Eines vorweg: Eine Geburt ist kein Tapferkeits-Wettbewerb! Das Schmerzempfinden von Frauen ist ganz unterschiedlich. Das liegt z.B. daran, dass einige Frauen in bestimmten Körperregionen empfindlicher reagieren als in anderen und die Schmerzrezeptoren von Mensch zu Mensch verschieden sind. Auch anatomische Unterschiede spielen eine Rolle. Deshalb: Bei der Auseinandersetzung mit Schmerzmitteln zur Entbindung sollte es dir nicht darum gehen, dir oder anderen etwas zu beweisen.
Es ist gut, dass es Mittel wie die PDA (Periduralanästhesie) gibt – und gleichzeitig sollten ihre Nachteile nicht verharmlost werden. Denn die Nebenwirkungen und Risiken sind die wirklichen Gründen, weshalb du eine Nutzung von Schmerzmitteln gut abwägen solltest und weshalb es sinnvoll ist, zunächst sanftere Maßnahmen auszuprobieren.
Schmerzmittel wie die PDA können Nebenwirkungen haben wie heftige Kopfschmerzen, die auch noch nach der Geburt anhalten oder Kreislaufschwäche und können auch dem weiteren Verlauf der Geburt schaden, weil du unter einer PDA eventuell schlechter mitarbeiten kannst. Studien zeigen, dass nach einer PDA deutlich häufiger Probleme auftreten, wodurch oft Saugglocke oder Zange nötig werden (vgl. <link https: www.ncbi.nlm.nih.gov pubmed external-link-new-window external link in new>hier). Andere Schmerzmittel wie Meptid können auch dem Kind schaden und für Lachgas ist die Studienlage noch nicht klar.
Glücklicherweise gibt es aber sanfte und ebenfalls wirksame Techniken, die dir helfen, die Wehen zu bewältigen: Eine inzwischen recht bekannte Methode ist das HypnoBirthing. Dabei lernst du Techniken, mit denen du dich während der Wehen entspannen kannst. Es wird z.B mit inneren Bildern wie einem Handschuh gearbeitet, den du dir in deiner Vorstellung über eine Hand ziehst und diese ganz taub und schmerzfrei macht. Dieses Gefühl der Taubheit schickst du dann gedanklich an die schmerzenden Stellen in deinem Körper. Auch Atemtechniken und unterstützende Maßnahmen durch den Partner sind Teil des Konzeptes. Die Methode kann sehr hilfreich sein, allerdings sollten einige Aussagen mit Vorsicht genossen werden. Denn gelegentlich wird der Eindruck erweckt, als werde eine Geburt durch HypnoBirthing automatisch schmerzfrei – und wenn dann doch Schmerzen auftreten, sind die Frauen völlig verunsichert, weil sie befürchten, etwas falsch zu machen. Dazu möchten wir ganz deutlich klarstellen: Es gibt einige Frauen, die die Geburt tatsächlich als nicht oder kaum schmerzhaft empfinden. Das bedeutet aber nicht, dass das für jede Frau möglich ist – auf das unterschiedliche Schmerzempfinden und die je individuelle Anatomie sind wir ja oben schon eingegangen.
Außerdem lehrt HypnoBirthing, dass in der Pressphase das Baby nur „herausgeatmet“ werden soll. Auch das kann klappen – und tatsächlich zeigen Studien, dass das von außen angeleitete heftige Pressen nicht immer hilfreich ist. Atmen allein reicht jedoch manchmal nicht und viele Frauen verspüren selbst einen Pressdrang. Am besten wäre es dann, wenn die Frauen ermutigt werden, instinktiv so zu pressen, wie es ihnen richtig erscheint.
Realistischer und sehr hilfreich ist der Ansatz „Mindful Birthing“ von Nancy Bardacke, wie er in ihrem Buch „Der achtsame Weg durch Schwangerschaft und Geburt“ vorgestellt wird. Inzwischen bieten auch einige Hebammen Kurse dazu an (www.mindfulbirthing.de). Achtsamkeit ist eine Haltung, bei der wir uns ganz auf den gegenwärtigen Moment konzentrierten und ihn so annehmen, wie er gerade ist. Das bedeutet: Wir schweifen nicht ab in das, was kommt oder das, was war und wir bewerten das, was gerade ist, nicht. Wir nehmen es an und nehmen es ganz gründlich und aufmerksam wahr – mit einer Einstellung der Offenheit für neue Erfahrungen und des Einlassens auf das, was gerade passiert.
Das kann auch helfen, entspannt zu bleiben, wenn die Geburt anders verläuft, als geplant – wenn zum Beispiel doch Schmerzmittel oder Eingriffe nötig werden. Mindful Birthing überträgt diese Haltung konkret auf die Schwangerschaft, die Geburt und die Zeit danach und bietet konkrete Techniken, mit denen diese Einstellung geübt werden kann.
Eine Übung von Mindful Birthing ist das Festhalten eines Eiswürfels, was schon nach kurzer Zeit ziemlich unangenehm ist. Zunächst sollen die Teilnehmerinnen sich auf den Schmerz fokussieren und dabei möglichst viel jammern.: „Das tut so fürchterlich weh! Ich halte das nicht mehr aus!“ Im zweiten Durchgang sollen die Teilnehmerinnen sich dann, während sie den Eiswürfel halten, ganz auf ihren Atem konzentrieren – und stellen fest, dass sie den Schmerz so viel besser aushalten können.
Dazu vermittelt Mindful Birthing Atemtechniken – zum Beispiel, während einer Wehe die Atemzüge (Einatmen und Ausatmen) zu zählen – in dem Wissen, dass eine Wehe meist nach ca. 7-10 Atemzügen vorbei ist. Wehen dauern nämlich i.d.R. 60-90 Sekunden. Das hilft, sich vor Augen zu führen: Der Schmerz ist intensiv, aber er geht vorbei - er dauert nur kurz, deshalb kann ich ihn aushalten. Außerdem kann das Atmen mit Wörtern verbunden werden, die deinem Körper hilfreiche Botschaften vermitteln, zum Beispiel kannst du beim Einatmen das Wort „tief“ denken und beim Ausatmen das Wort „langsam“. Du kannst dir auch eigene Wörter überlegen, z.B.: „Ruhe“ und „Loslassen“.
Eine weitere Übung ist der Fokus auf die Körperbereiche, die nicht schmerzhaft sind, was hilft, nicht vom Wehenschmerz überwältigt zu werden. Ein überraschend einfacher Trick besteht darin, während einer Wehe die Mundwinkel nach oben zu ziehen, wie bei einem Lächeln. Forschungen haben ergeben, dass dabei Endorphine freigesetzt werden, welche Schmerzen lindern. Auch Schmerzübungen für die Wehenpausen, die helfen, sich zu erholen und Partner-Übungen gehören zum Mindful Birthing. Der Ansatz verspricht keine schmerzfreie oder planbare Geburt – aber er zeigt einen echten Weg, mit dem, was kommt, gut umzugehen und sich auf das, was passiert, vertrauensvoll einzulassen. Die Haltung, die man dabei erlernt, hilft auch schon bei Problemen vor und noch lange nach der Geburt und ist ein echtes Geschenk für das gesamte Leben. Gleichzeitig ist das Buch so praxisorientiert, dass die Übungen auch zuhause super durchgeführt und problemlos in Geburtsvorbereitungskurse eingebaut werden können.
Abseits dieser Konzepte ist der Atem bei der Entbindung unser bester Freund. Es gibt nicht die „eine richtige Atemtechnik“, aber verschiedene Anregungen, die dir helfen können, Anspannung zu reduzieren und Schmerzen zu veratmen. So kannst du dir vorstellen, wie du in den Schmerz hineinatmest und ihn dadurch reduzierst. Du kannst auch visualisieren, wie du helles, wohltuendes Licht in die schmerzenden Körperregionen atmest, die den Schmerz lindern. Achte auf ein langes Ausatmen und stelle dir vor, dabei alle Schmerzen und Spannungen herauszulassen. Hilfreich ist das tiefe Einatmen in den Bauch hinein, weil das den Körper entspannt und ihm hilft, dein Baby gut mit Sauerstoff zu versorgen.
Stelle dir vor, wie du mit jedem Atemzug Ruhe und Liebe zu deinem Baby schickst, das mit jeder Wehe näher zu dir kommt. Auch Töne, die das Ausatmen begleiten, können sehr nützlich sein, weil sie dem Körper helfen, sich zu öffnen und zu entspannen. Gut sind Töne, die den Kiefer öffnen, zum Beispiel „A“ oder „O“. Traue dich, zu experimentieren – besondere Ereignisse erfordern besondere Maßnahmen!
Beim Pressen gibt es, wie schon erwähnt, unterschiedliche Meinungen.
Meist ist es nicht nötig, die Luft krampfhaft anzuhalten und so stark zu pressen, dass der Kopf rot wird und du nach wenigen Presswehen völlig erschöpft bist. Hole tief Luft, wenn die Wehe kommt und versuche, die Luft dann mit einem „ffffff“ herauszulassen (als würdest du eine Kerze auspusten) und dabei mitzuschieben. Manchmal kann es aber auch besser klappen, wenn du die Luft beim Schieben anhältst – das ist von Geburt zu Geburt unterschiedlich. Als besonders belastend empfinden viele Frauen die Phase kurz vor dem eigentlichen Pressen. Hier kann es helfen, zu Beginn der Wehe tief einzuatmen und dann die Luft mit einem „tsch“ oder „tsch-tsch-tsch“ herauszulassen.
Gehe positiv an die Geburt heran! Füttere dein Gehirn mit positiven Geburtsberichten, z.B. aus dem Buch „Die selbstbestimmte Geburt“ von Ina May Gaskin oder „Geburtsberichte“ von Corinne Jeremias. Das hilft Geist und Körper, mit einer entspannten, positiven Einstellung in die Geburt zu gehen.
Versuche es nicht allein! Beziehe deinen Partner oder eine andere Vertrauensperson, der/die dich zur Geburt begleitet in die Vorbereitung mit ein. Lasse ihn/sie die Übungen kennenlernen, damit sie dich während der Entbindung unterstützen können. Besucht gemeinsam einen Geburtsvorbereitungskurs, wie er von Hebammen, Kliniken oder manchen Familienbildungseinrichtungen angeboten wird. Die Krankenkassen finanzieren diese Kurse in der Regel.
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