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Wer wird zum Opfer?

Grundsätzlich kann Mobbing jedes Kind treffen. Besonders gefährdet sind Kinder, die in irgendeiner Form von der Norm abweichen. Meist betrifft dies das Verhalten: ungeschickte Bewegung, Sprache, Stimme, an Erwachsenen orientiert, besonders Leistungsstark, unsicheres Auftreten, geringes Selbstwertgefühl, nicht geschlechtertypisches Verhalten oder das Aussehen: keine „coolen“ Klamotten, besonders zart oder klein, übergewichtig, besonders hübsch, Hautfarbe usw.

Wer wird zum Täter?

Jedes Kind kann zum Täter werden. Die Gruppendynamik einer Klasse spielt dabei eine große Rolle. Mobbing kommt seltener in Klassen vor, in denen sich die Kinder in ihrer Unterschiedlichkeit angenommen fühlen, sie keine Angst davor haben selbst ausgegrenzt zu werden und in denen soziale Probleme direkt und unmittelbar angesprochen und geklärt werden (gelebte Streitkultur).

Die Angst davor zum Opfer zu werden ist nicht selten der Grund, zum Täter zu werden. Daher sind Täterpersönlichkeiten auch häufig unsicher und haben ein geringes Selbstwertgefühl, welches sie durch das Herabsetzen Anderer, vermeintlich Schwächerer aufzubessern versuchen.

Auch Probleme in der Familie oder Neid können eine Ursache sein, die die Täter zu verheimlichen versuchen. Zudem fühlen sie sich durch eigene Angriffe selbst unangreifbar. Um sicher zu gehen sind sie immer auf Mittäter angewiesen, die ihr Verhalten direkt (aktive Unterstützung des Täters durch Planung und Durchführung von Handlungen) oder indirekt (z.B. Zustimmung durch Lachen) unterstützen. Auch die Mittäter handeln oft aus der Angst heraus selbst zum Opfer werden zu können, wenn sie nicht mitmachen.

Mobbingformen

Passives Mobbing

Ein Kind wird systematisch ausgegrenzt, darf nicht mitspielen, wird ignoriert. Jeder Versuch, bei einem Spiel dabei sein zu dürfen, wird abgeblockt. In dieser Form des Mobbings wird keine verbale oder körperliche Gewalt angewendet. Daher wird sie von vielen Erwachsenen auch nicht als Mobbing erkannt.

Das Leiden auf der Seite der Opfer ist dennoch groß, da sie isoliert werden. Sie fühlen sich einsam und ihr Selbstwertgefühl sinkt zunehmend, was sie immer empfänglicher für weitere Mobbinghandlungen macht. Die Kinder fangen an zu glauben, dass sie weniger lustig, cool, nett, wichtig sind. So kommt es vor, dass ein Mobbingopfer über Jahre hinweg eines bleibt, wenn nicht gehandelt wird.

Aktives Mobbing

Aktives Mobbing kommt sowohl auf psychologischer, als auch auf körperlicher Ebene ausgeführt vor.

Psychologisch: Das Opfer wird erpresst: „Wenn du zum Lehrer gehst, dann wirst du schon sehen was du davon hast“ oder gedemütigt. Ihm werden Handlungen angedroht, die dann aber nicht ausgeführt werden.

Körperlich: Leichte Provokationen (beim Vorbeigehen anstuppsen, an den Stuhl klopfen usw.) gehören ebenso dazu wie direkte Gewaltanwendung (Schupsen, Treten, Schlagen). Die Taten werden von einer oder mehreren Personen ausgeführt.

Cybermobbing

Ab dem Alter von etwa 10 Jahren, in dem den Kindern Internet und Smartphones zur Verfügung stehen, werden diese Medien verstärkt zum Mobbing genutzt. In Gruppen und Klassenchats wird sich mit dem Rückhalt anderer Gruppenmitglieder über einzelne Mitschüler lustig gemacht, zum Teil unter Einsatz von Bildern – oder es werden einzelne Gruppenmitglieder grundlos aus einer Gruppe gelöscht.

Diese noch neuere Form der Kommunikation macht es Tätern besonders leicht, ihr Opfer zu schädigen und ein breites Publikum zu erreichen, wodurch diese Form des Mobbings besonders gefährlich ist.

Daran können Eltern erkennen, dass ihr Kind gemobbt wird:

  • Leistungsabfall
  • Vereinsamung
  • Selbstwertgefühl sinkt
  • Schulunlust
  • Kind ist in sich gekehrt
  • Unvermittelt auftretende körperliche Symptome wie Hautausschläge, Bauchschmerzen, Kopfschmerzen etc.

Was Eltern tun können. Wann ihr Kind gemobbt wird, oder wenn sie mitbekommen, dass ihr Kind andere mobbt

Klar positionieren und Vorbild sein. Meist bekommen Eltern erst sehr spät mit, dass ihr Kind gemobbt wird. Dass es selbst Täter ist bemerken viele Eltern gar nicht. Wenn sie dies mitbekommen, werden viele von ihnen nicht selbst aktiv. Unabhängig davon, ob du bemerkst, dass dein Kind zum Opfer oder Täter geworden ist: Mobbing kann am effektivsten bekämpft werden, wenn alle Beteiligten sich klar für ein soziales Miteinander einsetzen.

Gerade die Eltern tragen dabei eine große Verantwortung, da sie ihren Kindern als Vorbild dienen. Es ist daher lohnenswert das eigene Verhalten im Umgang mit seinen Mitmenschen zu prüfen.
Folgende Fragen können dabei helfen:

  • Wie gehe ich mit Anderssein um?
  • Wie spreche ich vor Kindern über Menschen, die nicht der Norm entsprechen?
  • Habe ich selbst schon Erfahrungen mit Mobbing gemacht?
  • Welche Rolle habe ich dabei eingenommen?
  • Wie habe ich mich gefühlt?

Unabhängig davon, ob das Kind Mobbingopfer oder Täter ist, kann es helfen, den Kontakt zu anderen Eltern zu suchen und über die mit dem Mobbing verbundenen Gefühle und Sorgen zu sprechen.

Zuhören - da sein - Selbstbewusst handeln

Dein Kind ist zum Mobbingopfer oder Täter geworden? Dann braucht es dich jetzt besonders. Suche den Kontakt zu deinem Kind und stelle ihm Fragen, um mehr über das Innenleben deines Kindes zu erfahren.

  • Was belastet dich momentan in der Schule?
  • Was belastet dich in der Familie?
  • Wovor hast du Angst (Schule, Zuhause)?
  • Was wird dir in der Schule angetan? Wer tut dir das an? (Opfer)
  • Grenzt du jemanden aus? Tust du jemandem Gewalt an? Wie kommt es dazu? Welchen Gewinn hast du dadurch? (Täter)
  • Wer könnte dich bei deinem Problem in der Schule unterstützen?
  • Mit welchem Kind kommst du gut zurecht?
  • Weiß deine Lehrerin Bescheid?
  • Was müsste sich ändern, damit sich die Situation verbessert?

Diese Fragen können dir gezielte Informationen darüber liefern wie es deinem Kind geht, worunter es leidet und auch, was sich aus seiner Sicht ändern müsste. Wenn sich dein Kind dir öffnet, ist das ein großer Vertrauensbeweis. Daher ist nun ein emphatischer und sensibler Umgang wichtig. Stelle deinem Kind verschiedene Handlungsmöglichkeiten vor und biete immer deine Unterstützung an. Versuche sachlich zu bleiben und keine vorschnellen Beschuldigungen auszusprechen. Wichtig ist nun, dass du deinem Kind Trost spendest und ihm rückversicherst, dass es keine Schuld trägt und dass du seine Verzweiflung verstehst.

Gespräch mit der Lehrkraft oder einem Vertrauenslehrer/in

Du kannst deinem Kind anbieten gemeinsam mit ihm oder allein mit dem Klassenlehrer oder eine Vertrauenslehrerin zu sprechen. Mache deinem Kind unbedingt klar, dass sich nur etwas ändern kann, wenn ihr etwas unternehmt. Wenn dein Kind ein Gespräch mit der Lehrkraft ablehnt, überlege dir, ob du ggfs. trotzdem ein vertrauliches Gespräch mit dem Klassenlehrer suchen willst. Weise in diesem Fall die Lehrkraft unbedingt darauf hin, dass dein Kind nichts von dem Gespräch weiß und auf keinen Fall davon erfahren soll.

Da Mobbing häufig im Verborgenen stattfindet, ist es in vielen Fällen hilfreich, wenn die Lehrkraft informiert ist. Sie kann die Situation in ihrer Klasse gezielt beobachten und direkt reagieren, wenn eine Mobbingsituation auftritt. Außerdem kann sie indirekt mit der ganzen Klasse im Bereich des Sozialtrainings arbeiten. Zudem hat sie die Möglichkeit die Sitzordnung in der Klasse zu Gunsten deines Kindes zu verändern (Kind wird neben einem/r MitschülerIn gesetzt, der/die ihm Sicherheit und Schutz vor Angriffen bietet).

Ein Gespräch mit der Lehrkraft ist allerdings nicht immer der richtige Weg. Zum Beispiel wenn Lehrer selber mobben oder Mobbing aktiv oder passiv unterstützen. Wenn dies bei deinem Kind der Fall sein sollte, würde ein Gespräch mit der Lehrkraft die Situation vielleicht sogar verschlimmern. Dann könntet ihr die Vertrauenslehrkraft (wenn es keine gibt die Schulleitung) der Schule kontaktieren. Sie ist zunächst erstmal einfach für dein Kind und seine Sorgen da. Sie kennt die einzelnen Lehrkräfte und Schüler der Schule und kann daher am besten einschätzen welche Schritte als nächstes sinnvoll wären. Zudem kann sie mit deinem Kind besprechen, wann es für diese Schritte bereit ist. Möglich wären ein runder Tisch mit den Lehrkräften in der Klasse oder ein Gespräch mit dem/n Täter/n.

Das Kind stärken - Selbstbewusstsein aufbauen - gegen Angriffe immun machen

Regelmäßige Angriffe auf die eigene Persönlichkeit schwächen zunehmend das Selbstbewusstsein. Das führt langfristig dazu, dass sich das Opfer immer mehr mit der Opferrolle identifiziert, stark verunsichert ist, Ängste und Vermeidungsstrategien entwickelt und selbst keine Stärken bei sich mehr sieht und somit eine noch größere Angriffsfläche bietet. Ein Teufelskreis, der unbedingt so früh wie möglich durchbrochen werden sollte.

Daher sollte, sobald klar wird, dass dein Kind Opfer von Mobbinghandlungen ist das Selbstbewusstsein gestärkt werden. Tätigkeiten, bei denen Kinder ihre Selbstwirksamkeit erfahren schafft Selbstvertrauen. Ein vorhandenes Talent in einem Hobby auszubauen stärkt ebenfalls das Selbstbewusstsein und fördert den Aufbau neuer Freundschaften, wodurch sich das Kind umorientieren kann und weniger Abhängig von der Meinung der Kinder ist, die es mobben.

Schüchternen Kindern kann zudem ein Selbstbehauptungskurs dabei helfen, eigene Kräfte zu mobilisieren und sich dadurch weniger angreifbar zu machen. Auch ein stärkender Umgang in der Familie und Eltern, die an das Kind glauben und es in seinem Handeln bestärken wirken sich positiv aus.
Zuhause könnt ihr auch ein paar Übungen machen, die ihr in folgendem Artikel findet: Nur Mut! Übungen und Tipps für selbstbewusste Kinder

Da ein geringes Selbstwertgefühl auch oft der Grund dafür ist, dass Kinder zu Mobbern werden, gilt es für Täter genauso wie für Opfern, das Selbstbewusstsein zu stärken.

weitere Handlungsmöglichkeiten...

Soziales Netz nutzen oder ausbauen
Alleine ist es schwer sich zu wehren und ein Selbstbewusstsein aufzubauen. Daher ist es wichtig, dass soziale Bindungen insbesondere im Fall von Mobbing genutzt und ausgebaut werden.

Welche Freunde könnten mit ins Boot geholt werden?
Gibt es jemanden in der Klasse, der eingeweiht werden könnte und der das Kind bei Angriffen unterstützen kann? Die Kinder könnten auch nach Absprache mit der Lehrkraft nebeneinandersitzen. Wenn das Kind nur Freunde in Parallelklassen hat, ist ein Klassenwechsel zu überlegen.

Eine ehrliche Entschuldigung einfordern
Der Umgang der Schule mit Mobbing ist von zentraler Bedeutung. Daher ist ein angeleitetes, gemeinsames Gespräch zwischen Opfer und Täter und eine ehrliche - und wenn das Mobbing öffentlich stattgefunden hat, auch öffentliche - Entschuldigung sinnvoller als eine Strafe für den Täter. Denn eine Strafe führt nicht zu einer ernsthaften Auseinandersetzung mit dem Opfer und dem eigenen Fehlverhalten. Zudem können Eltern von der Schule einfordern, dass diese ihr Kind ernsthaft versucht vor weiteren Angriffen zu schützen.

Klassenwechsel oder Schulwechsel
Wenn sich keine Besserung der Situation andeutet oder von Seiten der Lehrkräfte nichts unternommen wird, sollte über einen Klassen- oder sogar Schulwechsel nachgedacht werden. Sinnvoll ist es, sich gut über mögliche Schulen zu informieren, die Schule mit dem Kind zu besichtigen und die neue Schule in einem Gespräch über die besondere Situation zu informieren. So kann die Schulleitung eine geeignete Klasse, die z.B. besonders sozial ist für das Kind auswählen.

Eltern und Schule für eine „Mobbingfreie Schule“ mobilisieren

Zu einem System, in dem Mobbing möglich ist, gehören mehr als ein Opfer und ein oder mehrere Täter. Daher ist langfristig anzustreben das System so zu verändern, dass Mobbing nicht mehr/oder deutlich reduziert auftritt. Dafür gilt es alle am System beteiligten mit einzubeziehen (Eltern, Lehrer, Schüler).

Ein erster Schritt könnte sein, sich auf einem Klassenelternabend über das Thema Mobbing mit anderen Eltern auszutauschen, nach Ursachen und Lösungen suchen und sich gemeinsam klar für ein soziales Miteinander auszusprechen. In der Klasse wäre die Durchführung eines Sozialtrainings eine gute Möglichkeit, sich mit dem Thema auseinander zu setzen. Dies wird von vielen freien Trägern angeboten. Die Lehrkraft kann sich informieren wer vor Ort einen Workshop anbietet und welcher sich für die Klasse am besten eignet. Die Kosten werden zum Teil auch von der Schule übernommen. Außerdem klärt auch die Polizei zu dem Thema auf und bietet Workshops für Schulen an. Die Polizei könnte auch für einen Elternabend eingeladen werden um alle Eltern für das Thema zu sensibilisieren und ihnen Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen.

Ihr könnt auch eine Arbeitsgruppe mit Lehrkräften und Eltern ins Leben rufen, bei der ihr ein Anti- Mobbing Konzept erarbeitet. Dieses Konzept könnte auf einem Gesamtelternabend vorgestellt werden. Außerdem wäre eine Überlegung einen Elternabend zum Thema Mobbing in regelmäßigen Abständen (z.B. einmal im Jahr) stattfinden zu lassen, damit er fest im Schulleben verankert ist. In weiterführenden Schulen könnte dieser Abend auch für Schüler/innen geöffnet werden, damit sie die Möglichkeit haben an ihrer Schule selbst etwas gegen Mobbing zu tun. So kann die Schule deutlich zeigen, dass sie Mobbing keine Chance gibt.

Außerschulische Unterstützung suchen

Ist dein Kind schon seit längerem Mobbing ausgesetzt und leidet unter Ängsten, ist antriebslos, zeigt depressive Verhaltensweisen oder möchte nicht mehr in die Schule gehen? Dann braucht es professionelle Hilfe um eine starke Persönlichkeit aufbauen zu können. Ein Therapeut kann deinem Kind dann am besten helfen. In schwerwiegenden Fällen kann auch ein stationärer Aufenthalt in einer Kinder- und Jugendpsychiatrie die geeignete Wahl sein. Was für dein Kind das Richtige ist, kann am besten der Kinderarzt einschätzen, der dann auch die Therapie verschreibt.

Anzeige erstatten. Bei Jugendlichen und in schwerwiegenden Fällen (z.B. Körperverletzung, Erpressung) kann bei der Polizei Strafanzeige erstattet werden. Weitere Informationen dazu sind auf der Internetseite der Polizei zu finden.