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Trennung der Eltern – 10 Kriterien für das Wechselmodell

Autorin - Vanessa Matthiebe

Sind die ersten Wogen nach einer Trennung erst einmal geglättet, geht es darum sich zu überlegen, wieviel Kontakt euer gemeinsames Kind mit beiden Elternteilen verbringen soll. Grundsätzlich hat euer Kind ein Recht auf Bindung und Beziehung zu Mutter und Vater. Die Frage ist nun, welche Art der Betreuung tut eurem Kind gut und lässt sich aufgrund der neuen Lebensumstände überhaupt umsetzen. Lies auch hier unseren Artikel Wenn Eltern sich trennen – Gefühle zulassen ist wichtig

Lesezeit: Etwa 4 Minuten
Zwei Türen im Ausschnitt. Gelbe und grüne Tür

Das Wechselmodell – wie funktioniert es?

Immer mehr Kinder getrennter Eltern leben das sogenannte Wechselmodell. Dabei betreuen Vater und Mutter ihr Kind entweder symmetrisch, also hälftig (echtes Wechselmodell) oder asymmetrisch, z. B. 60/40 oder 70/30 (unechtes Wechselmodell). In manchen Ländern, z. B. in Australien oder Belgien, wird dieses Modell in den Vordergrund gestellt und teilweise sogar angeordnet. Hierzulande beziehen sich die Gerichte und Behörden auf den Einzelfall und die Kommunikationsfähigkeit der Eltern wird stark in den Vordergrund gerückt, um dieses Modell zu leben.

Gleichberechtigte Betreuung durch das Wechselmodell

Das Wechselmodell bedingt gewisse Vorüberlegungen und Voraussetzungen, damit euer Kind davon profitieren kann. Denn eines ist klar: Mit dieser Art der Betreuungsaufteilung behalten Mutter und Vater die Erziehungsverantwortung und keiner mutiert zu einem Wochenend- oder Entertainmentelternteil. Eine gleichberechtigte Betreuung auf Augenhöhe. Dabei kommt eurem Kind zugute, dass es seine Identifizierung an beiden Rollenbildern ausrichten kann, was für gelingende Beziehungen im Erwachsenenalter sehr wertvoll ist. Voraussetzung ist, dass es keine langen Reisewege für euer Kind gibt. Im Idealfall bleibt ihr in einer 'gesunden' Nähe zueinander wohnen, so dass der Lebensmittelpunkt für euer Kind beibehalten werden kann.

10 Tipps zum Wechselmodell – was beachtet werden sollte

  1. Alter eures Kindes. Je jünger euer Kind desto mehr zählen die Bezugspersonen, die eurem Kind verlässlich zur Verfügung stehen. Je älter euer Kind, desto wichtiger werden soziale Kriterien, wie der Freundeskreis.
     
  2. Bindung und Beziehung zu beiden Elternteilen. Je stärker beide Elternteile in der Betreuung und Erziehung vor der Trennung schon involviert waren, desto sinnvoller ist es, dies beizubehalten im Sinne einer zu erhaltenen Stabilität für euer Kind.
     
  3. Der Willen eures Kindes. Gemäss dem UN-Kinderrecht müssen Kinder in sie betreffende wichtige Lebensthemen miteinbezogen werden. Es geht nicht darum, dass sich euer Kind entscheiden soll, wo bzw. bei wem es nun leben möchte. Das wäre fatal, denn euer Kind kann das nicht entscheiden, weil es euch beide liebt. Jedoch könnt ihr nach seinen Ideen fragen, wie es sich das Zusammenleben in Zukunft vorstellt.
     
  4. Spezielle Bedürfnisse eures Kindes. Sollte euer Kind gesundheitliche Beeinträchtigungen haben, sollten bspw. Therapien beibehalten werden.
     
  5. Erziehungsfähigkeit. Sofern du und der andere Elternteil schon vor der Trennung einen Teil der Erziehung übernommen hast, sollte die Fähigkeit eigentlich nicht in Frage gestellt werden, obwohl ich das manchmal in den Beratungen erlebe. Der Vater, der vorher Windeln gewechselt und sich Zeit zum Spielen genommen hat, soll plötzlich nicht mehr genügen. Hier gilt es hinzuschauen: Um was geht es hier wirklich? Wie sehen die Bedürfnisse eures Kindes dazu aus?
     
  6. Bindungstoleranz. Ihr akzeptiert gegenseitig die Beziehung eures Kindes zum jeweils anderen Elternteil und empfindet euch beide als entwicklungsfördernd.
     
  7. Konflikthaftigkeit. Normalerweise finden Eltern nach einigen Wochen oder Monaten einen Weg, sich einvernehmlich über die Belange ihres Kindes zu einigen. Es gibt aber auch kritische Verläufe. Manchmal bricht zwischen den zerstrittenen Eltern ein Flächenbrand aus und kein Stein bleibt mehr auf dem anderen. Dies ist hoch kritisch für euer Kind, denn es wird unter dem anhaltenden Konflikt leiden. Mögliche Folgen können ein Loyalitätskonflikt oder eine Parentifizierung sein, wenn das Kind die Rolle des gegengeschlechtlichen Erwachsenen übernimmt, um dem anderen zu helfen oder zu trösten. Hier heisst es: Unbedingt aussteigen! Wenn das nicht gelingt, dringend fachliche Hilfe in Anspruch nehmen.
     
  8. Elternkooperation. Getrennte Eltern nutzen verschiedene Formen der Kommunikation, um administrative und organisatorischen Themen zu klären. Welche Formen sich am besten eignen, sollte festgelegt sein. Als hilfreich hat sich erwiesen, sich über Verhalten und Befinden des Kindes austauschen zu können. Denn früher oder später kann es dazu kommen, dass Kinder anfangen, ihre Eltern auszuspielen, um an ihr Ziel zu kommen. Hier bewährt sich ein gemeinsamer Austausch.
     
  9. Absprachefähigkeit. Eltern sollten sich ernst nehmen in den Vereinbarungen, die sie miteinander treffen. Werden Absprachen eingehalten, stärkt dies das gegenseitige Elternvertrauen, das nach einer Trennung häufig wieder aufgebaut werden muss.
     
  10. Betreuungsmöglichkeiten. Vor der Trennung erfolgte Betreuungsformen sollten im Sinne der Stabilität für euer Kind beibehalten werden, wenn das möglich ist. Dies ist es natürlich nicht immer. Es wäre jedoch hilfreich, sich über die Betreuungsformen einig zu werden. Das Wechselmodell unbedingt durchsetzen zu wollen und das Kind dann in die Krippe zu stecken, weil der Elternteil arbeiten muss, sollte gut überdacht werden.

Das Wechselmodell bietet eurem Kind trotz Trennung eine wertvolle Möglichkeit, die Beziehung zu beiden Elternteilen weiterhin leben zu können. Wie auch immer ihr die Betreuung eures Kindes aufteilt und organisiert, ist eine wertschätzende, respektvolle Haltung zueinander die beste Basis für die gelingende Entwicklung eures Kindes.

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