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Von Heißhungerattacke bis Frust-Essen: Wenn Essen zum Ersatz für Problemlösung wird

Warum essen wir? Warum trinken wir? Und warum hören wir auf zu essen? Die Antworten auf diese Fragen sind im Grunde ganz einfach. Man isst, weil man hungrig ist. Man trinkt, weil man Durst hat. Und man hört auf, wenn man satt und zufrieden ist. Und doch ist es in Wirklichkeit manchmal anders. Man isst ohne hungrig zu sein. Man bekommt z.B. Appetit, weil der Duft nach frischem Gebäck aus der Bäckerei so verlockend ist und kauft sich ein Teilchen. Oder der Tag ist einfach nicht gut gelaufen und man isst aus Frust eine halbe Tafel Schokolade. Oder man hat zuhause viel zu tun und weiß nicht wo anfangen und beschließt, sich zunächst etwas Leckeres zum Essen zu gönnen. Wer von uns kennt das nicht? Aber woher kommt das?

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Kinderhände, die Süßigkeiten festhalten

Woher kommt das?

Dahinter steckt, dass wir gelernt haben, auf sogenannte Außenreize (z.B. Essen riechen) und auf Gefühle mit Essen zu reagieren. Säuglinge und Kleinkinder erleben das aber noch nicht. Je jünger sie sind, desto mehr haben sie nur diese Innenreize „Hunger“ und „Satt sein“. Erst mit etwa 2-3 Jahren fangen sie an, auch ohne Hunger zu essen. Zum Beispiel, weil alle anderen essen. Oder weil im Fernsehen eine Werbung für etwas Leckeres kommt. Und mit ca. 4-5 Jahren kann es auch passieren, dass sie essen, um mit unangenehmen Gefühlen klar zu kommen.

Naschen aus Langeweile oder Essen aus Frust

"Mama (oder Papa), ich habe Hunger!" Das ist ein Satz, den Eltern von Kindergarten- oder Schulkindern kennen. Aber das letzte Essen war doch noch gar nicht so lange her? Und dein Kind hat doch eine ordentliche Portion gegessen? Den vorgeschlagenen Apfel, die Banane oder Jogurt lehnt dein Kind ab? Es will lieber etwas Süßes oder ein Eis? Das ist ein Hinweis darauf, dass dein Kind vermutlich keinen Hunger hat. Sondern sich vielleicht langweilt oder keine Lust hat Hausaufgaben zu machen. Gerade jüngere Kinder können "Langeweile" noch nicht gut benennen. Aber wenn sie sagen, dass sie Hunger haben, dann passiert etwas: Sie bekommen Abwechslung und Aufmerksamkeit! Auch das Hausaufgabenmachen kann noch weiter hinausgeschoben werden, wenn dein Kind erstmal mit Essen beschäftigt ist.

Leider ist das Essen aber keine günstige Lösung gegen Langeweile oder Aufschieben. Denn das eigentliche Problem ist ja immer noch da. Aber nun hat dein Kind gelernt, etwas Unangenehmes mit Essen zu bewältigen. Und es wird diese Strategie in Zukunft häufiger anwenden, denn kurzfristig hat es geholfen. Solange das aber nur ab und zu vorkommt ist das nicht schlimm.
Ganz besonders schwierig wird es, wenn Gefühle wie Alleinsein, Traurigkeit oder Frust ins Spiel kommen. Kinder müssen den Umgang mit diesen Gefühlen lernen. Sie müssen herausfinden, was das ist und wie sich das jeweilige Gefühle "anfühlt". Und sie müssen eine angemessene Art und Weise finden, damit umzugehen.

Eltern müssen helfen, Gefühle zu bewältigen

Dabei brauchen sie Eltern, die ihnen helfen herauszufinden, was eigentlich los ist. Die ihnen helfen herauszufinden, was sie eigentlich brauchen. Wenn dein Kind zum Beispiel gestürzt ist und sich das Knie blutig geschlagen hat, dann will es in den Arm genommen werden und braucht Trost. Wenn es sich über einen Freund geärgert hat, dann braucht es das Reden mit der Mutter oder dem Vater. Und wenn es sich allein fühlt, weil keiner seiner Freunde Zeit hat zum Spielen, dann braucht es eine sinnvolle Beschäftigung, mit der die Zeit vergeht. Es braucht jedenfalls kein Essen.

Gesunde Kinder statt braver Schlucker!

Auch wenn Eltern vielleicht wenig Zeit haben oder viel Stress erleben, mag es eine schnelle und gut wirkende Lösung sein, seinem quengelnden Kind schnell etwas Süßes zu geben. Dann hat man seine Ruhe. Doch langfristig leider mit ungünstigen Konsequenzen. Daher die Bitte an alle Mütter und Väter: Nicht trösten, ruhigstellen oder ablenken mit Essen oder Süßigkeiten.

Hanni Rützler schreibt in ihrem Buch „Kinder lernen essen“: „Werden Kinder jedoch stets mit Essen bedient, wenn sie negative Gefühle zeigen, werden sie schnell zu „braven Schluckern“.

Wir als Eltern sind also gefragt unseren Kindern zu helfen, mit Gefühlen klarzukommen, „emotional intelligent“ zu handeln (Hanni Rützler). Denn negative Gefühle gehören zum Leben dazu. Es ist eine gute Idee, schon in der frühen Kindheit einen guten Umgang damit zu lernen. Das ist keine einfache Aufgabe für Eltern. Vor allem für diejenigen, die selber gelernt haben, Gefühle eher in sich „hineinzufressen“. Aber hier bietet sich mit den eigenen Kindern auch eine große Chance. Nicht nur, um emotional stabile Kinder zu bekommen, sondern auch um Adipositas und Essstörungen vorzubeugen. Denn beides ist offensichtlich mit Essen zur Gefühlsbewältigung verbunden.