Im Wohnzimmer stapelt sich Lego, im Kinderzimmer gibt es ein zusätzliches Schlafplätzchen für das Kind. Und wo bleiben die Großen? Brauchen die auch Ecken in der Wohnung, die nur für sie reserviert sind?
Jeder Mensch muss sich ein wenig zurückziehen dürfen, findet Jule, 42 Jahre. Die Mutter von zwei Kindern, 8 und 11 Jahre, könnte sich ein Familienleben ohne ihr individuelles Plätzchen gar nicht vorstellen.
Komisch eigentlich. Jedem Kind wird ein eigenes Zimmer zugestanden. Der Nachwuchs genießt die Freiheit zwischen Familienbett und eigenem Raum. Darf im Kinderzimmer und im Wohnzimmer spielen und überall eigene Spieleckchen haben. Ich kenne Familien, da gibt es selbst in der Küche ein Schublade mit Spielzeug. Auch Vätern wird meist ein wenig Privatsphäre zuerkannt. Mein eigener Vater zog sich immer in seinen Werkkeller zurück, wenn er mal Zeit für sich brauchte. Meine Mutter hat das nicht. Ihre Ecke für sich war der Sekretär im Schlafzimmer. Für mich würde das nicht reichen. Ich habe viele Jahre allein gelebt. Und ja – ich brauche es auch, dass ich mich mal zurück ziehen kann. Gerade nach einem langen Arbeitstag und dem trubeligen Familienleben brauche ich meinen Rückzugsort.
Mein Mann und ich haben beide jeweils ein Arbeitszimmer, wir haben das Glück, dass unser Haus groß genug ist. Als Lehrer braucht er tatsächlich einen Raum für seine Vorbereitungen. Und ich brauche meinen Raum, um meine Nähutensilien aufzubewahren, und um eine Tür zu haben, die ich auch mal zu machen kann. Wenn die wirklich geschlossen ist, dann weiß jeder in der Familien, dass ich bitte in Ruhe gelassen werde. Dann bin ich eben nicht verfügbar, lese oder schreibe Tagebuch. Und genau das gibt mir auch ganz viel Kraft und Energie zurück, danach kann ich dann wieder für alle so da sein, wie sie es sich wünschen.
Anja, 32 Jahre, ist Mutter von zwei fröhlichen Kindergartenkindern, 3 und 5 Jahre. Das ein eigenes Zimmer für die Eltern reserviert sein soll, findet sie völlig überflüssig.
Ich finde die Diskussion um ein eigenes Reich für Eltern tatsächlich etwas merkwürdig. Mein Name steht auf dem Klingelschild zu Wohnung. Gemeinsam mit meinem Mann habe ich sie eingerichtet und ich fühle mich in jeder Ecke wohl. Klar, die Kinder sind häufig im Wohnzimmer. Das gehört doch dazu! Es ist bei uns ganz bewusst keine „gute Stube“, in der sich nur Besuch aufhalten darf, es ist das Zimmer, in dem die Familie wohnt und lebt. Auch die Kinder sollen sich hier wohlfühlen. Jedes hat im Regal einen Korb, in dem es auch dort Lieblingsspielzeug aufbewahren kann. Am Abend müssen die Kinder ihren Kram weg räumen – egal, wo sie genau spielen. Und klar, im Wohnzimmer habe auch ich meine Bücher, dort stehen unsere CDs und auch die Stereoanlage.
Mittlerweile sind die Kinder alt genug und wissen, dass es eben bestimmte Schubladen und Bereiche in der Wohnung gibt, die für sie tabu sind. Als sie klein waren, hatten wir natürlich die Türen dort gesichert, wo es gefährlich werden konnte, also beim Putzmittelschrank und die Schublade mit den scharfen Messern. Ansonsten mussten sie das Wort „Nein“ lernen. Klar, das ist ein wenig anstrengend. Aber wer sich die Mühe macht und gemeinsam mit den Kindern jeden Abend dafür sorgt, dass das Heim auch wieder „elterntauglich“ ist, der braucht doch keinen eigenen Platz in der eigenen Wohnung. Sind die Kinder im Bett, dann ist das Sofa unser gemeinsamer Eltern-Wohlfühl-Rückzugsort.