Immer mehr Eltern lassen ihren Babys oder Kleinkindern Ohrlöcher stechen oder schießen. Einige Eltern finden es einfach hübsch für ihr Töchterchen oder ihren Sohn, andere entscheiden sich aus traditionellen Gründen für frühen Ohrschmuck. Doch Experten warnen ausdrücklich!
Es sind vor allem kleine Mädchen, die von ihren Eltern früh kleine Stecker bekommen. „In meiner Familie machen das alle, das sieht doch auch sehr weiblich aus,“ erklärt Daria. Ihr Mann ist strikt dagegen. Gerade weil er nicht möchte, dass ein kleiner Mensch schon jetzt auf Rollenklischees festgelegt wird. Das Argument seiner Frau, dass Babys den Schmerz weniger stark empfinden, mag er nicht glauben. Zu Recht, denn wenn mittlerweile auch kleine Jungen immer häufiger einen Ohrring bekommen, so warnen Kinderärzte vor den Gefahren.
Für den deutsche Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte e.V. (BVKJ) ein erschreckender Modetrend. Der Verband warnt ausdrücklich davor, die Ohrläppchen von Babys und Kleinkindern stechen zu lassen. Das Ohrlochstechen bereits bei Säuglingen sei sehr schmerzhaft für die Kinder und aus kinder- und jugendärztlicher Sicht mit Skepsis zu betrachten.
Eltern sollten bedenken, so der BVKJ in der Zeitschrift für Kinder- und Jugendgesundheit, dass es zu ernsthafte Komplikationen kommen kann: Infektionen, allergische Reaktionen und Narben. Bei jedem dritten Kind komme es zu Infektionen des Stichkanals.
Zudem sei es möglich, dass die Ohrringe einwachsen, für das Kind bedeutet das langwierige schmerzhaften Entzündungen. Auch die Verletzungsgefahr für das Kind ist hoch, etwa ein eingerissenes Ohrläppchen, weil es beim Spielen hängen bleibt.
Der Rat des Berufsverbandes der Kinderärzte: „Eltern sollten ihrem Kind diesen unnötig riskanten Modetrend ersparen und abwarten, bis ihr Kind selbst darüber entscheiden kann, ob es Ohrringe tragen möchte oder nicht.“ BVKJ-Präsident Wolfram Hartmann unterstreicht dies, in dem er betont: “Jeder Eingriff in den intakten Körper eines Kindes ist problematisch.“
Gerade die Verwendung einer Ohrlochpistole zerfetzt das Gewebe sehr. Für die Kleinsten kann das traumatisch sein. Das Stechen mit einer sterilen Nadeln beim Kinderarzt mit lokaler Betäubung wäre medizinisch am besten, doch wie oben erwähnt, lehnen Ärzte das ab.
Sehr viele Ohrstecker enthalten Nickel, auch wenn der Anteil laut Gesetz eigentlich nicht höher als 0,05 Prozent sein darf. Kleine Kinder können darauf heftig reagieren und eine Allergie entwickeln, die sie im Alltag belastet, denn Nickel ist in vielen Dingen, wie Scheren, Münzen, Türklinken, Hosenknöpfen und Reißverschlüssen enthalten.
Oft sind die verwendeten Pistolen oder Nadeln nicht einwandfrei sterilisiert worden und können daher auch Krankheitserreger in die offene Wunde einbringen.
Es besteht die Gefahr, dass Kinder unter drei Jahren die Kleinteile verschlucken könnten, wenn sie an den Ohrringen herumspielen und die sich lösen.
Beim Spielen und Toben kann der Ohrring hängen bleiben und das Ohrläppchen dann eingerissen werden.
Ohrringe sind Schmuckstücke für Jugendliche und Erwachsene. Kinder sollten Kinder bleiben – so lange wie irgend möglich!