Format: Artikel – Schreibfeder auf dem Tisch
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Eltern streiten nach der Trennung – muss das sein?

«Wir haben so oft gestritten!» höre ich oft auf meine Frage des Grundes für die Trennung vom anderen Elternteil. Keiner wollte mehr die ständigen Konflikte, den Ärger, die Schuldzuweisungen, die  Rechtfertigungen, die Wut, das Lautwerden – erst recht nicht vor den Kindern! Das ist total verständlich, denn Eltern wissen, dass sie ihren Kindern ein Vorbild sein sollen und Konflikte doch möglichst ruhig aus verschiedenen Blickwinkeln heraus gelöst werden können. Und dann folgt nun die Trennung mit all ihren vielfältigen Facetten, die bei jedem Elternteil unterschiedliche Spuren hinterlässt, aber zumeist eines erst einmal bringt: Ruhe! Die lang ersehnte Ruhe kehrt ein. Vorerst.

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Schwarzes gemaltes Herz an Hauswand: I loved you

Getrennte Eltern bleiben Eltern!

Jeder organisiert sich neu, drückt sich auf seine eigene Weise nun endlich einmal anders aus bis man sich daran erinnert, dass man weiterhin Eltern ist. Vater und Mutter sind also noch miteinander verbunden; nicht mehr als Paar, jedoch als Eltern ein Leben lang. Es wird mit der Zeit deutlich, dass es noch Themen gibt, die das gemeinsame Kind betreffen und die geklärt werden müssen. Wie sieht die künftige Betreuung durch beide Elternteile aus? Lies auch hier im Artikel Trennung der Eltern – 10 Kriterien für das Wechselmodel, wie eine Betreuung aussehen könnte. Wie werden die Übergaben geregelt? Wer geht zu Schulgesprächen? Wer zu den Elternabenden? Wer fährt den Sohn zum Training und die Tochter wöchentlich zu den Großeltern? Wie wird mit den bislang so unterschiedlichen Erziehungsstilen umgegangen? Und und und.

Und da wären wir wieder: Bei neuen Konflikten. Der einzige Unterschied ist, dass man sich nicht mehr so nah ist, sondern heutzutage häufig schriftlich über E-Mail oder den Messenger kommuniziert. Diese neuen Instrumente bergen viele Gefahren. Die Körpersprache, die einen noch zusätzlich auf die Palme brachte, entfällt zwar, aber zwischen geschriebenen Zeilen können sich oftmals monströse Vorstellungen von Feindseligkeit entpuppen.

Vermeide Streit mit dem Ex-Partner(in) – Die 4 wichtigsten Tipps

1. Impuls-Reaktionen vermeiden

Verbanne die Sofortreaktion aus deinem Leben! Der Ex-Partner(in) kennt deine Knöpfe und wenn du dir deiner Reaktionen bewusst bist, kannst du diese auch kanalisieren. Oft machen wir den Fehler aus einem Impuls heraus sofort zu reagieren und gleich in die Tasten zu kloppen. Du willst dich verstanden fühlen, das ist klar, aber das geht erst dann, wenn das Eisen kalt ist zum Schmieden. Erhältst du es weiterhin heiß, verbrennt ihr euch beide und keine Lösung ist in Sicht. Am Ende bleibt eine Menge Aufregung und Frust.

2. Konstruktives Feedback erbitten

Erhalte dein soziales Umfeld für deine persönliche Lebensfreude! Gerade wir Mütter sind oft Meisterinnen darin, uns bei unseren Freundinnen auszujammern und kein gutes Haar mehr am Vater zu lassen. Alle stimmen heiter mit ein und du wirst wieder einmal darin bestätigt, dass du Recht hast und er eben nicht. Mit dieser Grundstimmung, die sich mit jedem Mädelsabend verstärkt, gehst du dann wieder in die nächste Kommunikation und sagst jetzt mal, wo der Haken hängt. Die Reaktion liegt schon auf der Hand und der nächste Streit ist vorprogrammiert. Nutze deine Freunde für die schönen Dinge im Leben und wenn du deren Rat brauchst, dann erbitte konstruktive Feedbacks aus verschiedenen Perspektiven.

3. Antworte im angemessenen Zeitrahmen

Gar nicht antworten - im Sinne von «ich lasse den oder die mal schmoren.» - höre ich auch oft als Bewältigungsstrategie, um sich vermeintlich aus dem anstehenden Konflikt fernzuhalten und sich zu schützen. Aus den Augen, aus dem Sinn kann kurzfristig entlasten, aber wenn ich weiß, dass ich dem anderen Elternteil damit zur Weißglut bringe, weil dieser eine Antwort erwartet, dann muss ich auch die Verantwortung übernehmen, nichts zu einer friedvollen Kommunikation beizutragen. Wenn du also in Zukunft mit dem anderen Elternteil möglichst konfliktfrei umgehen möchtest, dann antworte in einem angemessenen Zeitrahmen, den ihr festlegen könnt, spätestens aber nach 24-48 Stunden.

4. Vermeide Eskalation

Vermeide, wenn immer möglich, Eskalation! Was auch immer dich triggert und dich auf tausend Umdrehungen bringt, du hast gute Gründe dafür! Es lohnt sich jedoch unbedingt, diesen Gründen erst einmal nachzuspüren bevor du losschiesst. Was fehlt dir? Anerkennung? Ein liebevolles Wort? Sicherheit? Verständnis? Tatsache ist, dass in diesem Moment, wo du sofort antworten und dich rechtfertigen möchtest, ein wichtiges Bedürfnis nicht gestillt ist. Wir erhoffen uns oft, dass wir uns durch unser Luft verschaffen Erleichterung holen, aber das ist leider ein Trugschluss. Nicht nur, dass wir Unmengen Energie in eine gewaltvolle Kommunikation hineingeben, wir verpesten die Beziehung zum anderen Elternteil, aber auch zum gemeinsamen Kind, das diesen Situationen weiterhin ausgesetzt ist. Wolltest du das?

Nein, ihr wolltet das beide nicht mehr. Schon vergessen?

Dein Kind – Der stille Ratgeber

Es lohnt sich also auf alle Fälle immer zuerst bewusst einen Schritt zurückzugehen und sich gut zu überlegen, wann und wie ich als verantwortungsvoller Elternteil agieren und reagieren kann. Den Laptop zuzuklappen oder das Handy in die Ecke zu legen und erst einmal kräftig durchzuatmen ist ein wirkungsvoller Schritt in diese Richtung. Verstärkt werden kann dieses Verhalten durch tägliche Selbstfürsorgerituale, wie Meditation, Achtsamkeitstraining oder einfach nur 15 Minuten mit dir selbst und deinem Lieblingsheissgetränk auf dem Sofa. Abstand ist immer die beste Möglichkeit, sich nicht verwickeln zu lassen. Und wenn gar nichts von allem gelingt, dann frage dich immer wieder:

Welches Bedürfnis hat unser Kind? Wie würde es hier vorgehen? Welche Ideen hätte es dazu? Da euer Kind euch beide liebt, wird es aus seiner Loyalität zu euch beiden dein wertvollster stiller Ratgeber sein.