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Profile von Hochbegabten kennen und nutzen

Autorin - Martina Rosenboom

Eine Hochbegabung scheint ein positives Persönlichkeitsmerkmal zu sein. Tatsächlich ist die Fähigkeit, schneller, tiefer und weiter zu denken aber erst einmal ein Potential, dass zusammen mit der Persönlichkeit eines Kindes zum Tragen kommt. Und da sind die Kinder sehr verschieden. Die amerikanische Forscherin Maureen Neihart hat daraus sechs Profile entwickelt. Diese werden vor allem genutzt, um die verschiedenen Lernpersönlichkeiten von hochbegabten Kindern anschaulich darzustellen, sie schneller zu identifizieren und passende Fördermöglichkeiten auszuwählen. Das betrifft vor allem die Schule, aber auch als Vater oder Mutter trägst du viel zum Lernen deines Kindes bei.

Lesezeit: Etwa 4 Minuten

Sieh diese Profile...

...als Anregung, wie du Persönlichkeit und Begabungen erkennen und fördern kannst.

Typ 1: Der Erfolgreiche (Successful)

Dein Kind zeigt gute Leistungen und gutes Sozialverhalten, bleibt im Lehrplan und mag keine Risiken? Das Problem liegt dann oft darin, dass Herausforderungen gemieden werden. Die meisten Kinder sind stattdessen fixiert auf Bestätigung von außen.

Fördermaßnahmen sollten deshalb darauf abzielen, Eigenständigkeit und Unabhängigkeit von externen Maßstäben aufzubauen. Die Bezugspersonen zu Hause und in der Schule sollten Herausforderungen schaffen und den schrittweisen Aufbau von Fähigkeiten ankurbeln. So kann systematisch Risikobereitschaft aufgebaut werden. Dann traut sich dein Kind auch einmal etwas, wo es nicht sicher ist, beste oder bester zu sein.

Typ 2: Der Herausforderer (Creative)

Dein Kind folgt gern inneren Überzeugungen, arbeitet spielerisch, ist impulsiv und hat nur geringes Interesse, Anforderungen zu entsprechen? Dann kannst du diese Kreativität gut fördern und sie als Potential weiterentwickeln. Statt zu überlegen „Wie kreativ ist mein Kind?“ ist die Frage „In welcher Weise ist es kreativ?“ besser. Diese inklusive Fragestellung geht weniger von erbrachten Leistungen, sondern mehr von Potentialen aus. Weitere Förderung soll vor allem kreative Freiräume erhalten und gerade dort unterstützen.

Typ 3: Der Verborgene (Underground)

Dein Kind verbirgt seine Fähigkeiten und lehnt Leistungsverhalten und Talententwicklung ab? Oft erfährt es widersprüchliche Aufgaben und Anforderungen oder erlebt Leistungsverhalten als „Verrat“ an seiner Gruppe. Ein Mädchen, das gerne Mathematik macht? Ein Junge, der gerne singt? Viele Kinder versuchen „schlau, aber nicht zu schlau“ zu sein. Wenn Mentoren – als Menschen, die unterstützen und fördern - sie anspornen, sich aus der Gruppe zu lösen, dann ist das (soziale) Umfeld oft hinderlich.

Ist Wissen über Hochbegabung als Phänomen bekannt, so heißt es „Aber ich doch nicht!“ Als Fördermaßnahmen sollen die Bezugspersonen zu Hause und in der Schule einladende Lernumgebungen schaffen (nicht „Auswählen“ sondern „Einladen“), Spannungen ausgleichen und beim Umgang mit Gruppenregeln helfen (code switching). Vielen Kindern helfen direkte Schulungen für soziale Fähigkeiten, um in verschiedenen sozialen Umgebungen erfolgreich zu sein. Wenn die Kinder älter sind, brauchen sie offene Diskussionen über die Nebenwirkungen des (sozialen) Aufstiegs: Es nützt nichts, ihnen als Beschwichtigung zu sagen „…, aber deine Freunde von früher bleiben dir ja erhalten“, weil das oft nicht stimmt.

Typ 4: Risiko-Kinder (at risk)

Dein Kind löst wiederholt Krisen und (Unterrichts-)Unterbrechungen aus, verursacht dir Erziehungsprobleme und hat ernsthafte emotionale und Verhaltensauffälligkeiten? Dann lässt es sich durch Belohnungen meistens nicht motivieren. Trotzdem ist es wichtig, die Anforderungen nicht zu senken, denn das könnte das Kind als Verlust von Vertrauen in seine Fähigkeiten interpretieren.

Da dein Kind unter seinen unrealistische Selbsterwartungen selbst am meisten leidet, kannst du ihm vor allem beim Setzen von realistischen Zielen helfen. Das Training der Fähigkeiten, soziale Probleme zu lösen, steht hier bei der Unterstützung im Vordergrund: Empathie, Konfrontation und Verantwortlichkeit: „Ja, du bist wütend. Das heißt aber nicht, dass du hier andere schlagen darfst.“

Typ 5: Mehrfach anders (twice exceptional)

Dein Kind neigt zu Angst und Depressionen, nimmt sich als Schul-Versager wahr (ein schlechtes akademisches Selbstkonzept) und ist oft schon entmutigt? Die Identifikation dieser Kinder hat sich in den letzten Jahren deutlich verbessert, so dass jetzt eine Hochbegabung auch bei Vorliegen einer Legasthenie, Fehlsichtigkeit, AD(H)S o.ä. entdeckt wird.

Wenn man Schulleistungen ansieht, dann sollte weniger auf die Schulnoten sondern eher auf den Lehrplan und die eigene langfristige Entwicklung (und Verbesserung!) geachtet werden. Diese Kinder brauchen Zugang zu Menschen, die Freunde werden können, weil sie die in ihren üblichen (Alters-)Gruppen schwer finden. Eltern und Lehrkräfte können bei den Kindern „zwischen den Stühlen“ die Talententwicklung betonen und gleichzeitig Schwächen ausgleichen: angemessene Herausforderung in ihren Stärken sollte dabei oberste Priorität haben!

Typ 6: Der Selbständige (autonomous learner)

Dein Kind setzt sich Ziele, sucht mutig Herausforderungen, hat eine auf Zuwachs bezogene Sicht für Fähigkeiten und kann auch mit Enttäuschungen und Rückschlägen gut umgehen? Diese Kinder sind in der Schule oft unauffällig, weil sie ihre Ziele in anderen Bereichen suchen. Fälschlicherweise wird oft angenommen, die Kinder hätten alles, was sie brauchen. Dabei kommt die Persönlichkeitsbildung aber oft zu kurz. Diese Kinder brauchen mehr Unterstützung, nicht weniger!

Die Zusammenarbeit von Elternhaus und Schule als Unterstützungsteam hilft beim Selbstmanagement und beim Umgang mit den sozialen und psychologischen Nebenwirkungen ihres Erfolgs. Suche für dein Kind Mentoren und Kulturvermittler: Wer beispielsweise zwischen Kindergarten und Schule oder zwischen Schule und Uni pendelt, wechselt nicht nur den Ort sondern ein ganzes Lernumfeld.

Dieser selbständige Lerntyp sollte eigentlich das Ziel von Elternhaus und Schule sein: Selbstbestimmte Kinder mit den besten Chancen, sich auch als Erwachsene selbst Ziele setzen zu können und ihr Leben erfolgreich zu meistern.

Diese sechs Typen...

...sind als Anregungen zu verstehen. Dein Kind muss nicht genau ein Typ sein und vor allem muss es nicht bei diesem Typ bleiben! Hochbegabung ist ein Potenzial und das möchte entwickelt werden. Aus glücklichen Kindern sollen glückliche Menschen werden.