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Das innere Kind – Einfluss auf deine Elternschaft

Hier erfährst du, wie sich dein inneres Kind, also die frühen Einflüsse konkret bemerkbar machen können. Was kannst du tun, um schwierige Erfahrungen aufzuarbeiten? In dem Artikel Mein Kind macht mich wütend ­– Durch eigene Kindheit getriggert? kannst du nachlesen, wie sehr uns unsere eigenen frühen Erlebnisse mit Familie und Erziehung in der Rolle als Mutter und als Vater beeinflussen.

Lesezeit: Etwa 6 Minuten
Frau sitzt auf einer Schaukel im Wald. Schaukelt und lacht.

Was ist das innere Kind?

Das innere Kind ist der Teil unserer Persönlichkeit, der aus unseren Kindheitserfahrungen und deren Folgen besteht. Wir alle haben ja verschiedene Rollen: Das ist je nach Situation unterschiedlich. Mal sind wir die beste Freundin, die Mama, die große Schwester, die Tochter, die Kollegin, die Nachbarin. Mit diesen Rollen sind auch verschiedene Erlebnisse und Verhaltensmuster gemeint. Vermutlich verhältst du dich als beste Freundin anders als Kollegin und fühlst dich auch dementsprechend ein bisschen anders.

Und so, wie diese äußeren Rollen gibt es auch, weniger sichtbar, innere Anteile unserer Persönlichkeit – besonders wichtig für uns: Das ‚Erwachsenen-Ich‘ und das ‚innere Kind‘. Wenn wir uns wohl in der Rolle als Erwachsener fühlen, uns den Herausforderungen des Alltags gewachsen fühlen, dann erleben wir die Welt um uns herum als Erwachsenen-Ich. Dann bewerten wir alles, was passiert, mit den Augen unseres erwachsenen ICH.

Doch es gibt auch noch den Teil deiner Persönlichkeit, der KIND geblieben ist. Das sind die positiven und negativen Eindrücke von dir selbst und vom Leben, die du als Kind entwickelt hast. Diese Eindrücke nennt man auch ‚Grundüberzeugungen‘ oder ‚Gedankenmuster‘. Es sind Annahmen über dich selbst, andere und die Welt, die dich beeinflussen – auch wenn sie dir womöglich gar nicht bewusst sind. Das innere Kind ist quasi die Summe der Grundüberzeugungen, die du in deiner Kindheit entwickelt hast.

Grundüberzeugungen und Gedankenmuster erkennen

Das innere Kind ist der Teil unserer Persönlichkeit, der aus unseren Kindheitserfahrungen und deren Folgen besteht steuern uns oft unbewusst.Wenn du z.B. wenig Beachtung von deinen Eltern bekommen hast, hast du womöglich Grundüberzeugungen wie:

  • Ich komme immer zu kurz.
  • Ich muss um Anerkennung kämpfen.
  • Ich bin uninteressant und es lohnt sich nicht, dass ich mich anstrenge.

Die gleiche Erfahrung kann, je nach Temperament und sonstigen Bedingungen (z.B. andere wichtige Bezugspersonen) zu ganz unterschiedlichen Grundüberzeugungen führen. Ein zu wenig beachtetes Kind kann z.B. ein Workaholic werden, weil es denkt, sich Wertschätzung verdienen zu müssen. Oder es tut immer nur das Nötigste und flieht vor jeder Anstrengung, weil es als Kind den Eindruck hatte: Mich beachtet eh keiner, egal, was ich tue.

Grundüberzeugungen können sich auch auf andere beziehen, z.B. „Männer nutzen Frauen nur aus“ oder „Andere Menschen meinen es nie wirklich gut, man sollte niemandem vertrauen.“ Auch bestimmte Erziehungsannahmen wie „Kinder müssen streng erzogen werden, damit sie ihre Eltern respektieren“ oder „Eltern müssen jedes Bedürfnis ihres Kindes perfekt erfüllen“ können aus eigenen Kindheitserfahrungen entstanden sein.

Wenn du die Grundüberzeugung hast, dass andere dich meistens ablehnen, dann neigst du wahrscheinlich unbewusst dazu, anderen schnell böse Absichten zu unterstellen. Daher kann es passieren, dass z.B. dein Kind ganz ohne schlimme Hintergedanken etwas ‚Freches‘ sagt – weil es gerade etwas ausgelassen und übermütig ist – und du wirst total wütend, weil die Grundüberzeugung „andere lehnen mich ab“ getriggert wird. Und mit diesen Triggern der Grundüberzeugung kommen meist starke Gefühle hoch – wie Wut, Frust oder Traurigkeit.

Das innere Kind auf frischer Spur ertappen

Wie erkennt man solche Grundüberzeugungen? Ganz wichtig ist die Situationen, in denen du besonders stark reagierst, genau zu beobachten. Oft hilft es, ein paar Wochen lang jeden Tag kurz aufzuschreiben, was dich besonders beschäftigt hat.
Dann kannst du nach einer Weile schauen, welche Muster es gibt:

  • Welche Ähnlichkeiten gibt es zwischen den Situationen?
  • Welche Gefühle kamen hoch?
  • Wenn du an dieses Gefühl denkst – woher kennst du es aus früheren Zeiten?
  • Wann hast du dich als Kind so gefühlt?
  • Welches Thema verbindet die Situationen, die für dich besonders anstrengend waren?
  • Welche Personen waren beteiligt?

So lassen sich oft bestimmte Tendenzen erkennen, wie Situationen:

  • in denen ich mich übergangen fühle (weil ich die Grundüberzeugung habe, nicht ernst genommen zu werden)?
  • in denen ich mich abgelehnt fühle (weil ich die tiefe Angst habe, zurückgewiesen zu werden)?
  • in denen mein Kind ausgelassen ist (vielleicht, weil ich das selbst nie durfte)?

Überlege dann, mit welchen nicht erfüllten Kindheits-Bedürfnissen diese Grundüberzeugung zu tun haben könnte:

  • Was hat dir damals gefehlt?
  • Was hat dich gestresst?
  • Was hast du bei deiner Mutter oder deinem Vater immer gesucht, aber nicht bekommen?

Dem inneren Kind Fragen stellen und Trost vermitteln

Auch die Vorstellungskraft kann helfen, die Kindheitsprägungen besser zu verstehen. Suche dir ein Kindheitsfoto von dir und stelle dir vor, wie du als erwachsener Mensch dir selbst als Kind begegnest. Versetze dich in dein damaliges Ich zurück:

  • Was hast du als Kind gern gemacht, was war schwierig für dich?
  • Wie hast du dich zuhause gefühlt, wie in der Schule?

Versuche, möglichst viele konkrete Erinnerungen aufkommen zu lassen. Dann frage in deiner Fantasie dein Kind-Ich:

  • Was fehlt dir?
  • Was macht dir Angst?

Lasse deinen Gedanken und Gefühlen freien Lauf. Du kannst das auch in einem Gespräch machen, das du aufschreibst oder einem Brief, den dein Kind-Ich an dein Erwachsenen-Ich schreibt.

Das Gute ist: du kannst als heutiges erwachsenes ICH dein Kind-ich von damals trösten. Stelle dir vor, wie du es in den Arm nimmst und ihm etwas Tröstendes sagst. Schreibe ihm einen ermutigenden Brief, in dem du auf seine Ängste und das, was ihm fehlte, eingehst. Lass es wissen, welche Stärken es hat und, wie wertvoll es ist.

Grundüberzeugungen erkennen und umdenken

Die negativen Grundüberzeugungen zu erkennen ist der erste Schritt – dann gilt es, realistischere, positivere Alternativen zu entwickeln. Wenn du z.B. die Überzeugung hast:

"Ich werde abgelehnt" – könnte das Ziel sein, dies zu ändern in:
„Nicht jeder mag mich, aber es gibt doch einige, die mich gern haben.“

Solche Gedanken gilt es bewusst einzuüben, damit das Gehirn lernt, „umzudenken“. Das braucht Geduld und Entschlossenheit. Und gleichzeitig Selbst-Mitgefühl, wenn das innere Kind sich wieder meldet.

Der Weg ist das Ziel – Es braucht Geduld und Zeit

Du kannst dir sicher denken, solche Grundüberzeugungen zu ändern, braucht Zeit und der Weg dahin lässt sich in einem Artikel nur ganz knapp und in Ausschnitten andeuten. Einige weitere Schritte kann man auch in Selbsthilfegruppen oder mit guter Literatur gehen.

(z.B. „Das Kind in dir muss Heimat finden“ von Stefanie Stahl) Oft sind auch Termine in einer Lebensberatungsstelle www.dajeb.de oder Psychotherapie www.therapie.de hilfreich, weil eine neutrale Person ganz andere Perspektiven bieten kann. Entscheidend ist, sich überhaupt auf den Weg zu machen – denn bereits die Auseinandersetzung mit unserem inneren Kind bringt viel Positives in Gang und hilft uns, uns auch im Eltern-Alltag besser zu verstehen!

Wenn du lernst einen achtsamen und liebevollen Umgang mit deinem inneren Kind zu pflegen, wird es dir auch viel leichter fallen, liebevoll und geduldig mit deinem Kind umzugehen.