Eltern zusammen“ vorstellen. Da haben wir uns angemeldet und sind wirklich ein bisschen auf Datingsuche gegangen. Die Plattform hat das ziemlich gut organisiert. Grundsätzlich gibt es dort verschiedene Rollen. Ich kann bspw. sagen, ich bin aus männlicher Sicht nur der Samenspender. Das heißt, ich habe keinen Kontakt, ich bin wirklich nur Spender. Oder eine andere Rolle kann sein, ich bin eine Art Onkel-Figur, das heißt ich spende und bin wie ein Onkel, der ab und zu mal im Leben des Kindes auftritt. Oder ich bin wirklich ein Vater oder/und ich möchte die Vaterschaft sogar alleine. Man entscheidet sich, bevor man sich ein Profil anlegt: Welche Rolle suche ich und welche Rolle sind wir? Dadurch muss man sich gut fokussieren. Für uns war klar, dass wir auch hier nicht nur einen Samenspender suchen würden.

Wie lange hat es gedauert, bis ihr den Vater gefunden habt?

Anna: Tatsächlich hatten wir den jetzigen Vater unseres Sohnes angeschrieben. Bevor wir zusammen ein Kind bekamen, hatten wir mit ihm anderthalb Jahre Kontakt. Es war uns wichtig, ihn besser kennenzulernen, einfach weil er auch mehr als ‚nur‘ der Samenspender sein sollte, sondern eher die Onkel-Rolle einnehmen sollte und auch wollte. Es ist einfach ein echter Prozess. Man lernt den Menschen kennen und findet heraus, ob man diesen Menschen überhaupt im Leben haben möchte und kann. Passen die Vorstellungen?

Stefanie: Man geht ‚daten‘. Es ist schon skurril. Man macht sich als Paar schick und trifft sich mit fremden Menschen und fragt sich, möchte ich, dass dieser Mensch den Rest meines Lebens Teil von mir ist?

Anna: Wir hatten zwei ‚Dates‘. Erst trafen wir uns mit einem schwulen Paar, das auch Kinder wollte. Das andere Date war mit dem tatsächlichen Vater. Wir hatten wirklich viel Glück. Es waren beides sehr tolle Treffen. War auch beides erstmal vorstellbar. Wir haben uns dann auch länger mit dem Paar getroffen und uns kennengelernt. Dann haben wir aber irgendwann gemerkt, dass das für uns einfach zu viele Menschen für ein Kind sind. Vier Leute. Viele Absprachen.

Stefanie: Es gibt sicher Konstellationen, für die es passt. Wenn bspw. geplant ist, mehrere Kinder haben zu wollen, kann eine Konstellation mit vier Eltern ein Plus sein. Ich glaube, wir wollten die Freiheit nicht aufgeben. Letztlich wünschten wir uns beide, das Sorgerecht zu haben. Dies ist immer ein großer Punkt in den Kennenlern-Gesprächen. Da es in Deutschland nur zwei Erziehungsberechtigte geben kann, müsste die andere Partei auf ihre Rechte verzichten. Da kommen viele Punkte zusammen. Es ist nicht nur ein Date, sondern bei uns war es ein Zeitraum von anderthalb Jahren. Immer wieder treffen, sich kennenlernen, welche Vorstellungen gibt es. Viele Fragen, die besprochen werden müssen. Bspw., soll das Kind geimpft werden? Soll es christlich aufwachsen? Wo verbringt das Kind Weihnachten? Welche Rolle spielen Großeltern? Wer vergibt den Namen, wer darf das mitentscheiden? Wer kommt mit ins Krankenhaus? Das kann man sich alles gar nicht vorstellen. Aber es gibt da unter anderem vom Regenbogenfamilienzentrum, hier in Berlin, tolle Gesprächs-und Checklisten, die man durchgehen kann. Sehr zu empfehlen.

Anna: Mit dem Paar sind wir viele Details durchgegangen, weil es gern mehr als nur ‚Onkel‘ wollte. Alle wollen das Kind jede Woche sehen. Normaler Alltag eben. Wir fanden die beiden als Paar so toll und interessant. Wir waren regelrecht verliebt in beide. Haben dann aber gemerkt, dass es uns doch zuviel war. Mit dem jetzigen Vater waren die Detailabsprachen gar nicht notwendig. Da war gleich viel Vertrauen. Wir mussten gar nicht so viele Fragen stellen. Es war lockerer und dadurch ist er es am Ende auch geworden. Es ist dann der Single-Mann geworden, der gesagt hat, ich kann mir maximal das „Onkel-Model“ vorstellen und ich möchte auch kein Sorgerecht.

Hat sich ‚euer‘ Single-Mann gesundheitlich durchchecken lassen?

Stefanie: Ja. Es gab einige gesundheitliche Untersuchungen. Wir haben mit ihm ganz offen über Verhütung, Sexualität, Partner etc. gesprochen.

Anna: Wir haben da auch ganz stark auf seine Aussagen vertraut. Da wir ja Zeit hatten, uns ca. anderthalb Jahre lang kennenzulernen, lief sehr viel über Vertrauen. Vielleicht war das auch naiv und blauäugig. Aber wir hatten ein sehr gutes Bauchgefühl.

Stefanie: Das Ganze beruht einfach sehr viel auf Vertrauen und Menschenkenntnis. Wenn ich ein Mensch wäre, der in der Vergangenheit nicht gut auf die eigene Menschenkenntnis bauen konnte, dann kann ich so ein Model nicht empfehlen. Damit macht man sich vielleicht eher unglücklich. Da würde ich eher grundsätzlich empfehlen, lieber zur Samenbank zu gehen. Andersherum, wenn es bisher im Leben mit den Erfahrungen, die man mit Menschen gemacht hat, ganz gut funktioniert hat, man sich selbst also vertrauen kann, dann klappt es auch mit dem Bauchgefühl.

Hattest du Sex mit dem Vater?

Stefanie: Nein, hatte ich nicht. Wir haben das mit der ‚Bechermethode‘ (*siehe unten – Anmerkung der Redaktion) versucht. Es ist unglaublich einfach. Interessant ist, dass mir immer gesagt wurde, ich hätte eigentlich keine guten Chancen, schwanger zu werden. Daher war die Überraschung natürlich doppelt groß, dass es dann gleich beim ersten Versuch geklappt hat. Damit musste ich erstmal klarkommen: Ich bin jetzt schwanger! Und Anna musste damit klarkommen: Stefanie ist jetzt schwanger!

Anna: Ja, gerade weil wir zwei Frauen sind, ist dies nochmal eine andere Verarbeitung. Ich konnte mir ja vorstellen, ebenfalls schwanger zu werden. Obwohl der „Schock“ (positiv gemeint natürlich) auch sicher bei Hetero-Paaren da ist und diese Nachricht erst einmal verarbeitet werden muss.

Stefanie: Der nächste Schritt wäre der Besuch bei einem Arzt/Ärztin gewesen, wir hätten es dann mit professioneller Insemination probiert. Wir haben einfach gedacht, dass wir die ‚Bechermethode‘ versuchen wollten, um zu sehen, ob es auch auf diesem Wege geht. Möglichst einfach und ohne viel Aufwand.

Anna: Klar, war das schon auch eine skurrile Situation. Wir waren mit dem potenziellen Vater unseres Kindes bei uns zu Haus verabredet. Wir haben einen Sekt besorgt – irgendwie brauchten wir das alle. Er hat sich mit einem Becher zurückgezogen. Irgendwann rief er, dass „alles klar sei“ und ist dann gegangen. Und dann haben wir direkt das weitere Prozedere gestartet.

Wer war bei der Geburt dabei?

Stefanie: Es stand nie zur Debatte, dass der Vater auch dabei sein würde. Letztlich hatte ich auch einen Kaiserschnitt. Da hätte er eh nicht mit reinkommen können. Aber zugegeben, so eng ist man ja dann doch nicht miteinander. Er ist eher wie ein guter Bekannter. Da hätte ich eher meine Mutter mit reingenommen.

Anna: Bei der Geburt war nur ich dabei. Ich war mit im OP und ich habe tatsächlich den Kleinen auch als erstes im Arm gehalten, weil Stefanie durch den Kaiserschnitt noch verhindert war. Wir hatten Glück, dass das Krankenhaus (wegen Corona) soweit wieder geöffnet war, dass ich mit ins Familienzimmer durfte. Das war haarscharf. Die Lockerungen gab es erst kurze Zeit vorher. Der Vater war gleich am zweiten Tag im Krankenhaus und hat den Kleinen angeschaut.

Stefanie: Wir durften zu der Zeit – Sommer 2021 – ja immer nur einen Besucher pro Tag für eine Stunde haben. Für den Vater haben wir dann natürlich auch Besuchstage reserviert.

Ist der Vater in eurem Alltag präsent?

Anna: Wir sind manchmal schon überrascht wie gut es funktioniert. Schnell auf Holz klopfen.

Stefanie: Es funktioniert so, wie wir uns das gewünscht haben, wie wir es uns ausgemalt haben. Wir sind beide keine Traumtänzerinnen und somit beide auch etwas überrascht, wie toll es klappt. Ich glaube, dies gilt für beide Seiten – auch für ihn. Aktuell holt er das Kind 1x in der Woche von der Kita ab. Für uns ist das natürlich wunderbar, weil es unseren Alltag entlastet. Wir wissen halt: Auf der Babysitter-Liste ist er Nummer 1. Wir vertrauen den Kleinen lieber ihm als anderen Menschen an.

Anna: Da wir keine Großeltern hier haben und nicht in der Stadt leben, wo wir herkommen, ist dies ein toller Part, den er übernimmt. Andererseits kann es auch mal sein, dass er auf Reisen ist und spontan länger bleibt, dann muss das für uns halt in Ordnung sein. Dann planen wir die Wochen um. Das ist die Freiheit, die er sich auch nehmen kann. Im Grunde ist es ein Geben und Nehmen von beiden Seiten. Dann wieder geht es auch so weit, dass wir im Sommer mit dem Kleinen die Großeltern – also seine Eltern, besuchen. Der Kleine hat ja drei Großeltern-Paare.

Stefanie: Wir haben einen sehr straffen Monatsplan, sonst funktioniert das nicht mit dem Job-Pensum und Kleinkind. Dabei hilft uns der Vater sehr, wir teilen unter uns Dreien eine Woche immer auf. Ich bringe ihn dreimal die Woche und hole ihn zwei Mal die Woche um 15:30 Uhr von der Kita ab. Das heißt, ich nehme mich an zwei Nachmittagen raus und Anna nimmt sich an zwei Nachmittagen raus und an dem einen Tag dann der Vater. Dann ist es immer so, dass ein Teil von uns am Nachmittag Zeit mit dem Kleinen verbringt.

Fürs Kind da sein, Haushalt und Job – dies ist alles sehr gleichberechtigt aufgeteilt. Ich mache mal eine gewagte Theorie auf. Ich glaube, wir beide können nur so tief in unseren Jobs stecken, weil wir beide wirklich die Aufgaben absolut gleichberechtigt aufteilen. In meinem Berufsumfeld erlebe ich oft Frauen/Mütter, die daran scheitern, dass sie dieses wirklich gleichberechtigte Modell zu Hause eigentlich nicht leben. Selbst die modernsten Männer kriegen eine gleichberechtigte Arbeitsteilung ‚gefühlt‘ nicht hin. Außer die Männer, die Elternzeit nehmen – dann dreht sich das.

Stehen eure Eltern – von euch Dreien – hinter euch?

Anna: Für die Eltern des Vaters war es eine richtige Überraschung, dass da überhaupt noch ein Enkel kommt. Die waren absolut hin und weg. Haben sich sehr gefreut.

Stefanie: Letztlich haben sich die Eltern von uns allen gefreut. Ja, alle sind irgendwie sehr happy.

Anna: Alle sind im Bilde und haben sich mit dieser Konstellation arrangiert bzw. mittlerweile ist es für sie ganz normal. Bei mir war der innere Prozess ja schon im Gange, dass es wohl mit einem eigenen bzw. leiblichen Kind aufgrund meines Alters nichts mehr wird. Meine Mutter und meine Schwester haben über die Jahre immer mal ein bisschen nachgehakt und gefragt wie es bei mir aussieht und dass ja die Uhr nun auch tickt. Also die standen bei allen Ideen hinter mir, hinter uns. Meine Eltern haben sich gewünscht, dass ein Enkelkind kommt. Sie wussten natürlich nicht wie das sein wird, wenn ein Enkelkind kommt, das kein biologischer Enkel ist. Da waren sie selbst unsicher, ob sie das Kind so aufnehmen können, wie ihr eigenes. Darüber haben wir auch miteinander ganz offen gesprochen. Und als der Kleine da war, war das gar kein Thema mehr.

Stefanie: Dann gibt es noch meine Oma – also die Uroma des Kleinen. Dies ist natürlich noch mal eine andere Generation. Am Anfang hat sie sich mit dem Thema schwergetan. Als Frauenpaar ein Kind zu bekommen. Mittlerweile kommt sie damit aber sehr gut klar und genießt es, Zeit zusammen mit ihrem Ur-Enkel zu verbringen.

Gab es Probleme seitens der Behörde oder Gesetzgebung?

Stefanie: Grundsätzlich können wir zu diesem ganzen Prozess viel Gutes berichten. Das Einzige, was uns aufgeregt hat, ist dieser furchtbare Akt mit der Adoption. Anna musste den Kleinen adoptieren.

Anna: Das ist einer der Unterschiede zur klassischen Hetero-Ehe: Weil ich, die Ehefrau, eben nicht einfach sagen kann, dass dies mein Sohn ist. Ich musste eine klassische Stiefkind-Adoption vollziehen. D.h. ich musste mich finanziell komplett ‚ausziehen‘ und ein Gesundheitszeugnis vorweisen. Die Hausärztin musste feststellen, ob ich psychische Probleme oder eine schlimme Krankheit habe. Wäre ich ein Mann, könnte ich auch als Nicht-Biologischer Vater sagen, dass ich das Kind annehme. Dann hätte ich auch automatisch das Sorgerecht mit dieser einen Unterschrift. Letztlich war es alles nicht so schlimm – es hat mich einfach geärgert. Die Politik hat es auf der Agenda stehen, dass da eine Vereinfachung kommen muss.

Stefanie: Es war schon ganz schön aufwendig. Es musste alles über den Notar laufen und ist halt mit Zeit und Geld verbunden. Man muss beim Jugendamt vorsprechen. Dann kommt das Jugendamt nach Hause. Der Vater musste auch zum Jugendamt und dort vorsprechen.

Anna: Das Adoptionsverfahren hat bei uns ein halbes Jahr gedauert. Das variiert zwischen drei Monaten bis zu einem Jahr – je nach Bundesland und Sachbearbeiterin oder Sachbearbeiter. Wir mussten diesen Zeitraum überbrücken und rechtlich absichern. Wenn Stefanie einen Unfall gehabt hätte oder verstorben wäre, hätte es keine rechtliche Absicherung gegeben. Theoretisch hätte der Kleine erst einmal einen Vormund bekommen.

Stefanie: Ich habe mich im Krankenhaus allein in die Geburtsurkunde eintragen lassen, für mein Gefühl war das in diesem Moment das Richtige. Ich wollte kein Risiko eingehen, dass der Vater ggf. doch noch Ansprüche stellt oder die Ämter später Probleme machten.  Was die Ämter dann herausgefordert hat war die Doppelnamen-Thematik. Mit unserer Hochzeit habe ich meinen Nachnamen behalten und Annas Nachnamen als Familiennamen dazu genommen. Jetzt sollte unser Kind im Krankenhaus meinen Doppelnamen bekommen. In Deutschland ist es verboten, Kindern einen Doppel-Nachnamen zu geben.
Der Kleine hat im Krankenhaus also meinen Doppelnamen bekommen, weil die im Krankenhaus mit unserer Konstellation völlig überfordert waren. Ich weiß noch, als ich frisch aus dem Krankenhaus kam – mit Kaiserschnitt und dem Neugeborenen zu Hause lag – und mit der Standesbeamtin am Telefon diskutiert habe. Am Ende mussten wir dann nochmal zum Standesamt und wieder etwas unterschreiben, damit der Kleine keinen Doppelnamen bekommt. Man merkt einfach auch, selbst in einer Stadt wie Berlin, sind viele Ämter damit dann doch irgendwie überfordert.

Wollt ihr noch mehr Kinder?

Anna: Ich denke nicht. Wir sind zu alt. Wenn wir jünger wären, wäre das Thema immer wieder auf dem Tisch. Aber wir wollen auch nicht zu alte Eltern werden. Ich werde 43 J. und Stefanie ist 39 J.

Stefanie: Ich glaube, ein geringer Altersabstand zwischen den Kindern ist mir zu eng. Ich habe das Gefühl, es ist für alle Parteien ein bisschen entspannter, wenn die Kinder altersmäßig nicht ganz so dicht beieinander sind. Wenn ich unseren Sohn nachmittags abhole, dann genieße ich das sehr – außer an ganz stressigen Tagen. Das Alter von dem Kleinen, 1,5 J., ist gerade ganz toll. Ich glaube, ich wäre frühestens in zwei Jahren bereit für ein weiteres Kind. Dann bin ich 41 J. und Anna ist dann 45 J. Das passt bei uns einfach zeitlich nicht mehr so richtig rein. Und jetzt Druck zu machen, nur um dann zwei Kinder zu haben finde ich den falschen Ansatz.

Anna: Obwohl ich die Vorstellung, zwei Kinder zu haben, immer schön fand, einfach für die Kinder. Das ist toll, Geschwister zu haben.

Was wünscht ihr euch?

Stefanie & Anna: Wir wünschen uns, dass es immer weniger Grenzen im Kopf der Menschen gibt, in Bezug auf neue Familienmodelle. Egal ob Hetero- oder Homosexuell, viele haben das zwei Eltern-Modell im Kopf und dann muss es genauso sein. Familie offener zu gestalten, hat auch einen großen Mehrwert. Es hängt nicht immer alles davon ab, ob man sich als Paar noch liebt oder nicht, sondern ‚Familie‘ in einem größeren Rahmen zu leben, kann entlasten und Anforderungen können verteilt werden.

Was ist die Bechermethode?

Anmerkung der Redaktion.
Zu Beginn wird das männliche Ejakulat durch Masturbation gewonnen. Das Sperma wird in einem Becher aufbewahrt – daher kommt der Name dieser Befruchtungsmethode. Das Sperma wird mit einer Spritze (ohne Nadel) aus dem Becher aufgezogen und kann direkt in die Vagina eingespritzt werden. Einige Frauen verwenden für den Versuch ein Diaphragma oder eine Menstruationstasse, um das Sperma möglichst lang in der Nähe des Muttermunds zu halten. Diese Methode kann ohne medizinische Begleitung zu Hause durchgeführt werden.