Format: Artikel – Schreibfeder auf dem Tisch
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Loben ist gut - Ermutigung besser!

Autorin - Melanie Schüer

Vielleicht runzelst du die Stirn, wenn du die Überschrift des Artikels liest … zu Recht! Denn was bitteschön soll denn am Loben so schlecht sein? Ist Loben nicht wichtig, um das Selbstbewusstsein von Kindern zu stärken? Ja, ganz bestimmt brauchen Kinder Aufmerksamkeit, wenn sie sich entwickeln sollen. Wenn ein Lob keine häufige, schnell dahingesagte Floskel ist, sondern eine Ermutigung, hilft es. Ist es aber oberflächlich, unpersönlich und überwiegend leistungsbezogen kann es dem Selbstbewusstsein deines Kindes sogar schaden.

Lesezeit: Etwa 4 Minuten
Kind bekommt Taschengeld in Sparschwein

Was ist der Unterschied zwischen einem Lob und einer Ermutigung?

Der Begriff „Loben“ meint hier Sätze wie "Das machst du aber toll!" oder "Das ist aber ein schönes Bild!“ Solche Aussagen sind nett gemeint – und können doch mehr schaden als nützen. Denn wenn Eltern ihr Kind auf diese Weile sehr viel loben, wecken sie in ihrem Kind den Wunsch nach noch mehr Lob  - und das schadet auf Dauer eher dem Selbstbewusstein:
So fand Mary Budd Rove von der Universität Florida heraus, dass Schüler, die sehr oft leistungsbezogen gelobt wurden, Antworten zunehmend in einem unsicheren, fragenden Tonfall formulieren (z.B.: „Ähm, vielleicht Fünfzehn?“). Sie neigten dazu, eigene Vorschläge schneller aufzugeben, wenn ein Erwachsener diese nicht bestätigte. Außerdem verfügten sie über weniger Ausdauer im Umgang mit schwierigen Aufgaben und teilten ihre Ideen seltener ihren MitschülerInnen mit.1 

Leistungsbezogenes Loben kann mehr schaden als nützen

Häufiges Loben kann zudem dazu führen, dass Kinder Tätigkeiten nur noch mit dem Ziel, gelobt zu werden, tun - nicht mehr, weil sie die Handlung selbst als gut und wichtig ansehen:
"In einer beunruhigenden Studie, durchgeführt von Joan Grusec an der Universität von Toronto, hatten Kinder, die häufig dafür gelobt wurden, großzügig zu sein, die Tendenz, im täglichen Leben weniger großzügig zu sein als andere Kinder. Jedes Mal, wenn sie ein „Gut geteilt!“ oder ein „Ich bin so stolz auf dich, dass du hilfst!“ hörten, wurden sie weniger daran interessiert, zu teilen oder zu helfen. Diese Tätigkeiten wurden nicht mehr in sich selbst als etwas Wertvolles angesehen, sondern als etwas, das wieder gemacht werden musste, um diese Reaktion von Erwachsenen zu erhalten. Großzügigkeit wurde Mittel zum Zweck".2 Forscher bemerkten auch Hinweise darauf, dass Kinder in Aufgaben, für die sie gelobt wurden, mit der Zeit weniger erfolgreich waren – schuld daran ist vermutlich der Druck, weiter gute Leistungen zu erbringen, um wieder gelobt zu werden.3

Interesse und Aufmerksamkeit statt Bewertung sind der Schlüssel

Lob für Leistung scheint also nicht der richtige Weg zu sein, das Selbstwertgefühl eines Kindes zu unterstützen. Das bedeutet aber nicht, dass wir auf Anerkennung verzichten sollten. Stattdessen solltest du Anerkennung und Wertschätzung anders ausdrücken, nämlich eher in Form einer Ermutigung. Um zu verstehen, was eine Ermutigung von einem Lob unterscheidet, ist es hilfreich, zu überlegen, was Kinder sich wünschen, wenn sie uns ein selbst gemaltes Bild oder einen gerade gebauten Turm zeigen.

Im Grunde das gleiche, was wir uns wünschen, wenn wir uns Mühe gegeben haben und einem Mitmenschen stolz unser Werk präsentieren: Aufmerksamkeit, Interesse, Anteilnahme. Ein Satz wie  "Oh, du hast ja einen Turm gebaut, zeig mal. Der hat aber viele Farben!" ist viel konkreter als „Toll gemacht!“. Oder: "Du hast gemalt. Das möchte ich gern mal sehen. Wie hast du denn diese Form hinbekommen?" Auf diese Weise drücken wir echtes Interesse aus, statt die Leistung zu bewerten.

Neben dem Interesse daran, wie das Kind etwas gemacht hat, kann man auch auf das positive Ergebnis hinweisen, z.B.: "Sieh mal, wie dein kleiner Bruder lächelt. Er freut sich, dass du ihm geholfen hat." Ermutigen kann man also beispielsweise, indem man Interesse zeigt, wirklich hinsieht, Fragen stellt oder einfach beschreibt, was man sieht.

Schenke deinem Kind die volle Aufmerksamkeit

Ein tolles Buch zum Thema "Lob und Strafe" ist "Liebe und Eigenständigkeit" von Alfie Kohn.
Sicher gelingt es uns im stressigen Alltag nicht immer, zu ermutigen. Wenn gerade mal wieder alles auf einmal passieren muss, reicht die Aufmerksamkeit manchmal nur für ein „Oh, toll!“ Und das ist nicht schlimm, denn entscheidend sind nicht einzelne Momente. Wichtig ist, dass dein Kind regelmäßig für gewisse Zeiten deine volle Aufmerksamkeit genießt. Und dass du das, was dein Kind schafft, anerkennst – und zwar weniger im Sinne einer Bewertung sondern eher, indem du dich mit deinem Kind freust, Anteil nimmst und stärker die Bemühung als die Leistung selbst in den Vordergrund stellt.

Das stärkt dein Kind auch im Umgang mit Misserfolgen, weil es sich dann mit deiner Hilfe bewusst machen kann: „Ich bin wertvoll, unabhängig von meinen Leistungen.“ oder „Ich habe viel geübt und trotzdem hat es diesmal nicht geklappt. Aber immerhin weiß ich, dass ich mein Bestes gegeben habe und dass es nicht an mir lag!“

Ein etwas unbequemer Tipp zum Schluss:

Versuche herauszufinden, in welchen Situation du ein schnelles Lob aussprichst: lobst du, weil du deine Ruhe haben willst? Weil du gerade mit deinem Smartphone beschäftigt bist? Versuche dein Kind bewußt wahrzunehmen und finde heraus, wie es ihm geht. Wenn du dich an diese Grundregel hältst, wird dies deinen Erziehungsalltag ganz wesentlich erleichtern, auch wenn es anfangs vielleicht etwas Zeit braucht. Aber diese Investition lohnt sich!

Quellen