Format: Artikel – Schreibfeder auf dem Tisch
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Wutanfälle, treten, beißen, kratzen - Was tun, wenn mein Kind aggressiv wird?

Autorin - Melanie Schüer

Kinder zwischen ca. zwei und vier Jahren trotzen – das ist völlig natürlich und ein wichtiger Teil ihrer Entwicklung. Sie spüren in dieser Zeit ihren eigenen Willen ganz stark, können sich aber gleichzeitig noch nicht in andere hineinversetzen. Deshalb begreifen sie nicht, warum sie ihren Willen nicht immer umsetzen können.

Lesezeit: Etwa 5 Minuten

Wutanfälle gehören dazu

Der Gehirnbereich, der für Gefühle zuständig ist, ist im Alter zwischen zwei und vier Jahren schon sehr stark entwickelt – dagegen ist der Gehirnbereich, der für Selbstkontrolle und Vernunft benötigt wird, noch ganz schwach. Er ist sogar erst im Alter von Anfang 20 fertig entwickelt! Deshalb werden Kleinkinder oft von ihren Gefühlen überrollt und haben sich dann selbst nicht mehr im Griff.

Dein Kind ist also bei Wutanfällen nicht absichtlich böse, sondern einfach überfordert und kann sein eigenes Verhalten nicht mehr steuern. Mehr Infos und Tipps zum grundsätzlichen Umgang mit Trotz und Wut findest du in unserem Artikel Kinder und Trotz

Umgang mit Aggressionen bei Wutanfällen

Besonders schwierig wird es, wenn Kinder bei diesen Ausrastern anderen Menschen weh tun und/oder Gegenstände zerstören. Deshalb möchten wir dir konkret zu diesen Situationen gern ein paar Tipps geben:

  • Versuche, bei den Ausrastern selbst möglichst ruhig zu bleiben. Stelle dir dein Kind als Baby vor - genauso hilflos wie damals ist es in diesen Momenten auch. Es macht das nicht absichtlich - das muss man sich immer wieder klarmachen.
  • Versuche, typische Auslöser zu vermeiden. Achte z.B. auf genügend Schlaf, vermeide zu viele Termine und kündige Veränderungen etwas 5 Minuten vorher an („Noch 5 Minuten, dann müssen wir gehen!)
  • Gehe direkt, wenn ein Ausraster zu beginnen scheint, auf die Augenhöhe deines Kindes (hinsetzen/in die Knie gehen). Fasse seine Gefühle in Worte, z.B.: "Das ärgert dich jetzt, oder? Ich verstehe, dass dich das wütend macht. Du würdest jetzt gern ... und leider geht das nicht. Das macht dich sauer!" Es hilft Kindern, wenn man ihre Gefühle in Worte fasst, weil sie dann merken: Meine Eltern verstehen mich. Und es gibt ein Wort für das, was ich fühle ... also ist es irgendwie normal und ich kann mit der Zeit lernen, damit umzugehen.
  • Schau, ob dein Kind in den Arm genommen werden mag oder sich ablenken lässt.
  • Wenn es keine Nähe zulässt, sage etwas wie: "Es ist okay, du darfst wütend sein. Sag mir Bescheid, wenn ich etwas für dich tun kann, um dich zu trösten." Bleibe dann in Sichtweite und lass dein Kind die Wut herauslassen. Wenn es anderen weh tut oder Dinge kaputt macht, dann gehe wieder auf seine Augenhöhe, berühre ihn kurz an der Schulter, blicke ihm in die Augen und erkläre freundlich, aber entschieden: "Hör mal, du darfst dich ärgern! Aber du darfst nicht anderen weh tun. Und du darfst keine Sachen kaputt machen!"
  • Gehe mit deinem Kind in einen anderen Raum, wenn es nicht aufhört und warte dort mit ihm, bis er sich etwas beruhigt hat. Wenn es dir weh tut, erkläre ihm, dass dir das weh tut und du rausgehen musst, wenn es nicht aufhört. Wenn es dann weitermacht, geh kurz raus - ohne dein Kind aber einzusperren. Wenn es dir nachläuft, ist das so, aber du kannst dich dann z.B. kurz selbst in einem Raum einsperren/für 2 Minuten die Tür zuhalten und dann wiederkommen und ihm eine neue Chance geben.
  • Wenn sich dein Kind weigert, den Raum zu verlassen, können evtl. du und die anderen herausgehen. Falls es nötig ist, die Tür von eurem Raum zuzuhalten, damit ihr nicht weiter verletzt werdet, solltet ihr das aber höchstens 2-3 Minuten machen, um keine Ängste zu provozieren.
  • Atme selbst immer wieder tief in den Bauch ein und aus und erinnere dich daran, dass dein Kind gerade selbst nichts mehr im Griff hat und unter seinem eigenen Verhalten leidet. Biete immer wieder Trost und Zuwendung an. Du solltest deutlich machen, dass Gewalt nicht akzeptiert wird – dass Gefühle wie Wut aber okay sind und, dass deine Arme immer offen sind.
  • Verzichte möglichst auf Schimpfen und Strafen, denn es schadet nur, wenn man Kinder für etwas bestraft, das sie selbst noch nicht kontrollieren können.
  • Wenn dein Kind aber immer wieder andere verletzt oder Dinge kaputt macht, können natürliche Konsequenzen nötig sein: Zum Beispiel, dass man von einem Treffen mit anderen Kindern früher nach Hause geht oder, dass Gegenstände für eine kurze Zeit weggeräumt werden müssen, um sie zu schützen. Das sollte man aber nie wütend als Strafe verkünden, sondern eher mitfühlend und bedauernd: „Schade, dann müssen wir jetzt nach Hause gehen, wenn du den anderen weh tust. Vielleicht klappt es beim nächsten Mal besser!“
  • Zeige deinem Kind immer mal wieder Alternativen zum Hauen/kaputt machen: Auf den Boden stampfen, in ein Kissen schlagen. Übt das in ruhigen Situationen und erinnere es daran und zeige es ihm, wenn er wütend ist. Das klappt nicht sofort, aber mit etwas Geduld hilft das oft.

Kinder-Wut und Eltern-Wut

Trotzanfälle lösen auch in uns Eltern Wut aus – das ist ganz normal. Wichtig ist, diese Wut ernst zu nehmen und zu reflektieren: Mein Kind meint nicht mich. Es möchte mich nicht ärgern. Es kann gerade nicht anders. Oft lässt das die eigene Wut schon etwas kleiner werden. Finde Wege, dich selbst zu beruhigen – drei Mal tief durchatmen, die Faust fünf Sekunden fest ballen und wieder loslassen, selber in ein Kissen boxen (gutes Vorbild für das Kind!).

Ist deine Wut trotzdem sehr stark, dann hole dir Hilfe, um deinem Kind gegenüber nicht unfair oder aggressiv zu werden. Auch häufiges Schreien ist eine Form von Gewalt, die Kinder oft direkt in körperliche Aggression übertragen. Studien zeigen: In Familien, wo die Eltern viel schreien, sind die Kinder insgesamt aggressiver. In unserem Artikel findest du einige Tipps zu Eltern-Wut

Und, nicht vergessen…

Diese Phase ist anstrengend, aber mit vier bis fünf Jahren lassen die Wutanfälle in der Regel deutlich nach. Und ein guter Umgang mit Aggression ist eine ganz wichtige Basis für das ganze weitere Leben. Die Trotzphase ist also nicht nervig, sondern eine sinnvolle, wichtige Trainingszeit!

Hole dir Hilfe und Unterstützung.

Weitere, kostenlose Beratung erhältst du in unserer Onlineberatung oder in einer Erziehungsberatungsstelle vor Ort – wir helfen dir gerne bei der Suche.

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