Das Vorlesen von Geschichten oder – bei den ganz Kleinen – das gemeinsame Anschauen von Bilderbüchern fördert die Sprachentwicklung von Kindern ganz besonders. Ärzte, Lehrer, Logopäden – alle, die sich mit Sprache beschäftigen, raten Eltern, ihren Kindern Geschichten vor zu lesen. Denn: Vorlesen erweitert den Wortschatz, entwickelt ein Gefühl für Grammatik und schult das Sprachverständnis.
Natürlich kannst du deinem Kind immer und überall Geschichten vorlesen. Hilfreich ist es zudem, wenn ihr euch Vorleserituale schafft. Plane diese routiniert in den Tagesablauf ein. Dein Familienalltag bietet viele Möglichkeiten dazu. Und neben der Förderung des Spracherwerbs, geben wiederkehrende Vorleserituale deinem Kind zusätzlich Sicherheit, Geborgenheit und Nähe zu dir.
Im Folgenden findest du Beispiele für unterschiedliche Vorleserituale. Sie beschreiben auch, wie deine Vorleseart, also das Erzeugen von Spannung oder Ruhe mit deiner Stimme, deinem Kind in herausfordernden Alltagsituationen hilft. Vielleicht ist auch ein Vorleseritual dabei, das zu euch passt und ihr im Alltag nutzen könnt?
Der kleine Leo ist am Abend immer sehr aufgeregt und aktiv. Er kann sich kaum noch konzentrieren und für seine Eltern ist es schwierig, ihn ins Bett zu bringen.
„Wir haben dann das Ritual entwickelt, uns gemeinsam auf einen gemütlichen Sessel zu setzen und ihm ein Buch vorzulesen. Die Nähe zu uns Eltern tut ihm gut. Ich lese dann immer mit einem sanften Stimmklang und einem langsamen Sprechtempo vor. Leo beruhigt das, er hört konzentriert zu und atmet tiefer und entspannter. Nach dem Vorlesen kooperiert er beim Umziehen und zu Bett gehen viel besser“, sagt seine Mutter.
Du erkennst, das Vorlesen hat neben der Förderung der Sprache auch die Funktion der Beruhigung. Nutze hierbei vor allem eine sanfte Stimme und ein gemächliches Tempo. Baue zusätzlich kleine Verse als Gesang in die Geschichten mit ein. Deinem Kind wird es gefallen.
Wenn die kleine Hannah nach dem Kindergarten von ihrem Babysitter nach Hause gebracht wird, fällt es ihr manchmal schwer, sich selbständig zu Hause „einzufinden“. Sie ist dann ein wenig orientierungslos und sucht viel Nähe zu ihren Eltern.
„Ich habe das Gefühl, dass Hannah für einen Wechsel von Betreuungspersonen und bei einem Ortswechsel oft Begleitung braucht. Deshalb haben wir ein Vorleseritual eingeführt, bei dem wir uns immer als erstes, wenn Hannah nach Hause kommt, auf die Couch setzen und ein Büchlein vorlesen. Ihr tut es gut, wenn ich immer die gleiche Geschichte lese. Damit verbindet sie Vertrautes. Und sie spricht einige Buchzeilen auswendig mit. Schritt für Schritt verbessert sich sogar ihre Grammatik“, sagt ihr Vater.
Du merkst, das Vorlesen bietet Sicherheit, wenn beispielsweise ein Wechsel der Umgebung oder der Bezugsperson stattfindet. Es hilft, immer die gleiche Geschichte oder bereits bekannte Geschichten zu lesen und fördert das Sprachgefühl.
Die Geschwister Ben und Ronja kommen morgens nur schlecht aus dem Bett und sind extreme Morgenmuffel. „Unser Ritual ist es, morgens zum Wachwerden eine kleine Geschichte vorzulesen. Wir setzen uns auf den Fußboden oder auf das Bett. Ich wähle immer lustige Geschichten mit Reimen oder mit Zeilen zum Mitsprechen. Das belebt die Kinder und sie werden in ihrem eigenen Tempo wach“, sagt der Vater.
Hier erkennst du, dass das Vorlesen auch die Funktion der Aktivierung haben kann. Spreche dabei mit lauter, aussagekräftiger Stimme, so dass du Spannung herstellen kannst. Sprechreime machen Spaß und bringen Euch zum Lachen. Probiert es aus!
Wenn du ein passendes oder ein neues Vorleseritual einführen möchtest, beobachte dein Kind im Alltag genau. Erkenne die Momente, in denen dein Kind eher träge und müde ist und du es gerne motivieren beziehungsweise aktivieren möchtest. Erkenne die Zeitpunkte, in denen dein Kind eher aufgeregt und unkonzentriert ist, ihm aber ein ruhiges Verhalten in der Alltagssituation helfen würde. Diese Momente und natürlich viele andere, sind passend für ein Vorleseritual.
Variiere deine Stimme, lasse die bekannten Verse beim Vorlesen mitsprechen oder senke deine Tonlage. Probiere aus, welches Vorleseritual in euren Alltag passt und vergiss nie, dass du dabei ganz nebenbei die Sprachentwicklung unterstützt. Wenn du weitere Fragen hast, kannst du dich gerne an unser Expertenteam wenden!